Mittwoch, 22. Oktober 2014
Hilfe (1987)
Die Dämmerung liegt schon dunkelblau über allem, als ich aus schwerem Schlaf erwache. Es ist seltsam still und die Möbel meines Zimmers verbergen sich in konturlosen Schatten, während ich mit größter Mühe den Kopf vom Kissen hebe und mich im Bett aufrichte. Kaum habe ich meine Sinne gesammelt, bemerke ich den unangenehmen Geruch. ‚Mein Gott, es brennt‘, denke ich und springe auf. Beim Blick aus dem Fenster ist nichts zu erkennen, leblos liegt der dunkle Hinterhof unter mir. Unruhige Schritte zur Tür, das zaghafte Öffnen eines Spalts, Leere. Ich gehe auf den Flur hinaus und schaue über das Treppengeländer hinab. Aus der Tiefe dringt der ferne Lärm hastiger Schritte herauf, ein Geräusch, das in seiner Regelmäßigkeit Teil der häuslichen Ausstattung zu sein scheint. Der Brandgeruch verstärkt sich, einer unbedachten Eingebung folgend laufe ich die zahllosen Stufen hinab und lasse meine Wohnung für immer hinter mir.
Als ich endlich am Haustor ankomme, sehe ich es auch: Über allen Dächern, in der ganzen Stadt, wie ich angesichts des mächtigen Widerscheins am Himmel annehme, brennt ein gewaltiges Feuer. Durch Fensteröffnungen flackern gespenstische Flammenarme, die ein ständig wechselndes Licht auf die Menschen werfen, die sich hier zu stummen Haufen zusammen gedrängt haben. Wohin können sie gehen? Überall brennt es. Sie werden hier sicher so lange warten, bis jemand vorbei kommt und ihnen die Rettung erklärt. Die ungeheure Hitze prasselt, die Luft ist kaum atembar, ächzend brechen die Stockwerke des Hauses ineinander.
Da tritt ein älterer Herr in einem eleganten Anzug und eisengrauem Haar neben mich. „Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich mich jetzt verabschieden muss.“
„Ja, kennen wir uns denn überhaupt?“ frage ich und fahre mir nervös durchs Haar.
„Haben Sie mich denn all die Jahre nie bemerkt? Aber lassen wir das, Sie werden alleine zurechtkommen müssen.“
Noch bevor ich meine Gedanken sortieren und meine Voreiligkeit bedauern kann, dreht sich der Mann um und geht über den Platz davon. Mit ängstlicher Neugier sehen ihn die Menschen an. Wird er sie aus dieser Hölle hinaus führen? Einige springen schon auf. Doch nein, er ist es nicht, ihnen kann er nicht helfen. Enttäuscht setzen sie sich wieder. Nur ich nehme ihn noch wahr, als er zwischen zwei brennenden Häusern für immer verschwindet.
Paul van Dyk – Emergency 911. http://www.youtube.com/watch?v=HpPVy8bh4Ek
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