Unser Haus hat im Krieg keinen Bombentreffer abbekommen. Das war Glück, denn nach Kriegsende konnte man von diesem Haus einen Kilometer bis zum Ku’damm laufen, ohne an einem einzigen Gebäude vorbeizukommen. Aber was im Garten ist, kann keiner sagen. Niemand würde es wagen, tiefer als einen Meter zu graben. Darunter beginnt die Berliner Geschichte. Und es ist keine nette Geschichte mit griechischen Amphoren und antikem Schmuck. Liegt ein Blindgänger unter der Erde oder sind 1945 ein paar Leichen hier verbuddelt worden? Damals gab es weder Friedhofs- noch andere Ordnungen. Einen Kilometer weiter war ein Zwangsarbeiterlager am heutigen Sozialpalast. An derselben Mauer, gegen die heute die Schulkinder ihre Bälle schießen, wurden russische Kriegsgefangene erschossen. Wer weiß, was auf unserem Grundstück alles geschehen ist? Unter der Oberfläche ist Berlin voller Wahnsinn. Könnte man die Toten sehen und sprechen, wäre diese Stadt die Hölle auf Erden. Aber wer will schon in München oder Zürich leben?
Samstag, 22. Dezember 2012
Schweigende Mauern, stumme Erde
Samstag, 15. Dezember 2012
Namen
Ganz unten gibt es keine Namen. Die Fußballmannschaften, die wir in der Sportschau sehen, haben natürlich alle einen Namen. Ein paar Kinder, die Fußball spielen, haben schon keinen Mannschaftsnamen mehr. Gegenstände haben keinen eigenen Namen. Bäume und wilde Tiere haben keinen Namen. Armengräber haben keinen Namen. Ganz oben gibt es Namenspfaue mit einem Dutzend Vornamen und schwindelerregendem Fürstengeschnörkel direkt dahinter. Merkwürdigerweise mögen die meisten Menschen einfache Namen – ob im Roman oder beim Ausfüllen von Formularen.