Freitag, 29. März 2013
Karfreitagsgedanke
Diese amerikanische Fröhlichkeit, die Oberflächlichkeit und Verlogenheit eines angeblich permanent vorhandenen Lebensglücks, der verkrampfte Optimismus rund um die Uhr, der stereotyp dahin geleierte Wunsch, man möge noch einen schönen Tag, ein schönes Wochenende oder einen schönen Feierabend haben (jedoch keinesfalls ein schönes Leben – man wünscht uns das Glück in homöopathischen Dosen), passt gar nicht zu Berlin und zu den Deutschen ganz allgemein. Ich fand „Keep smiling“ schon immer so gruselig wie Kommunismus. Wer bei den Russen nicht mitmachte, bekam Knast, wer bei den Amis nicht mitmacht, bekommt Antidepressiva oder Hartz IV.
Dienstag, 26. März 2013
Die Krähen im Mauerpark
Vor ein paar Jahren gab es eine Krähe, die lebte auf der Karl-Marx-Allee in Berlin. Sie hatte sich in den dortigen Bäumen ein schönes Plätzchen gesucht und ein Nest gebaut. Der Verkehr auf der mehrspurigen Verkehrsachse und die vielen Fußgänger und Kaffeehausbesucher störten sie nicht. Das änderte sich, als die Krähe Kinder bekam. Nun, da die Bälger ganztägig und aus Leibeskräften nach Futter krähten, welches eilig von den dienstverpflichteten Eltern herbeigeschafft werden musste, war Familie Krähe komplett im Stress. Plötzlich störten die vielen Autos und Passanten. Was wollen all diese Leute hier in unserer Kinderstube? Eine Unverschämtheit! Und so griff die Krähe die Passanten tätlich an und schaffte es auf diese Weise bis in die Berliner Lokalpresse. Wir wissen nicht, wie diese Krähe hieß, aber wir wissen jetzt schon, dass die Krähen, die sich auf dem Grothschen Beton niederlassen werden, genauso auf die Menschen im Mauerpark reagieren werden.
Mittwoch, 13. März 2013
Gute und schlechte Europäer
Was haben die deutschen Nachbarn zu bieten? Fangen wir auf zwölf Uhr an und bewegen wir uns im Uhrzeigersinn:
Dänemark: Hot Dog
Polen: Wodka
Tschechien: Bier
Österreich: Schnitzel
Schweiz: Käse
Frankreich: Rotwein
Luxemburg: Weißwein
Belgien: Pommes frites
Niederlande: Gras
Was haben wir, der Ned Flanders Europas, zu bieten? Sparpropaganda, Maschinen und Waffen.
Donnerstag, 7. März 2013
Das kleine Schwarze vom Main
Der hessische Bonsai-Denker Schirrmacher macht aus der aktuellen Kapitalismuskritik ein flottes Geschäft, das muss man ihm lassen. Diese Spielart der „Dialektik der Aufklärung“ füllt jedenfalls die Kassen: Und wenn auch morgen die Welt untergeht (wahlweise durch Vergreisung, sintflutartige Informationsmengen oder unsere heimtückisch geplante Verwandlung in willenlose Konsumautomaten durch spieltheoretisch geschulte Wall Street-Physiker), so lasset uns heute mit einem Sachbuch noch ein Milliönchen mehr verdienen. Lösungen bietet das ehemalige Wunderkind der konservativen Medienindustrie (Spitzname: "Karlsson auf dem Dach") natürlich nicht an. Es sitzt längst viel zu tief drin, um noch rausgucken zu können. Aber wir nähern uns sicherlich der Lösung sämtlicher existenziell wichtiger Fragen mit jeder weiteren Hardcover-Selbstinszenierung an, die wir nach einem flüchtigen Durchblättern in unser gutbürgerliches Buchenholzregal stellen. Fortsetzung folgt.
Samstag, 2. März 2013
Der Lenz kommt
Dichter am Fenster: „Es ist Frühling! Was wohl die Amsel auf dem Ast dort drüben gerade denken mag?“ Und er hängt vielleicht noch einen erhabenen Gedanken an die ohnehin schon zartfühlende Frage: „Vögel sind die Philosophen der Tierwelt. Sie haben ihre Hände gegen die Möglichkeit zu fliegen eingetauscht.“
Amsel: „Schon Frühling? Verflucht! Dann muss ich wohl mal wieder ein verdammtes Scheiß-Nest bauen. Bescheuerter Instinkt, da machst du nix! Und das ohne Hände, nur mit meinem blöden Schnabel …“
Freitag, 1. März 2013
Die Mauer ist der Park
Die Wohnungsbaupolitik gehört zu den Stiefkindern der Bundes- wie auch der Landespolitik. In Berlin wird dieses Desaster aber noch potenziert, weil im Zuge einer verfehlten Politik Kultur und Natur geopfert werden. Ich bin auf die Überzeugungskünste zukünftiger Lehrergenerationen gespannt, die ihren Schülern erklären sollen, warum die East Side Gallery abgerissen und der Mauerpark bebaut wurden. Der ehemalige Todesstreifen, Ort der Erinnerung und der Begegnung, wird gerade flächendeckend mit Luxusimmobilien zugeschissen, sorry, anders kann man es nicht formulieren. Der Kampf gegen die Zerstörung der Berliner Mauer durch einen offensichtlich komplett durchgedrehten Senat in der Götzendämmerung seiner Macht ist die Generalprobe für den Kampf um den Mauerpark im nächsten Jahr. Die Mauer ist der Park ist die Mauer.