Montag, 9. Juli 2018

Ist der Krieg in Syrien bald beendet?

Folgende Mail erreichte mich heute:
"Greetings!!
Hello, how are you today? My name is Mr Faiez Ashi Farah, Finance Director of Syrian Petroleum Company (SPG). I am looking for a corporation or individual in your country,that will be of assistance to me to make investments in your country.
Given the number of risks facing the Syrian economy since the civil war, investors are well advised to avoid the region and look elsewhere for investment opportunities,hence my reason for making this contact with you. I want to relocate myself and business interest to your country and require your assistance as partners since outcome of war is not predictable at this moment. Any sector you think is viable will be considered.
Your reply will be appreciated.
Regards.
Faiez Ashi Farah"

Sie warten nur darauf, endlich an den Start gehen zu können. Die Hedgefondsmanager und Investmentbanker, die Möbelhäuser und Baumärkte, die ganzen Geier, die sich auf ein fettes Geschäft freuen.

Sonntag, 8. Juli 2018

Dating-Strategie

Meine Dating-Strategie war immer ganz einfach: Stürz dich nicht einfach drauf, um die Frauen nicht zu verschrecken. Mach langsam. So wie an einem Buffet bei vornehmen Leuten. Du gehst erst einmal extrem entspannt an den vielen Köstlichkeiten vorbei und sagst: „Sieht ja ganz gut aus“. Du lässt ganz lässig anderen Gästen den Vortritt, dann nimmst du dir einen Teller und genehmigst dir ein paar ausgewählte Häppchen. Nicht zu gierig erscheinen.
Bei Meike ist das voll in die Hose gegangen. Nach unserem dritten Treffen, die Amerikaner nennen es „Date“ und es klingt inzwischen für mich sehr bedrohlich, wollte sie mir einfach nur noch die Snickers-Verpackung von den Hüften reißen. Sie packte mich in ihr Auto - ich selbst war zu diesem Zeitpunkt leider nicht motorisiert, sonst wäre die Sache anders verlaufen - und bugsierte mich in ein „Motel One“ am Berliner Autobahnring, wo wir am helllichten Nachmittag eincheckten. Ich schnappte mir noch ein Automagazin an der Rezeption und schaltete im Zimmer geistesgegenwärtig die „Sportschau“ ein – aber es war schon zu spät.
Noch beschissener lief es eigentlich nur noch in den achtziger Jahren. Meine Strategie war damals wesentlich einfacher: Geh Samstagnacht spät in eine Disco und wirf einen Blick auf den Restbestand der Herde. Unter den Schwachen, Hässlichen, Besoffenen und Alten wirst du ein Opfer finden. Was für ein Elend aus den umliegenden Dörfern war dort versammelt. Selbst das hat so gut wie nie geklappt.
The Beatles - Day Tripper. https://www.youtube.com/watch?v=1C9Ps5OLHG0

