Dienstag, 10. Oktober 2017
U.S.A.
Texas
Wüste
Vor mir
Das rostige Gerippe
Einer Startrampe
Von der
Ein Nazi
Die fette Rakete
Auf den Mond
Ejakuliert hat
Sonntag, 8. Oktober 2017
Bericht aus dem Kriegsgebiet
„Ich werde den geistig umnachteten senilen Amerikaner endgültig mit Feuer bändigen.“ (Kim Kong, Mordkorea)
Ich bin jetzt vierzig Tage hier. Ursprünglich bin ich mit einigen Freunden zu einem Kurzurlaub in dieses Land gekommen. Dann begannen die Kämpfe und wir wurden in diesem Gebiet eingeschlossen. Es umfasst im Wesentlichen das Bahnhofsgelände und einige angrenzende Straßen. Seit dem Beginn der Kämpfe verlässt kein Zug mehr diesen Bahnhof, wir kommen hier nicht raus. Ich selbst habe an den Kämpfen nicht teilgenommen, ich habe auch keine Waffe. Die meisten hier warten einfach, dass es aufhört. In den letzten Wochen sind aber auch Leute in dieses Gebiet gekommen, die kämpfen wollen, die nur zum Kämpfen angereist sind. Anfangs hätte eine der Kriegsparteien das Gebiet sicher problemlos einnehmen können. Ich weiß nicht, warum das nicht passiert ist. Wir saßen einfach hier fest, Leute aus vielen verschiedenen Ländern. Es passierte nicht viel. In den ersten Tagen konnte ich noch nach Hause telefonieren, jetzt ist mein Akku leer. Strom gibt es hier keinen. Mein Handy habe ich verkauft. Der Schwarzmarkt ist an den Gleisen des Güterbahnhofs, ganz am Rand dieses Gebiets, da wo die Zone beginnt, die niemand betreten möchte, denn dort wird gelegentlich geschossen. Anfangs haben wir von den Lebensmitteln gelebt, die es auf dem Bahnhofsgelände gab, in Geschäften und Güterzügen. Jetzt kaufe ich sie auf dem Schwarzmarkt. Ein Schokoriegel kostet einen Euro, ein Päckchen Taschentücher auch. Man benutzt Taschentücher als Toilettenpapier, die Toiletten sind allerdings in einem erbärmlichen Zustand, viele benutzen die Gebüsche. Sie können alles kaufen, wenn sie Geld haben. Der Wein ist aber erbärmlich. Rosinen sind sehr günstig, die können sie hier massenhaft kaufen, keine Ahnung, warum das so ist. Gestern habe ich eine junge Frau gesprochen, die sich sogar einen Passierschein gekauft hat. Sie ist auf eine Party gegangen und kam trotzdem zurück, weil ihr Freund hier ist. Ich habe keine Ahnung, wann wir hier rauskommen. Es gibt natürlich viele Gerüchte. Angeblich verhandeln die Regierungen vieler Staaten, deren Bürger hier festsitzen, mit den Kriegsparteien. Es soll Demonstrationen für unsere Freilassung geben. Es ist von Lösegeldzahlungen die Rede, vielleicht darf auch das Rote Kreuz kommen. Aber es sind eigentlich hauptsächlich jüngere Menschen hier, wir haben keine Probleme mit Krankheiten und Verletzten. Es wird zwar gelegentlich geschossen, aber ich habe noch keinen Toten gesehen, niemand mit Schussverletzungen. Ich frage mich, wie die jungen Männer mit den Waffen überhaupt in unser Gebiet gekommen sind. Vielleicht haben sie auch Passierscheine gekauft, hier wird ja mit allem gehandelt. Solange man Geld hat, kann man leben. Ich möchte natürlich so schnell wie möglich hier raus, man kann in diesem Kriegsgebiet nichts tun, außer rumsitzen und warten. Ich will gar nicht wissen, wie es wird, wenn ich kein Geld mehr habe.
Prince – Bob George. https://www.youtube.com/watch?v=RTt4h8HVhx4
Samstag, 7. Oktober 2017
Danke für das Scheißwetter, Petrus!
