Freitag, 18. Juni 2010
1975
Die tollen Leute hatten früher lange Haare und hingen im Sommer am Baggersee rum. Ich fuhr mit meinem Klapprad an ihnen vorbei und hätte gerne dazu gehört. Statt dessen lagen unsere Räder wenig später im Sand und wir stopften uns mit Mirabellen voll. Ich weiß nur noch, das wir den ganzen Nachmittag durch die Gegend gefahren sind und dabei immer irgendwelche wichtigen Ziele hatten, die aber eigentlich lächerlich waren. In Wirklichkeit krochen wir auf Schutthügeln herum, schmissen Ziegelsteine aus verwaisten Rohbauten, krochen durch Gebüsch, flüsterten, stahlen wertloses Zeug, streiften durch die ganze verlassene Welt, die man als Erwachsener nicht mehr kennt: versteckte Wiesen, Bahndämme, Ruinen, Baustellen, Industriebrachen. Wertlose menschenleere Flächen, angefüllt mit gefährlichen Räuberbanden und außerirdischen Bedrohungen, vergrabenen Schätzen und verwunschenen Höhlen. Die tollen Leute mit den langen Haaren hatten eindeutig das bessere Leben. Ich hätte gerne gewusst, über was für geheimnisvolle Dinge sie miteinander sprachen. Wenn ich sie aus der Ferne sah, träumte ich von ihrem Leben. Später war ich auch älter, hatte längere Haare und saß am Baggersee. Aber das Geheimnis habe ich nie gefunden. Eigentlich hat sich seitdem nicht viel verändert: Wir tun Dinge, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt für wichtig halten. Die Gründe vergessen wir oder wir erfinden nachträglich neue. Zum Glück hören die Träume irgendwann einfach auf.
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