„Ist die vollkommene Leere schwarz oder weiß?“
Ich habe alles, was ich brauche. Ein Bett, einen Sessel, ein Radio. Mein Zimmer hat eine Doppeltür. Einmal am Tag ertönt ein Gong. Dann darf ich die Tür öffnen und finde im Zwischenraum der Türen ein Tablett mit Essen. Die zweite Tür ist geschlossen. Es dient meiner Sicherheit. Was mir fehlt, ist das Licht.
Es begann vor einem Jahr. Die Krankheit brach in einer Stadt aus, die etwa hundert Kilometer entfernt war. Nicht jeder wurde krank. Nur drei Prozent der Infizierten. Aber anfangs starben viele Menschen. Die rätselhafte Krankheit verändert die Haut. Licht tötet uns. Auch ich habe mich angesteckt.
Noch gibt es kein Heilmittel, aber in den Laboratorien wird geforscht. Im Radio höre ich jeden Tag von den Fortschritten. Schon im nächsten Jahr soll alles vorbei sein. Unsere Provinz wurde zur Sperrzone erklärt. Alle Kranken sind in speziellen Häusern isoliert und leben in absoluter Finsternis.
Einmal in der Woche wird die gesamte Station verdunkelt. Dann dürfen wir unsere Zimmer verlassen. Wir tasten uns zum großen Aufenthaltsraum am Ende des Flurs. Wir sind etwa zwölf Menschen. Zwei Stunden lang können wir uns unterhalten. Es tut gut, die Stimmen der anderen zu hören. Wir erzählen uns Geschichten aus der Vergangenheit und diskutieren über die Nachrichten, die wir gehört haben.
Heute Nachmittag ist es wieder soweit. Ich habe beschlossen, mich im Aufenthaltsraum zu verstecken, wenn die zwei Stunden um sind. Die Dunkelheit ist nicht auszuhalten. Ich werde sehen, was passiert, wenn die Pfleger das Licht einschalten. Ich werde mich befreien. Ich werde nach draußen rennen. In die Sonne. Ich werde leben oder sterben.

P.S.: Diesen Text habe ich schon am 8. März geschrieben. Damals gab es noch keinen Corona-Toten in Deutschland. Es ist seither so viel dazwischen gekommen, was ich vorher posten wollte. Unglaublich.
Anne Clark - Our Darkness.
https://www.youtube.com/watch?v=OguHIyNNblM
da gehts uns ja jetzt noch gut. wir kriegen nur keine luft.
AntwortenLöschenEs könnte uns in vielerlei Hinsicht wesentlich schlechter gehen.
LöschenBei Tage ist es kinderleicht, die Dinge nüchtern und unsentimental zu sehen.
Nachts ist das eine ganz andere Geschichte.
Ernest Hemingway
Bleiben wir KINDER und träumen UNS weg ... ✿
So machen wir das :o)
LöschenIn mir sträubt sich alles gegen die Hinnahme der Isolierung. Warum sollten sich die Menschen nur einmal wöchentlich für zwei Stunden treffen? Sorry, dann brauchten sie Telefon und Internet.
AntwortenLöschenEine unter die Haut gehende Geschichte die mich zur Revolution anstachelt.
Internet bedeutet Licht, Handy auch. Vollkommene Finsternis geht nicht mit dieser Technik.
LöschenKann die Leere eine Farbe haben? Sie wäre doch unvollkommen.
AntwortenLöschenAber wie sieht die Farblosigkeit aus?
LöschenKann das nichts farblos sein?
Löschen"Es ist seither so viel dazwischen gekommen, was ich vorher posten wollte."
AntwortenLöschenUnd der versprochene Blogpost über die Wiedereinführung der D-Mark, auch liegen geblieben?
Ich möchte niemanden beunruhigen. Falls die Wirtschaftskrise und der Lockdown noch 12 Monate anhalten, zerbricht vielleicht der Euro, es gibt eine Hyperinflation und anschließend eine Währungsreform wie 1948, in der Sie für zehn Euro eine neue D-Mark bekommen. Das habe ich lieber für mich behalten ;o)))
LöschenHerllich kafkaesk!
AntwortenLöschenGutes Ende.
Danke :o)
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