Dienstag, 23. Februar 2021

Das Essen ist ausgezeichnet

 

Gisela und Hartmut Mörbel sitzen im Chez Pierre, einem Restaurant, das sich seinen Stern im Guide Michelin redlich verdient hat. Das Ehepaar Mörbel hat sich das Abendessen auch redlich verdient. Frau Mörbel hat den ganzen Tag in ihrer Anwaltskanzlei verbracht, Herr Mörbel ist Vorstandsvorsitzender der Mörbel Kieswerke AG.

Als Aperitif wählen sie ein Glas Champagner. Veuve Cliquot. Das ist Frau Mörbels Lieblingsmarke. Der Oberkellner stellt Ihnen das heutige Menü vor. Es klingt ausgezeichnet.

Als Vorspeise gibt es Gänseleberparfait mit karamellisierten Macadamia-Nüssen und getrockneten Aprikosen. Dazu trinken sie einen 2018 Scharzhofberger Riesling Kabinett, perfekt gekühlt und eine vorzügliche Begleitung zu den verschiedenen Aromen, die sich gerade an ihrem Gaumen entfalten.

Ihr Kellner heißt Gojko Zukanovic, aber sie beachten ihn gar nicht. Er ist seit über zehn Jahren in Deutschland und seit zwei Jahren im Chez Pierre. Im Bürgerkrieg in den neunziger Jahren hat er seine Eltern verloren, ein Bruder ist im Kampf gefallen, seine Schwester lebt in London. Nach dem Brexit fürchtet sie, ausgewiesen zu werden.

Als zweiten Gang gibt es Bressehuhn mit gedünsteter Artischocke und schwarzem Trüffel. Dazu ein Glas 2015 Grand Cru “Clos du Vougeot”. In der Küche garniert Hussam al-Sayed aus Syrien gerade einen Nachtisch mit Mandelsplittern. Er ist vor fünf Jahren über die Türkei und Griechenland nach Deutschland geflüchtet. Seine Frau und seine kleine Tochter leben immer noch in einem Flüchtlingslager auf Lesbos. Sie können nur telefonieren.

Die Krönung des Abends ist der Atlantik Hummer mit Imperial Kaviar, Baby Oktopus und Meerkräuter-Salat. Als Getränk serviert ihnen Gojko einen 2008 Jaspis Spätburgunder Alte Reben trocken. Im Nebenraum der Küche macht M’Bamakan Konaté gerade den Abwasch. Er kam vor einem Jahr mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer. Seine Frau ist bei der Überfahrt verdurstet. Er schickt jeden Monat Geld an seine Familie in Mali.

Zum Nachtisch gibt es frische Waldbeeren mit Valrhona Schokolade auf Crepes, dazu noch einen 2016 Chevalier-Montrachet Grand Cru. Der libanesische Küchenjunge, dessen Namen wir uns nicht merken müssen, hat die Beeren heute Morgen vom Großmarkt geholt. Die Mörbels sind zufrieden. Das Essen ist ausgezeichnet.

P.S.: Morgen früh kommt die weißrussische Ex-Journalistin Alina Swerewa zum Putzen. Auch sie hätte uns eine Geschichte zu erzählen, wenn wir ihr zuhören würden.

Richard Wagner -Rienzi- Overture - YouTube

15 Kommentare:

  1. Das Blog ist ausgezeichnet.

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  2. "Die marinierten Marderfilets waren ein Gedicht!" (Dr. Erika Fuchs)

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  3. Du hast wirklich deine goldenen Momente.

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  4. Ja, muss ich auch sagen. Western Civilisation in a nutshell.

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  5. Na ja, ganz so wie z.B. in Brasilien ist es noch nicht.
    Mein Freund dort ist Architekt. Er zeigte mir Pläne.
    Jede Wohnung, jede, ist ab der Küche geteilt, jede Wohnung/Haus hat noch ein extra 1-Zimmer Appartement hinter der Küche für die Hausangestellten. Oder einen Bretterverschlag im Garten.
    Und da ist es egal, ob das jetzt Flüchtlinge oder einfach "nur" arme Menschen sind.
    Kann ja alles noch kommen.

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  6. In den 1980er Jahren haben sich die Österreicher ja mal am Veuve Glykol versucht, mit durchschlagendem Erfolg.
    Aktuell ist der heißeste Scheiß, dass die Chinesen Rotwein mit Hilfe von Strom vorzeitig altern lassen, auch wieder zur vollsten Zufriedenheit der Gourmets.

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    1. Bevor ich chinesischen Wein kaufe, trinke ich lieber die österreichische Plörre aus dem Tetrapak.

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    2. Keine Sorge, so dumm ist der Chinese nicht. Die Vorführung und die Verkostung fand vor und mit europäischen, amerikanischen und australischen Winzern statt. Erste Bestellungen zur Lizenzierung des Patents liegen vor.

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  7. Demnächst gibt es all diese Dritte Welt Jobs in der ersten Welt nicht mehr, weil alte weisse einheimische Männer ohne genug Rente da reindrängen. Achte mal drauf. Ich lern schon Spülen.

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    1. Wie schnell bist du? Glaubst du, einer von uns hält eine 8h-Schicht am Spülbecken durch? Wir arbeiten seit Jahrzehnten nur mit einer Hand, Kollege ;o)))

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    2. Ja, ich weiß. Es ist schlimm. Ich steh seit Jahrzehnten bei uns in der Wohnküche am Spülstein und plage mich tgl. ein halbes Stündchen, bis ich am Kreuz abbreche.

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  8. Wir könnten dich auch mit Hilfe von Strom vorzeitig altern lassen. Was hältst du davon?

    Hoffentlich marschiert die NATO nicht in Weißrussland ein, dann kann die Geschichte vorerst so stehenbleiben.

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    1. Es gibt in Weißrussland kein Öl und wegen Menschenrechten ist die NATO noch nie in den Krieg gezogen.

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    2. So einfach kann die Welt erklärt werden !
      Aber denke mal es stimmt.
      Und die Gaspipeline geht ja duch die Ukraine.
      Und da saß ja Bidens Sohn gut im Sattel.
      Kann also nix schief gehen.

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