"Unsere ganze Bewaffnung ist eine Schönwetterbewaffung (...). Am 10. Mai war der erste schöne Tag und am 10. Mai habe ich sofort angegriffen." (Adolf Hitler zum Frankreichfeldzug 1940)
https://www.youtube.com/watch?v=XNRTWLXdX3o
P.S.: Was mir am heutigen Tage fehlt: "Darin liegt der humanistische Sinn des Soldatseins im Sozialismus".
https://www.youtube.com/watch?v=RPN8uv7w9j8
Stattdessen gab es diese Woche bei uns in Mainz diese doofe Einheitsfeier. Früher war mehr Lametta.
Häuptling Seehofer
Im Film "Dead Man" von Jim Jarmusch gibt es einen hünenhaften Indianer, dem seine Stammesgenossen den Namen He-who-talks-loud-and-says-nothing gegeben haben. Irgendwie erinnert er mich an den Löwen, der in München brüllt, von dem man aber in Berlin nur ein leises Miau hört.
https://www.youtube.com/watch?v=plZtlAMgRSA
Aus dem Zehn-Punkte-Plan der CSU: "Grenzenlose Freiheit macht Angst." "Konservativ ist wieder sexy." Außerdem will man sich jetzt ganz doll um die "kleinen Leute" kümmern. Ein schönes Bild der Konservativen: die Armen sind klein, die Reichen sind groß. Passt schon.
Liebes kleines a
„Das Alter ist kein Kampf; das Alter ist ein Massaker.“ (Philip Roth: Jedermann)
Jetzt bist Du also auch fünfzig Jahre alt geworden. Dein langes blondes Haar ist an den Schläfen grau geworden und Du betrachtest jeden Morgen verwundert Deinen Ehemann, der vor dem Bett seine Morgengymnastik macht, weil die Altersgebrechen ihre ersten Schatten auf ihn werfen.
Du hast in deinem Kreuzberger Kiez einen ganzen Biergarten angemietet und es wird sicher bis tief in die Nacht hoch hergehen. Ich erinnere mich an andere Feste mit Dir. Deine Hochzeit zum Beispiel, als Du ganz souverän eine halbe Stunde zu spät mit Deiner klapprigen Ente an der Kirche in Petzow vorgefahren bist.
Ich schaue noch ein wenig weiter zurück und denke an unsere Schulzeit, als wir mit meinem Alfa Romeo durch die rheinhessische Nacht gefahren sind und Musik gehört haben. Als wir Partys gefeiert haben oder mit Freunden nach Prag gefahren sind, bevor sich der eiserne Vorhang hob und der Kafka-Themenpark hip wurde.
Als Studenten haben wir in Kreuzberg nächtelang diskutiert und haben in obskuren Kneipen den Sonnenaufgang erlebt. Wir konnten nicht genug von Theater, Kino und Ausstellungen bekommen. Berlin hat uns unaufhörlich den Stoff für neue Gespräche geliefert. Die große Stadt hat uns beide bis zum heutigen Tage nicht mehr losgelassen.
Jetzt hat der Herbst angefangen. Wir sind nicht mehr jung, obwohl wir es gar nicht fassen können. Fünfzig. Aber es ist nicht zu leugnen. Zum Glück dürfen wir nicht klagen. Es geht uns gut, es ist uns immer gut gegangen (über Details gehen wir in gewohnter Großzügigkeit hinweg) und mit ein wenig Glück wird es uns noch eine ganze Weile gut gehen.
Unser Leben, das wir in diesen Tagen führen, könnte nicht unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite der Schriftsteller, der weder Beruf noch Familie hat, weder Termine noch Verpflichtungen. Dessen Wecker nicht klingelt, der niemanden zur Schule bringen muss, der nicht ins Büro oder auf Dienstreise muss. Der morgens einfach aufwacht, wann immer es ihm beliebt, und danach macht, wonach ihm gerade ist. Ich lebe wie ein Dieb und fühle mich wie ein Baron.
Auf der anderen Seite die Kulturredakteurin mit vier Kindern, Haus und Garten, Hund – Katze – Mann. Die nebenbei noch Klavier, Cello und Tennis spielt. Die auf Konzerte und in Museen geht, die lange Dienstreisen unternimmt. Die selbst in den zehn Minuten zwischen Zähneputzen und der Abreise ins Schlummerland noch ein paar Seiten in einem aktuellen Roman liest, um auf dem Laufenden zu bleiben. Deren Handy hundertmal am Tag klingelt und die mit tausend Terminen jonglieren muss.
