Montag, 30. Juni 2014
Die Zukunft des Journalismus
Sonntags gehe ich immer mit einem VWL-Professor im Binger Wald spazieren. Er soll einen Fachaufsatz über die Zukunft des Journalismus schreiben – also diskutiert er das Thema mit einem Medienprofi, der seit seinem ersten Artikel für die Schülerzeitung 1978 allerschwerstens im Geschäft ist. Uns ist zu Beginn der Debatte natürlich klar, dass die Printmedien tot sind und die Zukunft des Geschäfts im Netz liegt. Wie verkaufe ich eine Information im Netz? Mache ich sie komplett zahlungspflichtig, werde ich vom payfree-verwöhnten Online-Publikum links liegen gelassen. Dazu kommt das Problem der Bezahlung: Verkaufe ich meine News einzeln, nach Themengebieten oder komplett? Niemand mag es kompliziert. Stelle ich die Information kostenlos ins Netz, verdiene ich kein Geld als Journalist. Außerdem habe ich immer das Problem, dass eine Information – egal ob sie kostenpflichtig oder kostenlos ist – sich rasend schnell kostenlos im Netz verbreitet, ohne dass ich es kontrollieren kann. Ich schlage ihm folgendes Modell vor: Als Appetizer stellt man die Überschrift ins Netz, die Schlagzeile mit dem Kern der Information. Wer mehr wissen will, muss hinter die Paywall gehen – und zahlen. Das funktioniert wie am Kiosk oder bei dem Typ, der mir morgens in der U-Bahn gegenüber sitzt: Ich sehe die BILD-Schlagzeile „Andy Bonetti erpresst“ und will natürlich mehr wissen, denn Andy Bonetti ist einer der größten Schriftsteller aller Zeiten, darum kaufe ich die BILD. Wenn ich also die Erpresserfotos sehen will, die gestochen scharf zeigen, wie Andy Bonetti 1999 splitternackt mit Boris Becker und Saddam Hussein Minigolf auf Gomera gespielt hat, muss ich für die Information bezahlen. Der Professor bittet mich um ein Beispiel für mein Konzept.
Ich beginne: „Seit letzter Woche bin ich mit deiner neuen Freundin bei Facebook befreundet.“
Er schaut mich ungläubig an. „Was hat das jetzt mit der Zukunft des Journalismus zu tun? Sie ist Physiotherapeutin.“
„Nichts“, sage ich betont beiläufig. „Wir haben uns nur nett unterhalten.“
„Über was?“ Seine Stimme bekommt einen leichten Unterton, zugleich nervös und drohend.
„Nix Besonders“, sage ich und schweige ein paar Sekunden. „Über dich zum Beispiel.“
„Über mich?!“ Seine Stimme wird lauter. „Was habt ihr denn über mich gesprochen?“
„Na, ich habe ihr einfach ein bisschen von dir erzählt. Schließlich seid ihr ja erst ganz kurz zusammen und ich kenne dich seit der fünften Klasse. Da hatte sie schon eine Menge Fragen.“ Ich unterdrücke mühsam ein Grinsen. Das Opfer zappelt bereits in meinem Netz. Gemächlich schiebe ich meinen fetten Leib auf ihn zu, um ihn endgültig einzuspinnen.
„Was hast du ihr über mich erzählt?“ Er ist jetzt stehengeblieben und tiefe Zornfalten haben sich in seine Stirn gegraben. Er weiß, was ich alles über ihn weiß. Und ich habe ein gutes Gedächtnis.
„Das kann ich dir echt nicht sagen. Solche Gespräche sind vertraulich. Ich habe deine Freundin doch gerade erst kennengelernt. Und dann soll ich ihr Vertrauen missbrauchen? Das geht nicht. Was meinst du, was sie alles über dich erzählt hat.“
„Du wirst mir jetzt sofort sagen, was ihr über mich gesprochen habt!“ Ein Schwarm Vögel fliegt erschrocken auf.
Ich entferne mich ein paar Schritte auf dem Waldweg und drehe mich langsam um. „Was zahlst du?“
„Zahlen? Ich glaube, du spinnst.“
Ich lächele und frage ganz ruhig. „Was ist dir die Information wert?“
„Du hast sie ja wohl nicht alle! Was habt ihr über mich geredet?“
Ich schlendere weiter, er läuft mir hinterher. „Wieviel möchtest du wissen? Wieviel möchtest du bezahlen?“
„Spuck’s endlich aus!“
„Nein!!“
„Du weißt doch überhaupt nichts!!!“
„Ihr habt euch also an einer Supermarktkasse kennengelernt. Wie romantisch.“ Ich verwende diesen zynischen Tonfall nur sehr ungern, aber ich bin auf der Zielgeraden.
Wir gehen eine Weile schweigend weiter.
„Bitte. Was habt ihr geredet?“ Seine Stimme ist jetzt ganz leise und hat diesen flehenden Unterton, den ich so mag.
Ich klopfe an seine Schädeldecke, als sei es eine Tür. „Hallooo, jemand zu Hause da oben? Wir müssen über den Preis sprechen.“ Kunstpause. „Ich mache dir einen Vorschlag: Ich will zehn Prozent von dem Geld in deiner Brieftasche. Das ist sehr großzügig, denn ich weiß nicht, wie viel du einstecken hast.“
„Du mieser Abzocker!“
Wir beginnen zu feilschen. Am Ende bekomme ich einen Cheeseburger, eine große Cola und einen Blaubeermuffin zum Nachtisch. Der Professor bekommt ein paar Belanglosigkeiten serviert und hat hoffentlich einige Anregungen für seinen Fachaufsatz bekommen. Drohen, betteln, zahlen – die alte Geschichte.
Prince – 1999. http://www.youtube.com/watch?v=UjivDeA7Qu0
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