Montag, 13. Oktober 2014
Ein Zug durch die Gemeinde
So sollte der Sonntag eines Schweppenhäuser Schriftstellers typischerweise aussehen: Um zehn Uhr morgens werde ich von einem Freund und seinem Hund zu einer Wanderung durch den Soonwald abgeholt. Da ich vor einigen Tagen seinen Fachaufsatz überarbeitet und mit einigen neuen Ideen gewürzt habe, gehen wir anschließend auf seine Kosten im Nachbardorf Windesheim Pizza essen und trinken ein paar Bier. Während meiner Siesta schaue ich mir den Formel 1-Grand Prix an und muss leider den telefonisch angefragten Besuch des Ligaspiels unseres Dorffußballvereins faulheitsbedingt absagen, obwohl Flaschenbier und Bratwurst locken. Später lädt mich ein anderer Freund zu einem Saufabend ohne Limit ein, weil er am Abend zuvor beim Zocken fast tausend Euro gewonnen hat. Wir fahren mit dem Bus nach Guldental (das übernächste Dorf) zur Dartkneipe unserer Wahl, die aber leider geschlossen hat. Wir rufen seinen Bruder an, der uns mit seinem Wagen nach Stromberg fährt, wo gerade ein Volksfest ist. Nach einigen Weizenbier und Schnäpsen treffen wir die Lieferfahrerin der Schweppenhäuser Pizzeria, die gerade versucht, in einer Stromberger Kneipe ein Fass Bier zu kaufen, weil in Schweppenhausen die Hölle los ist. Mit ihr fahren wir zurück zur heimischen Dorfpizzeria, wo wir Rindergeschnetzeltes mit Steinpilzen und Bandnudeln essen. Wir treffen noch einen anderen Kumpel, der das dringende Bedürfnis verspürt, uns einen auszugeben. Die Frau des Wirts fährt uns später noch freundlicherweise zur Dorfkneipe, wo wir einen Absacker trinken. Ich komme irgendwann satt und zufrieden zu Hause an, ohne an diesem Tag auch nur einen einzigen Cent ausgegeben zu haben. Nur so kann der hiesige Kulturbetrieb am Leben erhalten werden!
P.S.: Der pakistanische Hilfskoch arbeitet nicht mehr in der Dorfpizzeria. Ali ist nach Hause zurück gekehrt, weil seine Eltern beschlossen haben, dass er mit seinen etwa zwanzig Jahren alt genug zum Heiraten ist und eine Hochzeit für ihn arrangiert haben. Was er in seiner Heimat wohl über die Zeit in unserem Dorf berichten wird? Über unsere Sitten und Gebräuche, über die Unmengen an Wein und Schweinefleisch, die in uns hineinpassen, über Wohlstand und Selbstmitleid? Sind die Deutschen in seinen Augen nicht ein merkwürdiges Volk? Sie jammern und klagen, wenn sie acht Stunden in einem wohltemperierten Büro auf einem teuren Sessel sitzen müssen, wenn der Handy-Empfang etwas schlechter wird, wenn der Zug zehn Minuten Verspätung hat, wenn ihre Fußballmannschaft ein Spiel verloren hat, wenn es regnet, wenn die Sonne zu sehr scheint, wenn der dreiwöchige Urlaub auf den Malediven wieder vorbei ist, wenn sie bei ihrem Hausarzt im Wartezimmer sitzen, wenn sie ihren Mercedes volltanken, wenn die Essensportionen, die er ihnen zubereitet hat, zu groß oder zu klein waren. Wird er seiner Familie, seinen Freunden und den anderen Dorfbewohnern erzählen, dass wir ein Haufen verwöhnter Kinder sind?
Panjabi MC – Jogi. http://www.youtube.com/watch?v=VphR_yM6KxY
Panjabi MC - Mundian To Bach Ke. http://www.youtube.com/watch?v=kAgFkVO7IeM
Empfehlenswert ist auch die Sufi-Musik von Nusrat Fateh Ali Khan.
Ein feiner Zug deiner Gemeinde.
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