Donnerstag, 20. April 2017

Schraubenzieher-Man – Jenseits der Donnerkuppel

https://www.youtube.com/watch?v=wKp2t7kW70E
Cybert Blonk, Sohn eines einfachen Wanderurologen und einer Leukoplastverkäuferin, war ein Elektriker, der eigentlich immer mit seinem Leben zufrieden gewesen war. Aber die Verachtung gegenüber Handwerkern, die ja gerade in den wohlhabenden und gebildeten Schichten dieser Stadt ums sich griff, hatte ihn zunehmend verbittert. Und dann kam der schlimmste Tag in seinem Leben: Er wurde entlassen.
Mit der ganzen Niedertracht eines Emporkömmlings, der von seinem kleinbürgerlichen Größenwahn längst selbst geblendet worden ist, verteilte der Chef an diesem Morgen die Kündigungsschreiben. Mit triumphalem Gebell rief er die Namen der Mitarbeiter einzeln auf, die vortreten und sich das Schreiben abholen mussten.
Diese haarsträubende, um nicht zu sagen herzzerreißende Unbarmherzigkeit seines hochverehrten Vorgesetzten und Meisters gab den Ausschlag. So wurde aus einem aufrechten Handwerker ein fürchterlicher Verbrecher. Meistens erfahren wir ja gar nicht, warum ein Mensch zum Verbrecher wird. Aber das muss einmal gesagt werden: Diese Kündigung hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist.
Herr des Lichts, so nannte er sich von nun an. Cybert Blonk wurde ein größenwahnsinniger Elektriker und der nächste Endgegner von Schraubenzieher-Man. Sein Ziel war es, die gesamte Stromversorgung Bad Gothams unter seine Kontrolle zu bringen.
***
Es war in der Stunde vor Sonnenaufgang, wenn die Nacht am kältesten ist. Der Schraubenzieher-Man aß gerade Würstchen aus der Dose. Um weder Teller noch Besteck benutzen zu müssen, hatte er sich über die Spüle gebeugt. Früher hätte man dieses Verhalten als asozial oder bestenfalls als schamlos bezeichnet, aber der Neoliberalismus hat auch sein Gutes. Er war effizient und hatte den Prozess des Essens rationalisiert. Er hatte den ganzen Ablauf um einige Arbeitsschritte verschlankt, quasi Lean Management im Kitchen-Bereich.
Da klingelte das Schraubenzieher-Man-Phone. Der Schraubenzieher-Man schlurfte in seinen Schraubenzieher-Man-Häschengesichtpantoffeln zum Apparillo, den Mund voller Wurst, und nuschelte ein Hallöchen in die altertümliche Sprechmuschel aus Bakelit.
„Hier ist Commissioner Schmuhlke.“
„Schmuhlke, Sie alter Archivaxolotl! Wie geht’s, wie steht’s?“ Der Schraubenzieher-Man war wie immer guter Laune, weil er gerade etwas gegessen hatte.
„Es geht und es steht noch. Doch deswegen rufe ich nicht an. Die Mächte der Finsternis bedrohen die Stadt.“
„Zombie-Vampire?“
„Schlimmer.“
„Nordkoreanische Zombie-Vampire?“
„Nein, eine Bande von Elektrikern. Sie wollen Dunkelheit über die Stadt bringen.“
***
Bei Kreuzschlitz-Boy klingelte der Notalarmwecker. Aus riesigen Lautsprechern in seinem Schlafzimmer dröhnte die Stimme von Schraubenzieher-Man: „Auf zum Elektrizitätswerk!“
‚Prima‘, dachte der Kreutzschlitz-Boy. ‚Dann muss ich keine Mathe-Hausaufgaben machen. Und wenn der Kampf gegen das Böse bis um zehn Uhr dauert, muss ich auch nicht in den Kunstunterricht.‘
***
Das Elektrizitätswerk war draußen vor der Stadt, wo sich die Betongeschwüre der Gewerbegebiete unaufhörlich in die Landschaft hineinfressen.
Vor dem Tor stand bereits Cybert Blonk, der Herr des Lichts, wie sich dieser mit allen Abwassern gewaschene und durchtriebene Halunke zu nennen pflegte. Gerade baute er mit seinen Schergen eine geheimnisvolle Waffe auf. Um gerade die älteren Leser, die ohnehin nicht mehr lange leben, nicht allzu lange auf die Folter zu spannen: Es war ein hyperphantastischer Temporal-Antimaterie-Inhalationsnihilator. Dieses unglaubliche Gerät machte einfach alles langsamer. Außerdem sah es so widerlich aus, als hätte man es im Bauchnabel von King Kong gefunden. Und es war spülmaschinenfest.
„Halte ein, du schlimmer Finger!“ rief der Schraubenzieher-Man.
Aber der Herr des Lichts hatte den Inhalationsnihilator bereits in Betrieb gesetzt. Während wir auf die Antwort des Erzschurken warten, zirpt eine Grille. Sie zirpt und zirpt. Dann geht es endlich weiter.
Wie in Zeitlupe taumelte der Schraubenzieher-Man auf den Bösewicht zu und wollte ihn angreifen. Aber seine Schläge kamen so langsam, als hätte er sie mit der Post geschickt.
Doch bevor der Kampf auf Leben und Tod spannend werden konnte, war der Akku leer. Daran hatte der Elektriker nicht gedacht. Ironie des Schicksals? Oder war Cybert Blonk einfach nur der Karpfen im Hechtteich des Verbrechens, das Schaf im Wolfspelz, die Tofuwurst auf der Grillparty einer Biker-Gang?
Seien Sie auch nächste Woche wieder dabei, wenn Sie unseren Held sagen hören: „Wo sind die Frauen hundsgemein? In Frankfurts Stadtteil Rödelheim.“
Stevie Wonder – Superstition. https://www.youtube.com/watch?v=0CFuCYNx-1g

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