Freitag, 25. September 2009
Alter Park, neue Mauern
Der Mauerpark ist eine beliebte Erholungsfläche zwischen Brunnenviertel und Prenzlauer Berg. Ökonomische Interessen bedrohen diesen Freiraum, schon im nächsten Jahr könnten die Bagger anrücken, um neue Hochhäuser zu bauen.
Der Park
Jonglierende Kleinkünstler auf dem Einrad, Feuerschlucker und Poeten mit Megaphon, Basketball, Frisbee und Boule, Flohmarkt, Karaoke und Köfte – das ist Berlin, das ist der Mauerpark. Diese Grünfläche zwischen Wedding und Prenzlauer Berg ist kein Park im eigentlichen Sinne. Am Wochenende ist der Mauerpark ein Veranstaltungsort und ein Treffpunkt für Menschen aus der ganzen Stadt, eine asphalt- und betonfreie Oase des Lebens, eine ungebundene Fläche, auf der wir täglich sehen können, wie das vereinte Berlin zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, die auch an diesem Ort die Menschen trennte, gemeinsam lebt und Spaß hat. Dieser Freiraum ist jedoch bedroht, denn die Eigentümer des Parks haben andere Pläne als die Nutzer.
Die Interessen
Die Stadt: Als nach der deutschen Wiedervereinigung eine große Naherholungsfläche im dichtbesiedelten Prenzlauer Berg geschaffen werden sollte, hatte Berlin nicht genug Geld, um das gesamte Gelände kaufen zu können. Mithilfe eines Versicherungskonzerns realisierte man zumindest auf einem Teil der Fläche den Mauerpark. Sollte die Stadt den Park bis zum Jahr 2010 jedoch nicht erweitert haben, muss sie die Fördermittel an den Konzern zurückzahlen.
Die Bahn: Auf dem Gelände des Mauerparks lag früher der Nordbahnhof, der längst abgerissen ist. Die Bahn möchte diese Fläche über ihre Tochtergesellschaft Vivico Real Estate verkaufen – natürlich zum höchstmöglichen Preis. Sie möchte von der Stadt auf einem Geländestreifen an der Westseite des Parks Baurecht für eine Reihe von Hochhäusern. Dafür bekäme die Stadt den Rest des Grundbesitzes geschenkt. Vivico könnte teures Bauland verkaufen und einen schönen Gewinn erzielen und die Stadt könnte ihre Verpflichtungen zum Ausbau des Parks erfüllen.
Die Bürger: Der Mauerpark ist eine der wenigen Naherholungsflächen in diesem Teil der Stadt, daher wird er auch von den unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen so stark genutzt: Studenten, Touristen, Schickeria und Hartz-IV-Familien. Ein Park bedeutet höhere Lebensqualität und Umweltqualität. Die geplante Bebauung würde eine soziale Mauer zwischen Wedding und Prenzlauer Berg schaffen, so die Bürgerinitiative "Park statt Mauern." Nach den vorliegenden Plänen bliebe vom Mauerpark nur ein schmaler Streifen übrig.
Die Nutzer
Die französische Raumplanerin Lisa Melchiorri hat für ihre Diplomarbeit die Nutzergruppen im Mauerpark untersucht. Da gibt es zum einen die Sportler, die zum Joggen herkommen oder die Kletterwand nutzen. Die Kinder aus der Nachbarschaft, die hier spielen. Die Hundebesitzer, deren Haustiere sich auf der Hundewiese austoben können, die Spaziergänger oder die Menschen, die einfach einen Ort der Ruhe in der Innenstadt suchen. Und es gibt die Künstler, die hier arbeiten und wiederum Publikum anziehen. Abends ist der Park ein Treffpunkt für junge Leute, die sich hier amüsieren. Inzwischen gibt es zahlreiche Veranstaltungen im Park – Musik, Theater, Kleinkunst - , die viele Menschen aus der ganzen Stadt anlocken.
Die Zukunft des Mauerparks
Der Mauerpark ist eine der lebendigsten Grünflächen Berlins, an manchen Tagen herrscht hier regelrecht Volksfeststimmung. Es wäre traurig, wenn neue Mauern gegen dieses bunte Leben gesetzt würden. Ginge es nach den Menschen im Kiez, würde dieser Freiraum erweitert werden. Es gibt viele kreative Ideen und Initiativen rund um die Spielwiese Mauerpark. Warum trägt man zum Beispiel den früheren Bahndamm, der immer noch den alten Westen vom alten Osten trennt, nicht einfach ab? Dann gäbe es auch den düsteren Gleimtunnel nicht mehr. Hoffentlich bleibt der Mauerpark weiterhin der "Szene-Treffpunkt" und der "melting pot", wie ihn die internationalen und deutschen Reiseführer beschreiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen