Dienstag, 9. Dezember 2014
Olmützer Quargel in Malibu
Sie standen auf der Veranda seiner Villa in Malibu und lehnten sich an die hölzernen Planken des Geländers. Der beruhigende Rhythmus des Meeresrauschens ließ ihn die kommenden Aufregungen dieses Abends vergessen und er prostete seinem Freund zu. Charlie lächelte und nippte an seinem Bushmills.
„Glaubst du daran?“
„Ja, heute Nacht werde ich ihn nach Hause bringen“, antwortete Bonetti und lächelte.
„Du wirst es schaffen“, sagte Charlie Sheen.
Er vertraute ihm. Charlie kann deine Zukunft aus einem Whiskyglas lesen.
Dann gingen sie zusammen ins Haus. Die großzügige Villa am Strand hatte ihm ein Bewunderer testamentarisch hinterlassen. Er war gerne hier und heute feierte er eine Party mit all seinen Freunden aus Hollywood. Bonettis Liebesroman „Chili con Carmen“ war verfilmt worden und er war als Drehbuchautor für den Oskar nominiert. War es das beste Drehbuch des Jahres?
William „Wild Bill“ Kesselflicker, der allmächtige Filmmogul, dessen Studio Sugarland Productions „Chili con Carmen“ ermöglicht und ganz groß rausgebracht hatte, zweifelte keine Sekunde daran. Er sah Andy und Charlie hereinkommen und winkte sie heran.
„Darf ich dir Mike Tyson vorstellen? Er ist ein guter Freund von mir.“
Bonetti schüttelte Tyson die Hand und der berühmte Boxer bedankte sich ganz artig mit seiner Fistelstimme für die Einladung.
Die Hauptdarstellerin des Films, die isländische Neuentdeckung Rita Olafsdottir, eine betörende Schönheit mit langen blonden Locken, trat hinzu. Im Hintergrund sah Bonetti, dass auch der Hauptdarsteller Biff Caraway, der zuvor in Steven Spielbergs „Indiana Jones und der Bart des Propheten“ zu Weltruhm gelangt war, das Haus betreten hatte. Robert Pysnelski, der Regisseur, den Bonetti wegen seiner ständigen Änderungswünsche seinen Freunden gegenüber immer mit dem Determinativkompositum „Pissnelke“ bezeichnete, begrüßte den Schauspieler übertrieben herzlich und umarmte ihn. Bonetti nickte seinem Kammerdiener Johann kurz zu und das Essen wurde aufgetragen.
Bei Bonettis Party gab es immer den berühmten Olmützer Quargel, einen tschechischen Sauermilchkäse. In Hollywood waren alle ganz verrückt nach Olmützer Quargel. Dazu isst man frisch gebackenes Brot, gehackte Petersilie und Schalotten. Das Käsebrot wird mit einer Prise Salz und Kümmel verfeinert. Für die Liebhaber warmer Vorspeisen gab es außerdem Quargeln im Bierteig. Dazu tranken die Gäste Kozel, das nicht pasteurisierte tschechische Bier ("Tankové pivo") der Brauerei Velké Popovice, das bei dieser Party eigentlich nicht ausgeschenkt werden durfte, da es aus irgendwelchen rechtlichen Gründen nicht in die USA importiert werden konnte. Bonetti hatte es darum nach Mexiko fliegen und schwarz über die Grenze nach Kalifornien bringen lassen. Es gab der Veranstaltung einen Hauch von Speakeasy und seine Gäste waren vom „tank beer“ entzückt. Seit der Legalisierung von Marihuana sind solche Genüsse in Hollywood heiß begehrt.
Als Hauptspeise und Krönung des gemeinsamen Mahls wurde Saftgulasch mit Knedliky und mährischem Kraut serviert. Und zum Nachtisch gab es die nicht weniger berühmten Buchteln, süße Germknödel, selbstverständlich ofenfrisch zubereitet, die mit Marillenmarmelade, Mohn oder Powidl (Zwetschgenmus) gefüllt waren. Dazu wurde warme Vanillesauce gereicht. Vielen Stars hatte Bonetti schon das Rezept für diese Buchteln mitgeben müssen, man hatte ihn förmlich um das Geheimnis des köstlichen Backwerks angefleht und er hatte es gerne mit seinen kalifornischen Freunden geteilt.
