Dienstag, 29. Dezember 2015
Berliner Asche, Kapitel 5, Szene 2
Die Sonne ging feuerrot im Westen unter, als Fröbel, der oberlippenbärtige Anführer der Freien Kameradschaft Lichtenberg die Brückenstraße in Niederschöneweide überquerte. Er war allein, aber diese Gegend war fest in deutsch-nationaler Hand. Hier war die Welt noch in Ordnung: gepflegte Altbauten ohne Schmierereien an den Wänden, saubere Bürgersteige, deutsche Autos und deutsche Gesichter, dazwischen die gute alte Tram. Er war alleine mit der qietscheentchengelben Straßenbahn gekommen, weil er diese Sache ohne seine Jungs durchziehen wollte. Er hatte die Adresse von Hermann, der bewährten Tresenkraft aus dem „Braunauer Brauhaus“.
Er betrat einen sandfarbenen Altbau, dessen Stuckfassade man einst abgeschlagen hatte. Seine Erker ragten mit ihren großen Fenstern über den Bürgersteig. Im vierten Stock wohnte der Mann, dessen Hilfe er brauchte. An der Türklingel stand kein Name, Fröbel klöpfte dreimal kurz und dreimal lang wie verabredet.
Ein riesiger Typ, bestimmt zwei Meter groß, mit Doppelkinn und Dreifachnacken, öffnete die Tür.
„Du bist Fröbel, stimmt’s?“ fragte er. Mit einem rauen heiseren Lachen winkte er ihn in die Wohnung. Er hatte drittklassige, völlig verwaschene Tätowierungen auf beiden Unterarmen, vermutlich hatte er zu DDR-Zeiten im Knast gesessen und hatte sie selbst fabriziert. Eine davon war eine 18 für die Buchstaben AH.
Sie setzten sich in ein düsteres Zimmer, dessen Rollladen geschlossen war. Ein Sechserträger Bier stand auf dem Tisch. Der Mann öffnete zwei Flaschen mit einem Feuerzeug und reichte Fröbel eine davon.
„Du brauchst eine Waffe?“
„Ja.“
„Du bist mir als Kamerad beschrieben worden, auf den man sich verlassen kann.“
„Hundert Prozent. Blut und Ehre.“ Fröbel trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Heia Safari“, das an das deutsche Afrika-Korps im Zweiten Weltkrieg erinnerte.
„Frei – Sozial – National“ war die Aufschrift auf dem Bekenntnishemd des Riesen, weiße Frakturschrift auf schwarzem Grund.
„Willst es den linken Zecken zeigen, oder?“
„Genau. Der linken Brut muss eine Lektion erteilt werden“, antwortete Fröbel mit einem Grinsen. Von den Russen musste er ja nichts erzählen. Noch mal würde er dort nicht ohne richtige Waffen aufkreuzen, soviel war klar. Da mussten größere Geschütze aufgefahren werden.
Der Mann ging kurz aus dem Zimmer. Fröbel wartete, während im Hintergrund eine Waschmaschine ihrem Höhepunkt entgegen vibrierte.
Er kam mit einer schwarzen Sporttasche zurück.
„Da hätten wir hier eine Beretta 92. Halbautomatik. Wird von der italienischen Polizei und der US Army genutzt. Fünfzehn Patronen im Magazin. Ersatzmagazin kann ich dir auch mitgeben. Kostet unter Freunden fünfhundert Euro.“
Er legte die Waffe auf den Wohnzimmertisch und nahm eine zweite Pistole aus der Tasche. „Dann habe ich noch eine CZ 75, tschechisches Modell. Sehr beliebt, wird inzwischen in der Türkei und in vielen anderen Ländern nachgebaut. Falls du die Spur der Bullen in eine andere Richtung lenken willst. Mit dieser Waffe schießen die Kanaken gerne um sich. Hat auch Kaliber 9 Millimeter. Sehr zuverlässige Waffe, sehr robust. Die lässt dich nicht im Stich.“
Fröbel kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Hast du nicht was Deutsches?“
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