Ständig will jemand etwas von Dir und Du gibst es ihnen. Als wärst Du ein Uhrwerk, das niemals stillstehen darf. Du schaffst das alles mit verblüffender Leichtigkeit und Eleganz. Nie merkt man Dir die Anstrengung an, die dieses Leben kosten muss. Respekt! Ich würde das nicht schaffen.
Ich wünsche Dir das Allerbeste und davon sehr viel. Möge Dein Glas nie leer sein,
Dein E
Dr.Feelgood - She Does It Right. https://www.youtube.com/watch?v=iHm7uIC84YM
Freitag, 6. Oktober 2017
Strafanzeige
„I’m sentimental, if you know, what I mean;
I love the country but I can’t stand the scene,
And I’m neither left or right.
I’m just staying home tonight,
Getting lost in that hopeless little screen.”
(Leonard Cohen)
Hiermit erstatte ich Strafanzeige gegen Bacardi.
Seit vierzig Jahren suggeriert mir diese Firma im Kino und im Fernsehen, dass ich mit dem Konsum hochprozentiger Alkoholika den Kontakt zu schönen Frauen herstellen kann, dass mir ferner der Kauf teurer Sportwagen und ein sorgloses Leben am Strand ermöglicht wird.
Ich bin jetzt 51. Ich trinke das Zeug jeden verdammten Tag, den Gott werden lässt, und bin diesem Ziel nicht einen Schritt näher gekommen.
In den USA würde ich eine Entschädigung von 5,4 Millionen Dollar bekommen. Grob geschätzt.
Mittwoch, 4. Oktober 2017
Frauenherbst
„Das Leben ist eine Komödie für den Reichen, ein Spiel für den Narren, ein Traum für den Weisen, ein Trauerspiel für den Armen.“ (Scholem Alejchem)
Ich möchte heute von zwei Frauen berichten, die im nächsten Jahr vierzig Jahre alt werden. Ich kenne sie persönlich und ich weiß schon bei diesen ersten Sätzen, dass ich ihren Zorn erwecken werde. Möglicherweise auch den Zorn anderer Frauen und das Desinteresse meiner männlichen Leserschaft. Ich werde sie so zeichnen, dass sie nur sich selbst erkennen, aber nicht von anderen erkannt werden. Genug.
Beide Frauen sind schön und klug. Das verbindet sie. Gleichzeitig könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Die eine ist ruhig, um nicht zu sagen: brav und aus gutem Hause. Hellblondes Haar und blaue Augen. Ihr Herbstanfang ist sanft und still. Die andere ist wild und voller Energie. Schwarze Haare, schwarze Augen, ein Piratenlachen. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie. Im Gegensatz zur anderen Frau spürt sie, dass nun die ersten Tage im Herbst ihres Lebens anbrechen. Sie wehrt sich, sie kämpft.
Nadine kommt nach Hause. Sie hat pünktlich Feierabend gemacht und ist mit der Straßenbahn in ihren Vorort gefahren, wo sie eine hübsche kleine Mietwohnung in einem gepflegten Mehrfamilienhaus bewohnt. An der Tür empfängt sie ungeduldig ihr Hund. Er ist aus dem Tierheim, sehr lebhaft, fast ein bisschen frech, aber sie freut sich jeden Abend auf diesen Empfang. Sie ist seit einigen Jahren Single. Hochzeit, Familie? Davon hat sie mit fünfzehn oder zwanzig geträumt, aber sie hat die Hoffnung aufgegeben. Sie ist das einzige Kind eines Rechtsanwalts und einer Studienrätin, die immer noch nicht begreifen können, warum sie nie ein Enkelkind auf dem Schoß haben werden.
Nadine war immer ein aufgewecktes Kind gewesen. Keine Probleme in der Schule, keine Drogen, keine Eskapaden. Das Studium hatte sie mit Bravour bewältigt, ihre Eltern hatten ihr sogar ein Jahr an einer amerikanischen Universität finanziert. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über einen deutschen Dichter aus dem 18. Jahrhundert. Bis Anfang dreißig hatte sie eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, dann hangelte sie sich ein paar Jahre mit Hospitanzen (von lateinisch hospitari: ‚zu Gast sein') und Praktika durch Verlage, Redaktionen und Kulturprojekte. Oft waren es mehrere Jobs gleichzeitig. Jetzt hat sie ihre erste Festanstellung als Pressesprecherin einer Berufsgenossenschaft. Sie verfasst zwei Pressemitteilungen im Monat über Gesellenprüfungen im Handwerk oder eine Fachmesse, zu denen es nie Rückfragen von der Presse gibt. Das war’s. Mehr wird es vermutlich auch nicht mehr werden.
