„Ein jeder scheidet
aus dem Leben, als sei er gerade geboren.“ (Epikur)
Vierte
Stunde, Mathe. Der Geruch von Kreide und Angstschweiß. Vor mir Julius, die
dumme Sau, die alles weiß. Gebügeltes Hemd und selbstgestrickter Pullunder von Oma.
An der Tafel Frau Peitz. Klein, fassförmig, das stumpfe, braune Haar ist in der
Mitte gescheitelt. Sie trägt einen dunkelblauen Faltenrock und eine
ockerfarbene Bluse, sie hat behaarte Unterarme und kleine Hände mit kurzen
Fingern, die ein DIN A4-Blatt halten. Sie schaut sich lange um. Unsere Blicke
treffen sich. Ich höre meinen Namen wie aus weiter Ferne und gehe in einem
tranceartigen Zustand nach vorne.
Wenn
ich heute daran zurückdenke, frage ich mich, wozu das alles gut war. Wir haben
das ganze Wissen nie gebraucht. Die mathematischen Formeln und die lateinischen
Vokabeln. Ordnungszahlen chemischer Elemente oder Notenlesen. Lesen, Schreiben
und Rechnen haben wir schon in der Grundschule gelernt, der Rest war
überflüssig. Seit Generationen das gleiche Spiel, das man erst durchschaut,
wenn man nach seiner Schulzeit wie aus einem Traum erwacht und erkennt, welche
Fähigkeiten und Erfahrungen im Alltag zählen.
Der
wichtigste Grund für die Institution Schule: Disziplin. Habe ich das von
Foucault? In der Schule wird der Mensch abgerichtet für das Berufsleben.
Leistung – zunächst für die Noten, später für das Gehalt. Ruhe und Ordnung –
zunächst zur Ermöglichung des Unterrichts, später für die Rolle als Untertan.
Der
zweite Grund: Ablenkung von den eigenen Bedürfnissen. Was würde aus einem
Menschen werden, der den ganzen Tag einfach macht, wonach ihm gerade ist? Der
spazieren geht, wenn er Lust dazu hat? Der zu unregelmäßigen Zeiten seine
Mahlzeiten einnimmt? Der liest, wenn er etwas wissen möchte? Der Fragen hat und
selbständig nach Antworten sucht? Der lernt, ein Leben ohne Uhr und Kalender zu
schätzen?
Der
dritte Grund: Verwahranstalt. Die berufstätigen Eltern können sich nicht um
ihre Kinder kümmern. Sie sollen ihre ganze Energie und Zeit in die
Erwerbsarbeit stecken. Sie sollen Waren und Dienstleistungen produzieren und
genügend Zeit haben, um Waren und Dienstleistungen konsumieren zu können.
Kinder sind ein Störfaktor.
Der
vierte Grund: Körper und Geist sollen ganz allgemein bei Verlassen der
Bildungsanstalt befähigt sein, am Erwerbsleben teilzunehmen. Die Kinder müssen
trainiert werden. Es ist egal, ob sie Gedichte oder Formeln auswendig lernen.
Man könnte sie auch stundenlang Kreuzworträtsel oder Sudoku machen lassen.
Wichtig ist, Kinderköpfe zu beschäftigen.
So
betrachtet ist Schule sinnvoll. Sie erzieht und entwickelt uns, sie dient der
Kontrolle und der Überwachung. Man begreift es nur zu spät. Ich habe Jahre
gebraucht, um nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch alles andere zu
vergessen. Jetzt, im Alter, bin ich fast wieder der Mensch, der ich im
Vorschulalter gewesen bin.
RUN
DMC - Walk This Way (Video) ft. Aerosmith - YouTube
Ich habe die Schule vom ersten bis zum letzten Tag abgrundtief gehasst.
AntwortenLöschenOhne Scheiß.
