Montag, 8. September 2014
Dieses und jenes
Im Lager einer Supermarktkette ist jetzt die Begrenzung der Toilettennutzungszeiten eingeführt worden. Nach fünf Minuten geht das Licht in der Kabine aus - dann kannst du dir im Schein der Handy-Beleuchtung (Akku laden!) die Überreste deiner Notdurft von der Austrittsöffnung deines Darmkanals wischen. Ich wette, nächstes Jahr wird die Zeit auf vier Minuten verkürzt. Gleichzeitig wurde eine Box aufgestellt, in die man Zettel mit Verbesserungsvorschlägen einwerfen konnte. Nach einem Monat fand man in diesem Kasten eine Zeichnung von einem ausgestreckten Mittelfinger und ein Kaugummipapier. Nonverbale Kommunikation vom Feinsten. Die Box wurde entfernt.
Eine Freundin aus Italien rief neulich an. Sie hat die letzte Prüfung bestanden, die sie 2500 Euro aus eigener Tasche gekostet hat, und nun ist sie endlich in den italienischen Staatsdienst aufgenommen worden. Sie hat in Deutschland studiert, ist inzwischen 41 Jahre alt und hat zum ersten Mal in ihrem Leben eine Festanstellung. Voller Stolz berichtet sie mir, dass sie Grundschullehrerin in der Nähe von Mailand geworden ist. Der Staat bezahlt ihr 1200 Euro netto im Monat.
Und überall in der Welt werden Menschen durch die Medien dazu erzogen, sich in diese glückliche Welt hinein zu denken, hinein zu wünschen. Ihre Träume – oder Krieg und Elend – schicken sie auf den Weg in die moderne Sklaverei. Der Mensch, der regelmäßig meine Pizza belegt und backt, wenn ich italienisch essen gehe, heißt Ali und ist aus dem Irak. Er ist etwa zwanzig Jahre alt und nicht krankenversichert, er ist noch nicht einmal offiziell hier. Ich kenne ihn, er arbeitet für mich. Es gibt polnische Putzfrauen und ukrainische Klempner. Die Schattenökonomie ist ein von allen Beteiligten geduldeter Bestandteil unseres Lebens. Sie erlaubt es jedem deutschen Knecht, sich als Herr zu fühlen, und trägt daher maßgeblich zum sozialen Frieden bei. Auch Bundestagsabgeordnete oder Polizisten profitieren von ihr. Schwarzarbeit auf niedrigstem Niveau ist so verbreitet wie Drogen. Daran wird auch ein staatlicher Mindestlohn nichts ändern.
Alle großen Imperien der Geschichte expandieren bis zum Punkt ihrer Überdehnung und implodieren am Ende. Die Geschwindigkeit dieses Prozesses hängt von der Aggressivität der herrschenden Elite ab und hat in den letzten hundert Jahren stark zugenommen. Seit dem Ersten Weltkrieg sind das Osmanische Reich, das Reich der Habsburger, das deutsche Kaiserreich, das Zarenreich, das britische Empire und die Sowjetunion zusammengebrochen. Napoleon wie auch Hitler hatten die Strategie, den Krieg mit dem Krieg zu finanzieren, weswegen ihnen im Lauf der Jahre und der vielen Schlachten die erfahrenen Soldaten wegstarben. Die Zahl minderjähriger Rekruten stieg permanent an, während sich der Lindwurm des Krieges durch neue Länder hindurchfraß und auf seinem Weg Ernten, Vieh und Menschen verschlang. Alles wurde buchstäblich verheizt, damit das Feuer der Expansion nicht ausging. Die Analogie zum Endkampf des Kapitalismus, in deren totalitären Variante der “Share Economy” jetzt auch die letzten zwischenmenschlichen Beziehungen vermarktet werden und jeder Einzelne sich auf dem Sklavenmarkt der Internet-Auktionen zum Volldeppen machen kann, ist augenfällig: Die Arbeitnehmer werden verheizt, Burn-Out, Depression, Drogensucht und Selbstmord nehmen zu – aber der Zustrom junger Rekruten aus dem Osten und dem Süden hält die Flamme am Leben. Notfalls brauchen wir einen neuen Krieg …
Wir sehen die Welt, als würden wir in die hundertfach totoperierte Fresse eines kalifornischen Pornostars blicken. Wir sehen gar nichts.
P.S.: Das Forbes-Magazin hat festgestellt, dass die Zahl der Dollar-Milliardäre von 140 im Jahr 1987 auf 1426 im Jahr 2013 gestiegen ist. 442 von ihnen leben in den USA.
Aphrodite’s Child – The Four Horsemen. http://www.youtube.com/watch?v=QVExlaxaweo
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