Freitag, 5. Dezember 2014
Brot und Spielereien
Die Sanktionen gegen Russland sind ein interessantes Experiment, denn nun zeigt sich, wie westlich das russische Volk ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall wirklich geworden ist. Wirtschaftliche Sanktionen als politisches Druckmittel entspringen unmittelbar dem Kern westlichen Denkens. Kapitalismus ist nur die oberflächliche Ausprägung dieses Denkens, der Kern ist: Materialismus. Wir definieren uns über Konsum und über Besitz. Und das ist ironischerweise ebenfalls recht oberflächlich gedacht. Aber unsere Lebensweise hat nun einmal keine tiefere Fundierung als bloße animalische Bedürfnisbefriedigung. Gebt uns Wurst, gebt uns mehr Wurst, gebt uns bessere Wurst!
Die zutiefst westliche Strategie gegen „den Russen“ ist ganz einfach: Nehmt dem russischen Staat die Einnahmen und der russischen Bevölkerung den Konsum. Der Verbündete des Westens, Saudi-Arabien, sorgt für niedrige Energiepreise auf dem Weltmarkt und reduziert auf diese Weise die Einnahmen Russlands, das hauptsächlich vom Öl- und Gasexport lebt. Gleichzeitig ruinieren sich die Amerikaner durch Fracking ihre Umwelt, um noch mehr Öl und Gas auf den Markt schmeißen zu können, was den Druck auf Russland erhöht. Auf den Finanzmärkten bekommen russische Banken und Unternehmen praktisch kein Kapital mehr. Dazu kommt der dramatische Wertverfall des Rubels gegenüber den westlichen Währungen, so dass der Import verteuert und der Konsum reduziert wird. In der Folge müssen die Menschen in Russland auf viele Dinge verzichten. Es gibt eben keine russischen Bananen.
Die große Frage ist nun, ob diese materialistische Strategie des Aushungerns erfolgreich sein wird. Wir nehmen euch die Schokolade und die Orangen, wenn ihr nicht brav seid! Die Deutschen des 21. Jahrhunderts würden beim geringsten wirtschaftlichen Druck durch Sanktionen sofort einknicken. Wir sind inzwischen wirklich im Westen angekommen. Uns müsste man nur damit drohen, nicht genug Südfrüchte zu schicken oder den Sprit um fünf Cent teurer zu machen – schon würden wir zu Kreuze kriechen. Aber können die Menschen in Russland durch solche Sanktionen gebrochen werden? Brechen wir ihren Willen mit den Mitteln des Materialismus? Oder sind ihnen Unabhängigkeit und Würde wichtiger als BMW und Coca-Cola? Ich bin schon sehr gespannt, wie dieses Duell ausgehen wird. Und hätten die Russen, aber das sei nur nebenbei bemerkt, keine Atomwaffen, hätten wir die Entscheidung schon längst mit militärischen Mitteln, mit Bomben und Kampfdrohnen, erzwungen.
Neil Young – After the Gold Rush. https://www.youtube.com/watch?v=1e3m_T-NMOs
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