Nicht genug damit, bedrängt uns im Schulalter der Ernst des Lebens auch in der heimtückischen Frage, was man denn einmal werden wolle. So lernen wir uns der spontanen, lustvollen Möglichkeiten enthalten, die in der Gestaltungsfülle des je gegenwärtigen Moments liegen, und uns stattdessen damit zu bescheiden, was davon für die getroffene Zielsetzung vermeintlich zweckmäßig erscheint. Dieses erhoffte Ziel ist jedoch weder greifbar noch nennbar und wie in einem Irrkreis entpuppt es sich als bloßes Mittel für ein nächstes. Gleichwohl, wir enthalten uns, um zu lernen, um so ein ernst zu nehmendes Mitglied unserer Gesellschaft zu werden, um einen Job zu finden, um eine Familie zu erhalten, um die Kinder in die Schule zu stecken, um ihnen einen Job zu ermöglichen, um ihnen zuzusehen, wie sie in gleicher Weise weiterwurschteln. Angesichts dieser Zirkelschlüssigkeit des Lebens ist die schleierhafte Teleologie unserer Zweckrationalität völlig unhaltbar: Der große Moment wird nie kommen, das ersehnte Ziel am Ende unserer Anstrengungen nie erreicht. Wir ahnen es und sind frustriert und opfern der Zukunft weiterhin Gegenwart.
AntwortenLöschenSobald der Samen die Eizelle trifft, ist das Todesurteil gefallen.
AntwortenLöschen"Was würde aus einem Menschen werden, der den ganzen Tag einfach macht, wonach ihm gerade ist?" Bestenfalls ein Auswanderer. Schlimmstenfalls ein Selbstmörder. In der Zwischenzeit jemand, der von 83 Millionen (und deren Institutionen) bis auf das Blut gehasst wird und der schon morgens zum Anwalt rennen muss, nur damit er die nächsten Tage überhaupt überstehen kann (womit dann auch dafür gesorgt wäre, dass er eben nicht das tun kann, was er will, sofern er denn eine Rechtschutzversicherung hat).
AntwortenLöschen"Sie erzieht und entwickelt uns, sie dient der Kontrolle und der Überwachung." Letzteres: Ja (wie jede deutsche Institution). Für Ersteres müssen indes die Eltern sorgen. Eine Institution ist da höchstens Garant für das Scheitern.
Von diesem möglichen Werdegang sind zwei Fälle befreit.
1. Du gehörst zu den 1 %. Dann können einem Land, Leute & Institutionen gepflegt den Buckel runterrutschen. Falls jemand ernsthaft was will, kümmert sich jemand anderes darum. Professionell & endgültig.
2. Du bist Penner und kombinierst Hunger, Durst, Not & Elend geschickt zu Deiner einzigen Lebensmaxime: Dem Überleben.
"Ich habe Jahre gebraucht, um nicht nur den Unterrichtsstoff, sondern auch alles andere zu vergessen." Ich habe indes nicht vergessen und ich werde nicht vergeben!
„Ein jeder scheidet aus dem Leben, als sei er gerade geboren.“ (Epikur)
AntwortenLöschenJetzt, im Alter, bin ich fast wieder der Mensch, der ich im Vorschulalter gewesen bin.
ES SCHLIEßT SICH DER KREIS ... TOD ...METAMORPHOSE ... und es geht wieder von VORNE los !!!
*tja...vielleicht*
Wir hatten in der Schule Schwimmunterricht. Das kann ich heute noch :)
AntwortenLöschenHabe ich bei der DLRG gelernt ;o)
LöschenWusste nicht, dass die Deutsche Luft- und Raumfahtsgesellschaft das anbietet;) Auf dem Mond gibts doch Wasser nur in gefrorener Form :)
LöschenEines Tages nehme ich dich mal mit, wenn wir wieder zu den Jupitermonden fliegen.
Löschenja, hab´ Interesse. Jupiter , seine Monde und Saturn waren übrigens gut zu sehen in den letzten Monaten.
LöschenDerzeit überholt der Mars uns auf der Außenbahn, ein schöner Anblick:
https://www.wolframalpha.com/input/?i=schweppenhausen++skychart+10pm
Ich habe dir einen Platz auf der garantiert söderfreien Bonetti One reserviert. Wir starten am 31. Dezember um Mitternacht, damit es nicht so auffällt ;o)
Löschenja ja, der crumb und seine weiberärsche...
AntwortenLöschenmehr davon!
Ach ja, Schulhass ist doch irgendwie infantil.
AntwortenLöschenSollen alle wie in Summerhill aufwachsen ?
Na gut, wer weiß....es war unsere Lektüre mit 12 oder so.
Da dachte man, so muß es sein.