Montag, 1. Dezember 2014
2003
Auszüge aus dem Notizbuch:
4. Februar. Auf allgemeinen Wunsch hier noch einmal meine drei Lebensmaximen:
1. Scheiße schwimmt oben.
2. Wer dir einmal in den Arsch tritt, dem trittst du dreimal in den Arsch.
3. Diesen Rausch nimmt dir keiner mehr.
15. Juni. Auf der Hochzeit von A. habe ich 24 Stunden gesoffen, man kann es nicht anders sagen. Vom ersten Schnaps, den ihr Vater vor der Trauungszeremonie in Petzow nahe Potsdam ausgeschenkt hat, bis zum Frühstücks-Baccardi nach der durchzechten Nacht. A. kam eine Viertelstunde zu spät in die Kirche und war nach dem anschließenden Sektempfang schon so blau, dass sie auf dem Weg zum Schloss, das sie gemietet hatte, der Länge nach hinschlug. Dank bestem Kokain hielt ich mich tapfer bis um acht Uhr morgens. Dann habe ich mich kurz ins Hotelzimmer begeben, wo N. schon das Waschbecken vollgekotzt hatte.
17. Juli, Berlin. Es ist mit dem Schreiben wie mit dem Lachen: An manchen Tagen kann man über alles lachen, an manchen Tagen über gar nichts. An manchen Tagen kann man (über) alles schreiben, an manchen Tagen (über) gar nichts.
13. August, Schweppenhausen. Etwa vierzig Grad im Schatten, zwischen Zapfhahn und Theke wird das Bier schal. M. ist der Erste aus unserem Kreise, der es zum Gastwirt gebracht hat. Er hat das Sportheim am Fußballplatz übernommen. Alle helfen natürlich beim Umsatz, wo sie nur können.
21. August. Ich bin mit W. eine Woche in Wales. Wir stärken uns mit geschätzten zwölf Pints des köstlichen Guinness-Biers am Tag und ernähren uns von Steaks und indischen Currys. Wir trinken in kühlen Wäldern, durch die kleine Flüsse über Steine murmeln, wir trinken auf den Klippen nahe Holyhead und am Strand von Llandudno, wir trinken in den Burgen Caernarfon und Harlech, wir trinken auf den langen Fahrten über die sanft geschwungenen Landstraßen des Nationalparks, wir trinken in Portmeirion, der schrägen Architekturspielerei eines reichen Exzentrikers, die schon einer psychedelischen Fernsehserie aus den Sechzigern als Kulisse gedient hat, und überall begleitet uns das treue Pfeifchen, das wir uns aus Aluminium gebastelt haben. Abends geht es in die Pubs, besonders schön das „Angelsey“ im Hafen von Caernarfon, unmittelbar an der Burg. Eine Band spielt live, wir lehnen an der Wand und trinken. Als wir am Wasser entlang zu unserem Bed&Breakfast laufen, schlafen die Schwäne schon. Ein Satz von W. ist mir in Erinnerung geblieben: „Ich versuche jetzt wieder, geradeaus zu fahren.“
4. Oktober. Mein erster Urlaub in den Bergen. N. und ich haben uns eine Wohnung in Scuol im Engadin gemietet. Tagsüber Wandern in den Schweizer Bergen, abends Hamburger braten und Spaghetti kochen. Der Silser See mit der Halbinsel Chasté gefällt mir am besten, abstoßend dagegen das Neureichenghetto St. Moritz, ein Sammelsurium von Bausünden und Geschmacklosigkeiten. (Nachtrag: heute wirbt die Grialetschhütte, zu der wir gewandert sind, auf ihrer Homepage mit folgendem Text: „Nein, einen Internetanschluss finden Sie in unserer SAC-Hütte bewusst nicht. Auch Ihr Handy können Sie ruhig zu Hause lassen, Empfang gibt’s bei uns keinen.“)
22. November. Abi-Jahrgangstreffen in Ingelheim. Nach 18 Jahren sehe ich viele zum ersten Mal wieder. All die Manager, Piloten, Ärzte und Journalisten, Väter und Mütter – und für mich haben sie die gleichen Kindergesichter wie einst.
9. Dezember, Berlin. Ich lese endlich Musils „Mann ohne Eigenschaften“. Den „Urlaub vom Leben“ des Protagonisten mache ich seit diesem Frühling und hoffe auf lange Dauer. Ich habe zehn Tage nichts anderes gemacht als lesen.
23. Dezember. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das seine Rauschmittel selbst herstellen kann. Sicher ein Vorteil.
30. Dezember. Könnte der Ochse denken, würde er dennoch in der Tätigkeit des Pflugziehens, die ja doch völlig der Menschenwelt und ihren Bedürfnissen zugerechnet werden kann, keinen Sinn erkennen. Er würde sich womöglich dennoch damit abfinden, da die sinnlose Arbeit ihm wenigstens zu Futter und einem warmen Schlafplatz verhilft. Könnte der Hund denken, würde er in einem Spaziergang ums Karree keinen Sinn erkennen, da er schließlich nicht zum Zweck der Jagd unternommen wird. Er würde sich wahrscheinlich ebenfalls in die Überlegung fügen, das willige Mitgehen verschaffe immerhin Nahrung und Obdach. Was wäre eigentlich, wenn Arbeitnehmer denken würden?
Bloodhound Gang – The Bad Touch. http://www.youtube.com/watch?v=6f7pgA0riU8
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