Freitag, 6. Juli 2018

Auf hoher See

„Küstenredakteur Pralinski meldet sich an Bord.“
Der Kapitän sah mich lange an und lächelte dann väterlich. „Willkommen auf der AIDA.“
Dann drehte er sich wieder um und nahm das riesige Steuerrad in seine Pranken.
Der Medienoffizier führte mich durch das Schiff. Ein paar ältere Damen sahen mich erwartungsvoll an. Ich sah einfach gut aus in meiner schneeweißen Reporteruniform.
Auf dem Schiff gab es ausgedehnte Speisesäle, Kinos, Schwimmbäder und einen Spa-Bereich. In einem winzigen Kabuff saß Funker Krause, der ständig die neuesten Nachrichten in Morsezeichen zugesandt bekam. Von ihm würde ich regelmäßig Material für die täglich erscheinende Bordzeitung bekommen, die unter meiner Leitung stand.
Meine Kabine war relativ klein, aber ich musste sie mit niemandem teilen.
***
„Rudi Malotzke bricht Kegelrekord der AIDA“. Das war die Schlagzeile der ersten Ausgabe, als wir den Hamburger Hafen verlassen hatten. Der Medienoffizier erteilte mir einen milden Tadel. Das Wort „brechen“ sollte man auf Kreuzfahrten tunlichst vermeiden. Viele der älteren Herrschaften hätten einen empfindlichen Magen. Der Aufmacher von Seite 2 war: „Deutschland erklärt Russland den Krieg“. Krause hatte mich mit den neuesten Nachrichten versorgt, aber wir wollten nicht, dass sich die Urlauber unnötig Sorgen machten.
Den Nachmittag verbrachte ich auf dem Sonnendeck. Schon jetzt nervte mich meine Uniform, denn jeder zweite Rentner wollte einen Martini bei mir bestellen.
***
Nach einer Woche hatte ich das Gefühl, ich würde die Bordzeitung schon seit zwanzig Jahren machen. Die Basisinformationen wie Wettervorhersage, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und das aktuelle Bordprogramm holte ich mir per Copy und Paste aus der Datenbank. Informationen zum nächsten Zielhafen fand ich dort auch. Schließlich lief das Schiff seit langer Zeit immer die gleichen Häfen an. Was ändert sich schon an den Sehenswürdigkeiten von Barcelona?
Nach einigen Longdrinks verfasste ich noch einige schmissige Texte zum Bordleben oder zu den Ländern, die wir ansteuerten. Themen wie Schiffskatastrophen, Kriminalität oder Krankheit waren natürlich tabu. An Bord ist das Leben immer schön. Wir liegen nicht vor Madagaskar und wir haben auch nicht die Pest an Bord. Ein Besuch der Bordbäckerei oder ein Interview mit unserem Bordentertainer Gonzo fiel schon fast unter die Rubrik investigativer Journalismus.
Einmal sah ich in weiter Ferne ein Schlauchboot voller Flüchtlinge. Ich machte den Kapitän auf das Boot aufmerksam und er änderte den Kurs. Diesen Anblick können wir unseren Passagieren wirklich nicht zumuten.
***
So hätte es ewig weitergehen können. Für die tägliche Zeitung benötigte ich nicht einmal zwei Stunden. Ich bekam, nach Jahrzehnten am Schreibtisch, die gesunde Bräune des Erfolgsmenschen. Ich lernte Squash und Bridge, ich besuchte die Häfen dieser Welt. New York, Yokohama, Nairobi.
Aber dann traf ich Gisela. Die relativ gutaussehende Witwe aus Wuppertal. Ihr Mann hatte mit Hosenträgern ein Vermögen gemacht und war dankenswerterweise vor einem Jahr bei einem Hot Dog-Wettessen in San Diego abgetreten. Ich heuerte ab und folgte ihr nach Baden-Baden.
Es ist ein wunderbares Leben. Ich lese ihr meine Geschichten vor und sie hört einfach nur zu.
Frank Zappa - Camarillo Brillo. https://www.youtube.com/watch?v=nllWDc8_9lw

Mittwoch, 4. Juli 2018

Die Beton-Chroniken

Er sah aus wie ein vorbestrafter Tätowierer auf St. Pauli. Jedes Mal, wenn ich an dem leeren Grundstück vorbeikam, auf dem das Gras und die Wildblumen kniehoch wuchsen, saß er auf dem roten Ledersofa und trank Dosenbier.
Immer dasselbe schwimmbadkachelblaue T-Shirt und dieselbe weiße Jeans. Wahrscheinlich saß er auch nachts und im Regen hier. Keine Ahnung. Bei Dunkelheit und schlechtem Wetter bleibe ich zu Hause.
Und immer derselbe Spruch: „Ich muss hier weg, ich halte es nicht mehr aus“. Dann grinste er mich an und trank einen Schluck aus seiner Dose. Jedes Mal, wenn ich mich zu ihm setzte.
Am nächsten Tag saß er immer noch da. Oder schon wieder. Es war ein Sommer, der kein Ende nahm.
The Tornados – Telstar. https://www.youtube.com/watch?v=WPDvsLSnUGc&feature=share

Dienstag, 3. Juli 2018

Tausche Nahles gegen Mbapeé

Was unterscheidet die CSU von der AfD? Nichts.
Was unterscheidet die SPD von der CSU, wenn sie deren Vorschlag für „Transitzentren“ zustimmt, also für Gefängnisse mit exterritorialem Status, wie wir sie aus Guantanamo kennen? Nichts.
Wozu brauche ich noch die SPD, wenn sie dieselbe Politik wie AfD und CSU macht?
Es ist wie mit den Panini-Sammelbildchen. Habe ich doppelt. Kann ich tauschen oder wegschmeißen.
Die SPD schafft sich gerade selbst ab.

