Dienstag, 8. Juli 2014
Andy Bonetti und der Fluch des Jadedrachen, Teil 3
Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite, hatte Bonetti von seinem Meister gelernt. Aber er hatte keine Angst. Bis zu dieser Mole am Hafen von Shanghai hatte er es geschafft, er hatte die beiden Killer abgeschüttelt und wartete nun im Schatten eines rostigen Containers auf seinen Kontaktmann. Er hatte schon ganz andere Situationen gemeistert und der Streifschuss an seinem linken Oberarm war wirklich nur ein Kratzer. Er hörte die Stimme seines Meisters: „Andy, wenn diese Welt ich verlassen habe, der letzte der Jedi wirst Du sein.“
Es dämmerte schon, als ein kleiner schwarzhaariger Chinese die Mole entlang schlich. Er sah sich nervös nach allen Seiten um. Bonetti stieß dreimal den Ruf des Waldkäuzchens aus, das vereinbarte Zeichen. Der Chinese trat näher und übergab Bonetti wortlos eine Metallröhre und ein geheimnisvolles Päckchen. Dann verschwand er zwischen den Containern.
Die Metallröhre enthielt einen Zettel mit einer Adresse in der Altstadt von Shanghai. Sie war in einem alten Inka-Dialekt geschrieben. Ohne zu zögern, verschluckte Bonetti den Zettel und machte sich auf den Weg zur angegebenen Adresse.
Die Gasse war dunkel und menschenleer. Aber aus dem Chinaladen, in dem er die letzte und entscheidende Metallröhre bekommen sollte, drang noch Licht.
Er betrat den Laden. Ein Glöckchen bimmelte hell. Die Regale enthielten ein unübersichtliches Sammelsurium aus Gläsern mit getrockneten Otternasen, Leopardenohren, Nashornpulver und Krokodilzähnen, Feuerwerkskörpern, Vasen, Schneekugeln mit der Skyline von Shanghai, Gummidinosauriern, Action-Figuren, gruseligen Puppen ohne Augen, Deorollern, Stadtplänen, Glasaugen, Süßigkeiten, Jadedrachen und Ansichtskarten.
Hinter dem Verkaufstresen stand ein Verkäufer in der Tracht eines chinesischen Mandarins aus der Ming-Dynastie, der ihm den Rücken zugewandt hatte.
„Guten Abend“, sagte Bonetti.
Der Verkäufer drehte sich langsam um und grinste höhnisch. „Guten Abend, Bonetti. Ich habe Sie erwartet.“
„Lefuet? Sind Sie es wirklich? Ich dachte, Sie wären in den Höhlen unter dem Vatikan ums Leben gekommen.“
Lefuet lachte diabolisch.
Bonetti dachte wieder an seinen alten Meister. „Schwer zu sehen, in ständiger Bewegung die Zukunft ist“, hatte er ihm eingeschärft. Und: „Vergessen du musst was früher du gelernt.“
Lefuet zog eine doppelläufige Jagdflinte aus den Tiefen seines schwarzen Umhangs. „Sie geben mir jetzt sofort die geheime Formel!“
Bonetti sah ihm fest in die Augen und schüttelte entschlossen den Kopf.
Mit einem maliziösen Lächeln entsicherte Lefuet die Waffe und richtete ihren Lauf auf Bonettis breite Heldenbrust.
„Wenn Sie mich töten, werden Sie die Formel nie bekommen. Ich bin der einzige, der sie kennt. Sie ist nirgendwo aufgeschrieben.“
Lefuets Gesicht verzog sich zu einer Maske des Hasses. „Wenn du dich nicht bekehren lässt, werde ich dich vernichten.“
„Eure Überheblichkeit ist Eure Schwäche.“
„Andy, ich bin dein Vater.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich, Sie widerwärtiger Wookietreiber.“
Da schoss explosionsartig ein 1968er Pontiac Firebird durch die berstende Frontscheibe des Chinaladens. Lefuet war für einen Moment verwirrt, ließ die Flinte fallen und wich ein paar Schritte zurück.
Am Steuer des Wagens saß Heinz Pralinski, der Bonetti seine berühmte „Firesnake“ zuwarf.
In einer einzigen flüssigen Bewegung, deren einzelne Elemente erst in der Zeitlupe erkennbar sind, fing Bonetti die Waffe, lud sie mit zwei Silberkugeln aus dem geheimnisvollen Päckchen und ballerte Lefuet das Hirn in Stücke.
Lefuet, der in Wirklichkeit der Teufel war, was dem aufmerksamen Leser vermutlich nicht entgangen ist, verschwand in einer Wolke aus Blitzen und Rauch, während Bonetti seinem Helfer lässig zunickte. Er hatte getan, was zu tun war.
Rita Mitsouku – C’est comme ca. http://www.youtube.com/watch?v=DygHKfVg8hg
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