Bonettis Tischdame beim Abendessen war Yuki Mizutaki, die japanische Übersetzerin seiner Werke. Yuki bedeutete Schneeprinzessin, wie sie ihm einmal verraten hatte.
“Mister Bonetti, ich wäre gerne einmal bei der Arbeit an einem Roman dabei.”
Bonetti zog erschrocken die Augenbrauen hoch, seine Kinnlade klappte herunter. „Sie wollen mich in Unterhosen sehen?“
Frau Mizutaki lachte, verschluckte sich an einem Knödelstück und begann zu husten.
„Okay, aber ich muss Sie warnen. Das ist kein schöner Anblick. Kann ich nicht wenigstens eine Jogginghose anziehen?“
Aber Andy Bonetti hatte noch mehr zu erzählen. Seine Gäste hörten staunend von seinen Yachtausflügen nach Sardinien und seinem Urlaub im Schweizer „Kraftort“ Sils. Die Stars von heute machen Urlaub in der Wonderland-Entzugsklinik in den malerischen Hügeln von West Hollywood. Suiten mit Kamin und Whirlpool, Massagen, Reitstunden und Ausflüge mit dem Hubschrauber – und man lebt für einige Wochen im Jahr ausnahmsweise mal gesund. Es kostet nur lächerliche 30.000 Dollar im Monat. Manche checken auch in der Entzugsklinik „The Promises“ in den Hügeln von Santa Monica ein, die noch etwas kostspieliger ist. Seine Gäste Winona Ryder, Mike Tyson und Lindsay Lohan waren schon in Wonderland gewesen.
Und genau diese Lindsay Lohan saß am Steuer, als sie in Bonettis 1972er Plymouth Road Runner zur Preisverleihung nach Los Angeles fuhren. Lindsay hatte zwar schon einige Cocktails getrunken, aber das Kokain machte sie unbesiegbar und so flogen sie mit über hundert Stundenkilometer in die Innenstadt. Kurz vor dem Dolby Theatre, wo in einer Stunde die Zeremonie beginnen sollte, passierte es. Bonetti rieb sich auf dem Beifahrersitz gerade eine kleine Prise ins Zahnfleisch, alles war voller Menschen, sie suchten einen Parkplatz und übersahen einfach den winzigen Mann, der gerade über die Straße wollte.
Es knallte, sie rumpelten über ein Hindernis und dann bremste Lindsay. Hinter dem Wagen lag Tom Cruise. Regungslos. Das würde Ärger mit Scientology geben, so viel war sicher. Mit der amerikanischen Gehirnwäschemafia war nicht zu spaßen und ihr Hauptquartier lag in Los Angeles. Bonetti hat diese Szene später in seinem Roman „Das geheimnisvolle Schweigen oder Yoga mit Erwin“ verarbeitet.
„Scheiß drauf!“
„Scheiß drauf!“
Fortsetzung folgt.
P.S.: Ich war ziemlich stolz darauf, als mir das Wortspiel „Chili con Carmen“ schon vor dem Frühstück eingefallen war und konnte es kaum erwarten, von der Toilette zurück an meinen Schreibtisch zu kommen. Dann habe ich den Begriff am Computer in eine Suchmaschine eingegeben und war sehr enttäuscht, dass bereits 1930 Walter Lantz für einen Cartoon mit „Oswald the Lucky Rabbit“ (dem Vorläufer der berühmten Mickey Mouse von Walt Disney, der Oswald ursprünglich erdacht hatte) auf dieselbe Idee gekommen war und nach ihm etliche andere Leute. Manchmal finde ich das Internet so richtig Scheiße.
P.P.S.: Falls Sie einmal nach Prag kommen, können Sie das köstliche Velkopopovický Kozel beispielsweise im „U Černého vola“ (Loretánské náměstí 1) oder im „Kozlovna“ (Lidicka 20) genießen.
Beck – Where It’s At. http://www.youtube.com/watch?v=EPfmNxKLDG4
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