Montag, 28. April 2014
Leidenschaft, Teil 5
„Nur nicht überschätzen, was ich geschrieben habe, damit mache ich mir das zu Schreibende unerreichbar.“ (Kafka: Tagebücher)
Bücher sind vielleicht meine größte Leidenschaft. Das liegt vermutlich daran, dass ich selbst schreibe. Ich lese fast jeden Tag mehrere Stunden. Es fing in meiner Kindheit mit Enid Blyton und Jules Verne an - und in meiner Jugend traf ich auf ihn: Franz Kafka. Die Klarheit der Sprache, die Würde des Romanpersonals, die Subtilität des Humors und die Vielschichtigkeit der Geschichten faszinieren und beschäftigen mich bis heute. Seine Romane und Erzählungen lese ich immer wieder, aber auch die Briefe und Tagebücher sind wunderbar. Legendär ist sein Tagebucheintrag vom 2. August 1914: „Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. Nachmittag Schwimmschule.“ Dieser Mensch hat eine Million Liebesbriefe geschrieben, aber kaum eine Zeile über die Jahrhundertkatastrophe des Weltkriegs, in der er sich befand. Reiner Stach ist Kafkas Biograph, bisher liegen zwei absolut lesenswerte Bände vor, der dritte und abschließende erscheint im Herbst diesen Jahres. Ein Freund von mir hat seinen Hund darauf dressiert, immer dann zu bellen, wenn Kafka zitiert wird. Wie der Hund das macht, weiß ich auch nicht.
Okay, das war nur erdichtet. Über Bücher könnte ich endlos schreiben, daher fasse ich mich kurz. Deutschsprachige Autoren, die mich ebenfalls seit Jahrzehnten begeistern: Robert Musil aus Deutschland, Thomas Bernhard aus Österreich und Robert Walser aus der Schweiz. Das einzige lesenswerte Buch in deutscher Sprache, das im 21. Jahrhundert geschrieben wurde, ist „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf. Unter den lebenden Autoren dieser Welt möchte ich Haruki Murakami hervorheben. Seine Sprache ist auch nach der Übersetzung ins Deutsche noch sehr klar und schön. Zitat: "Sie verwendete in etwa so viel Zeit und Sorgfalt auf das Bestreichen der Toastscheibe, wie wahrscheinlich seinerzeit Rembrandt auf das Malen einer Gewandfalte." Die Romane laden zu vielfältigen Interpretationen ein, und es lohnt sich, sie nach einigen Jahren noch einmal zu lesen. Sein Opus Magnum ist „1Q84“, eine Liebesgeschichte. 1600 Seiten in drei Bänden und erst etwa auf Seite 1500 begegnen sich die beiden Hauptdarsteller, eine männermordende Rächerin (Auftraggeber: Frauenhaus) und ein Schriftsteller, in einem Paralleluniversum. Aber für das Lesen muss man ohnehin Langmut, Ruhe und natürlich viel Zeit besitzen. Ein gutes Buch schickt dich auf eine Reise durch Zeit und Raum. Das beste Kino ist der eigene Kopf.
“Regelmäßig schreiben! Sich nicht aufgeben! Wenn auch keine Erlösung kommt, so will ich doch jeden Augenblick ihrer würdig sein.“ (Kafka: Tagebücher)
Musik: Frankie Valli and the Four Seasons: Can’t take my eyes off you. http://www.youtube.com/watch?v=LcJm1pOswfM
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