Dienstag, 24. Februar 2015
2011
Auszüge aus dem Notizbuch:
3. Januar. Silvester bei Freunden in Hamburg. Neujahrsspaziergang an den Landungsbrücken. Vorsichtiger Optimismus, der nach Strafe schreit.
17. Januar, Berlin. Beim Blick in den Spiegel: Eine schöne Leiche werde ich wohl nicht mehr abgeben.
Gäbe es dein Leben als Comicheft, könntest du endlich die großen Linien erkennen.
30. Januar. Ich sage mir jeden Morgen: „Junge, du bist Teil der Unterhaltungsindustrie. Versuch mal, dein Geld zu verdienen!“
10. Februar. Männer und Autos: PS. Der erste und der letzte Buchstabe von Penis.
16. Februar. „Ich kenne Sie doch von irgendwo her.“ – „Ich war der Indianer in ‚Einer flog über das Kuckucksnest‘.“
Rente: Da wirst du noch so in den Arsch gefickt, dass du Scheiße kotzt.
7. März. Zum ersten Mal im Leben habe ich in einem Preisausschreiben gewonnen. Vom „Kicker“ habe ich ein Formel 1-Sonderheft bekommen, Wert: vier Euro!
24. März. In der Mikrowelle wird mein Essen in zwei Minuten warm. Wie wäre es mit einer Maschine, die das Bier aus dem Supermarkt in zwei Minuten auf Trinktemperatur runterkühlt?
13. April. Es ist schon merkwürdig: Das Unglück bringt die Menschen einander näher, der Wohlstand treibt sie auseinander.
10. Mai. Ab einem gewissen Stadium bist du in einer Phase der reinen Improvisation. Denn erinnern kannst du dich in diesen Momenten nur an sehr wenig.
11. Mai. Ich bin den ganzen Tag unterfordert. Deswegen mache ich auch nix.
8. Juni. Kneipenname: „Your final mistake“.
16. Juni. “Fettweazle” ruft man mir auf der Straße hinterher. Kinder können so grausam sein …
28. Juni. Und dann kommst du ausgerechnet in diese Stadt mit deinem billigen Siebziger-Jahre- Kleinstadtidealismus …
13. Juli. „Glaube? Weltanschauung? Da nehme ich doch nichts von der Stange, da kaufe ich doch kein Massenprodukt. Es gibt eine Milliarde Katholiken und eine Milliarde Kommunisten. Na und? Soll ich etwa einer von ihnen sein? Nein. Ich bastele mir ein Einzelstück, mein eigenes Drehbuch der Selbstverarschung.“ (Desdemona van der Qual)
28 Juli. Aus Erinnerung und Erwartung wurden Asche und Verzweiflung.
7. August. Der Gott des Neuen Testaments ist ein Müßiggänger. Er macht nichts mehr, er lässt sich nicht mehr blicken und im Zweifelsfall schickt er eine Vertretung (den Halbgott Jesus, der als Baby aber erstmal gar nix machen kann). Er ist mir wesentlich sympathischer als der stets aktive, ungeduldige und jähzornige Gott des Alten Testaments.
16. September, Bamberg. Auf dem Weg in die Altstadt komme ich morgens am Fässla vorbei. Die ganze Straße duftet schon aus offenen Fenstern nach gutem Essen. Das Gasthaus ist bereits so voll, als würde man hier seit Stunden sitzen. Das Bier ist herrlich, eine Brezel holt man sich beim Bäcker gegenüber. Hier könnte man für den Rest des Tages einfach sitzen bleiben. Später treffe ich mich mit N. im „Biergärtla“ des Klosterbräu zum Mittagessen. Am Nachbartisch bestellt eine Frau einen Salat und Mineralwasser. Der Kellner bringt es und kommentiert es mit dem Wort „Grünfutter“. Er wünscht ihr „Gesundheit“, allen anderen Gästen einen „Guten Appetit.“ Im Freistaat ticken die Uhren noch anders als in Berlin.
30. September, Miltenberg. Gasthaus zum Riesen. Volles Glas, leeres Glas. Yin und Yang.
2. November, Berlin. Jedes Leben sagt etwas über seine Zeit aus. Deswegen kann auch jedes Leben erzählt werden.
30. November. Der letzte Tag als Kiezschreiber, morgen gehöre ich wieder zu den glücklichen Erwerbsfreien.
18. Dezember. Der typische Deutsche ist eine wandelnde Frustsammelstelle, die irgendwann einmal ohne Vorwarnung entweder explodiert oder implodiert.
Culture Beat – Inside Out. https://www.youtube.com/watch?v=86NNn_7cizQ
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