Es gab einmal eine Fernsehsendung,
die Robert Lembke moderierte: „Was bin ich?“ In dieser Sendung beschränkte sich
die Frage auf den Beruf des Gastes, der von anderen Menschen erraten werden
musste. Einziger Hinweis: eine typische Handbewegung.
Wenn wir uns die Frage stellen,
wer wir sind, oder wenn wir gefragt werden, wer wir seien, beginnen wir
meistens mit unserem Namen, unserem Beruf, unserem Wohnort, unserem Alter und
unserem Familienstand. Es ist ein Skelett an Informationen, das zunächst nicht
viel über uns aussagt. Ein 43jähriger Verwaltungsangestellter aus Herne – das
öffnet vielleicht ein paar Schubladen, in die wir gerne andere Menschen
stecken, um die Anstrengung des Nachdenkens zu vermeiden. Aber es ist zu wenig,
um die eigentliche Frage zu beantworten.
Die nächste Stufe sind dann
Informationen zur Familiengeschichte, zum Geburtsort, zu Geschwistern und zur
Schulzeit. Soziologische und geographische Informationen, die das Bild
schärfen, aber den eigentlichen Kern ebenfalls unberührt lassen. Lassen wir an
diesem Punkt mit unserer Neugier nicht nach, betreten wir die Welt der
Anekdoten. Die Menschen erzählen Geschichten über sich. Kindheitserlebnisse,
unterhaltsame Erzählungen auf dem Niveau von „Mein schönstes Ferienerlebnis“.
Sie erzählen, wie sie ihre Frau kennengelernt haben. Von einem Autounfall. Vom
Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten, der eine schreckliche Nervensäge ist.
Wir wissen immer noch nicht, wer
wir sind. Ich könnte auf Anhieb keine drei Charaktereigenschaften nennen, wenn
man mich fragen würde. Was sagen die Sterne? „Personen, die im Sternzeichen
Löwe geboren wurden, sind sehr charismatisch, optimistisch und extrovertiert.
Sie strotzen vor Selbstbewusstsein und lieben es, im Mittelpunkt zu
stehen. Löwe-Geborene lieben Luxus und wollen das Leben in vollen Zügen
genießen.“ Klingt gut, aber so bin ich nicht. Ich bin eher pessimistisch,
introvertiert und voller Selbstzweifel. Aber das kann ich in dieser Klarheit
nicht unterschreiben, denn es gibt auch Momente des Größenwahns und der
hemmungslosen Selbstverliebtheit (dann übernimmt „Bonetti“). Das mit dem Genuss
mag stimmen, aber Luxus brauche ich nicht. Selbst wenn ich eine Million Euro im
Lotto gewinnen würde, hinge mein Herz immer noch an der guten alten Currywurst
mit Pommes rot-weiß.
Gibt es irgendwelche Neigungen
und Fähigkeiten, die mich auszeichnen? Müsste ich einen Fragebogen ausfüllen,
stünde bei Hobbys: Essen, Trinken, Lesen und Musik hören. Das ist banal. Ich
kann auch nichts. Weder mit Werkzeug umgehen oder kochen, ich beherrsche keine
Sportart, weil ich seit fünfzehn Jahren keinen Sport mehr betreibe. Wer bin
ich? Je länger ich mir diese Frage stelle, umso weniger kann ich sie
beantworten. Habe ich mich seit meiner Kindheit verändert? Vermutlich. Aber wie
habe ich mich verändert? Keine Ahnung. Hoffentlich zum Guten, aber auch das ist
ungewiss.
Und so bleiben wir alle in
unserer Welt der oberflächlichen Informationen und kleinen Erzählungen gefangen, ohne
das Geheimnis, wer wir sind, vor unserem Tod lösen zu können.
hauptsache ist doch wir sind da. müssen wir uns definieren? wir verändern uns und bleiben doch in manchem gleich, sollen andere menschen erkennen oder lassen. wir docken da an, wo jemand zu uns passt, oder etwas. ich bin ganz viele und einmalig, wie jeder/jede.
AntwortenLöschen"Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen /
AntwortenLöschenDen Vorhang zu und alle Fragen offen."
(Brecht)
oder
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
(Precht)
...tja ?!?
AntwortenLöschenIch kann mich erinnern , dass Gysi und Schäuble (die schwarze Null) meinten, sie seien zur Selbsterkenntnis nicht fähig. Das war kokett, hat mich aber getröstet.
Es gibt über die Jahrzehnte äußerst wenige Fotos von mir. Die wenigen Bilder aus vergangenen Zeiten zeigen mir eine Person, die ich selbstverständlich erkenne, mit der mich aber mit jedem Jahr Entfernung weniger verbindet.
AntwortenLöschenSelbst der Dreißigjährige ist schon so weit weg, dass ich nichts mehr von seinen Träumen, Wünschen oder Ängsten weiß.
Ich glaube, mein ganzes Leben war ich nie älter als 8 Jahre. Wozu auch? Carpe diem.
Ich schreibe gerade meinen Einkaufszettel für morgen. Er beginnt mit "Duplo". 8 Jahre? Dann bist du weit gekommen ;o)
Löschen#FACKEL https://www.youtube.com/watch?v=WQhYNxwmuY8
AntwortenLöschenVon wegen: ”Ich kann auch nichts.“ Du kannst gut schreiben und hast die besten Sprüche im Netz drauf.
AntwortenLöschenVielen Dank :o)
Löschen