Montag, 2. Juli 2018

Neues aus Watutinki

„Özil ist der Sündenbock. Der traurige kleine Junge mit den Glupschaugen, der die ganze Zeit geschwiegen hat. Kreuzigt ihn!“ (Johnny Malta)
„Vom Schmetterling zur Raupe in drei Entpuppungen.“ (Heinz Pralinski)
Es ist ein Gefühl der Befreiung, ich bin erleichtert. „Die Mannschaft“, die in alter deutscher Selbstherrlichkeit und Überheblichkeit mit den Slogans „Best never rest“ und „Zusammen. Geschichte schreiben“ bei der WM angetreten ist, durfte zeitgleich mit Panama und Saudi-Arabien die Heimreise antreten.
„Die Nationalelf ist quasi die vierte Macht im Staat", hatte Team-Manager Bierhoff bereits 2013 in einem Interview mit dem "kicker" verkündet. Da war die deutsche Nationalmannschaft noch nicht mal Weltmeister. Elf Millionäre mit dem Mercedes-Stern auf der Brust als Markenzeichen und Aushängeschild der Republik. Schönen Dank auch! Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Je größer die Klappe, desto tiefer der Absturz.
Aber die Arroganz war nicht die Ursache für das Ausscheiden der deutschen Mannschaft. Da die Medien und die sogenannten Experten offenbar unfähig sind, eine klare Analyse zu liefern, erkläre ich es Ihnen kurz:
Die DFB-Auswahl spielte in allen drei Begegnungen gegen extrem defensive Gegner. Sie versuchte, deren Abwehr durch Kurzpassspiel zu überwinden und durch Dominanz („Ballbesitz“ als Mantra des kapitalistischen Kickers) zu zermürben. Es gibt aber nur zwei Wege, den Stacheldrahtverhau von zehn Gegenspielern in und um den Strafraum zu knacken: Fernschüsse und Dribblings. Einzelaktionen. Jeder C-Jugend-Spieler weiß das. Neuer & Co., Jogi, ARD und ZDF wissen es bis heute nicht.
Solche Spiele wie gegen Südkorea haben wir früher gewonnen, weil das dümmste Rübenschwein auf dem Platz – ich sage mal Matthäus, Basler oder Hrubesch – einfach mal aus zwanzig Metern den Ball unter die Latte gezimmert hat. Schließlich haben die Fußballzwerge ja keine Welttorhüter zwischen den Pfosten. Leute wie Häßler und Littbarski oder wie noch vor kurzem Draxler und Müller sind losgedribbelt und haben Breschen in die Abwehrmauer geschlagen.
Das hat man in meiner Jugend Rumpelfußball genannt, aber es war oft erfolgreich. Bring mir drei Punkte und erspar mir die schmutzigen Details! Ich will gar nicht wissen, wie ihr das gemacht habt. B-Noten gibt’s nur beim Eiskunstlauf und in der BILD. So dachte man früher, bevor man begann, das spanische Tiki-Taka zu kopieren, das gestern übrigens auch im Original an spielerisch ebenso limitierten Russen gescheitert ist.
P.S.: Als Sportminister sollte Horst Seehofer die Verantwortung für das Debakel in Russland übernehmen und sofort zurücktreten.
La Luz – Mean Dream. https://www.youtube.com/watch?v=oETEFW1g-hs

Sonntag, 1. Juli 2018

Kunst, Koks und Kartoffeln

Heimat ist ein Kartoffelkeller. Wir liegen nebeneinander im Dunkeln und kennen uns nicht. Ich bin mit einer Freundin in einer Bar. Wir sitzen an der Theke und trinken. Nur wenige Straßen weiter läuft ein sogenannter Independent-Film und wir beschließen, die Spätvorstellung zu besuchen. Nach dem Film stehe ich am Pissoir des schäbigen kleinen Kinos. Am Waschbecken komme ich mit Georg ins Gespräch. Er hat diesen Filmabend organisiert. Das Drehbuch stammt von ihm und einem Kollegen. Ich erzähle ihm, dass ich auch schreibe. Er lädt mich in seine Wohnung ein. Dort hat er Koks und Whisky. Die Freundin ist verschwunden und ich rufe uns ein Taxi. Ich habe nur noch zwanzig Euro und ich frage den Fahrer, ob das Geld für die Fahrt reicht. Er lächelt in den Rückspiegel und nickt. Wir fahren los. Der Taxifahrer erzählt uns, er sei Musiker und kenne die langen Nächte ohne Geld. Wir sind alle Künstler in dieser großen Stadt. (Traum, 27.6.2018)