Der Bahnhof ist längst
geschlossen, der Platz vor dem verwitterten Gebäude ist menschenleer. Eine
schwarze Stretchlimousine rollt langsam über das Kopfsteinpflaster und hält vor
einer Kneipe. Zwei Männer in dunklen Sonnenbrillen, schwarzen Anzügen und Knopf
im Ohr steigen aus und betreten das Gebäude.
„Gesichert.“
„Gesichert.“
Dann steigt der Chauffeur aus
und öffnet die hintere Tür des Wagens. M. schaut sich kurz um und betritt die
Kneipe. Dreißig Jahre ist das jetzt her. Es sind immer noch dieselben Tische
und Stühle, derselbe Tresen. Hier hat er die Abende seiner wilden Jugend
verbracht. Damals, als er noch lange Haare und ein Mofa hatte. Man hat extra
den alten Wirt aus dem Altersheim geholt. Auf den Tischen liegen die Speise-
und Getränkekarten von damals. Preise in D-Mark. Flasche Henninger Export
zweifuffzich, Weizenbier drei Mark. Herrliche Zeiten sind das gewesen. Heute
ist er allein hier. Aus Sicherheitsgründen ist alles abgesperrt.
„Mensch, Rolf, altes Haus! Alles
klar bei dir? Bring mir doch mal ein Kristallweizen!“ M. klopft dem Wirt jovial
auf die Schulter.
Er setzt sich an den runden
Tisch, wo er in seiner Jugendzeit im Kreise der anderen Stammgäste so manche
Räuberpistole und so manches Husarenstück zum Besten gegeben hat. Was ist aus
den alten Kameraden geworden? Einer wurde Verkäufer, einer Schaffner, der
nächste ein kleiner Beamter, ein anderer wiederum Hausmeister. Sie waren alle
in dem unseligen Provinznest klebengeblieben. Dennoch hatte sich nach seinem
Umzug in die Hauptstadt die Runde verflüchtigt und war nie wieder
zusammengetreten.
Wie oft war er der einzige
gewesen, der sich eine Pizza oder einen Hamburger leisten konnte? Hungrig, um
nicht zu sagen sehnsüchtig, hatten ihm die anderen beim Essen zugeschaut,
während er mit vollen Backen die weltpolitische Lage erörterte oder aus einem
seiner vielen Fachgebiete dozierte. Natürlich hatte er ihnen nie ein Stück
Pizza angeboten, weil er sie nicht demütigen wollte. Diese braven Leute, von
denen zwei auch heute noch bei ihren Müttern wohnen und ihr Kinderzimmer nie
verlassen haben, hatten ja zuhause schon ihr karges Graubrot mit Aufschnitt
genossen.
Der Hausmeister hatte eine
unheilvolle Neigung zum Monolog, der regelmäßig nach dem dritten Schoppen seinen
Anfang nahm. Wie oft durfte M. über seine wirren Thesen lachen. Ein
Stammtischphilosoph, ein Kneipenprophet erster Güte. Gerne machte er düstere
Vorhersagen und finstere Andeutungen, die sich im Nachhinein selbstverständlich
immer als haltlos erwiesen. Bei Wer-kennt-wen, einem deutschen Vorläufer von
Facebook, hatte er unter seinen Namen geschrieben: „Kontaktaufnahme ohne
philosophische Vorkenntnisse zwecklos“. Dabei hatte er gerade einmal mit Mühe
den Realschulabschluss geschafft und später eine Vorliebe für graue Kittel
entwickelt.
Das lieben die Menschen an mir,
denkt sich M. Meine Verbundenheit mit den einfachen Leuten. Meine
Bodenständigkeit. Meine Gradlinigkeit. Meine Ehrlichkeit. Dann steht er auf und
geht wieder. Heute Abend ist er bei Markus Lanz zu Gast.
The Fools – Psycho Chicken. https://www.youtube.com/watch?v=UnBlst3T7bY
Ich finde, den Söder hättest Du bestimmt besser parodieren können.
AntwortenLöschenDenke wir können machen was wir wollen.
AntwortenLöschenEr wird es.
Der Bock zum Gärtner.