Sie hat die unbequemen hochhackigen Schuhe ausgezogen und das Businesskostüm über einen Bügel gehängt. Sie setzt sich auf das schneeweiße Ledersofa, das sie als Geburtstagsgeschenk von ihren Eltern bekommen hat. Ihr Hund kuschelt sich an sie, während sie die drei Anfragen auf Tinder liest, die sie nicht beantworten wird. Dann geht sie in die Küche und isst ein Brot mit veganem Aufstrich und eine Nektarine. Im Winter möchte sie mit einer Studienfreundin, die ebenfalls Single ist, eine Woche zum Skilaufen nach Österreich fahren. Sie ist zufrieden und würde man sie fragen, ob sie glücklich ist, würde sie ohne zu zögern mit Ja antworten.
Laura war ein Jahr arbeitslos. Jetzt hat sie einen Zeitvertrag in einer Redaktion in Aussicht. Sie wird umziehen müssen, aber es wäre nicht ihr erster Umzug. Sie hat eine kleine und äußerst günstige Wohnung in einer Mietskaserne in Bahnhofsnähe. Ihren letzten Freund hat sie schon im vergangenen Jahr aus der Wohnung geschmissen. Sie ist nach ihrem Realschulabschluss aufs Gymnasium gewechselt und hat 18 Semester Sozialwissenschaften studiert. Sie hat als Kellnerin und als Call-Center-Agent gearbeitet, Artikel für ein lokales Szene-Magazin und Texte für ihr Blog geschrieben. Die Frage nach einer eigenen Familie hat sie dem Schicksal überlassen. Karma nennt sie das. Sie geht einmal in der Woche zum Yoga.
In diesem Jahr der Arbeitslosigkeit hat sie vieles ausprobiert. Sie hat sich ein Longboard gekauft und ein vierzehnjähriger Junge aus der Nachbarschaft hat ihr auf dem Parkplatz des nahen Supermarkts gezeigt, wie man es fährt bzw. „skatet“. Sie hat sich eine Nähmaschine gekauft und einen Kursus bei „Moni’s Nähtreff“ belegt. Sie hat an der Volkshochschule zwei Kurse belegt: Spanisch und Roman-Schreiben. Sie träumt von einer Reise nach Buenos Aires und hat keinen Roman geschrieben. Sie hat in Portugal einen Surfkurs gemacht und war kurzzeitig einem von Tschibo ausgelösten Deko- und Schmuck-Bastelwahn verfallen.
Sie hat in einem Buch gelesen, dass man sich von überflüssigen Dingen trennen sollte. Also hat sie jeden Gegenstand in ihrem Haushalt in die Hand genommen und sich laut gefragt „Macht mich das glücklich?“ Danach war ihre Wohnung relativ leer und sie hat begonnen, Sperrmüll mit nach Hause zu bringen, denn die Leute werfen schließlich viel zu viel weg, ihrer Meinung nach. Auf Fragen zu ihrem Leben reagiert sie gereizt oder sie wechselt das Thema.
So kommt der Herbst. Ganz unaufdringlich und unbemerkt. Ohne Spektakel, ohne Skandal, ohne Schlagzeilen. Die Tage gehen dahin, die Blätter verfärben sich. Und eines Tages ist es vorbei. Ebenso wie diese kurze Beschreibung endet, zu der ich mir kein abschließendes Urteil erlauben möchte.
John Coltrane – Equinox. https://www.youtube.com/watch?v=5m2HN2y0yV8
Sonntag, 1. Oktober 2017
Kupfer ist Gold
"Mein rechter rechter Platz ist frei" - Überschrift Spiegel Online (1.10.2017)
"Mein rechter rechter Platz ist frei" - Überschrift Kiezschreiber (19.9.2017)
So schreiben die Kleinen von den Großen ab.
Alcazar - Crying At The Discoteque. https://www.youtube.com/watch?v=7CiOWcUVGJM