Mittwoch, 21. Dezember 2016

Learning by losing

„Ich lebe so unvernünftig wie nur möglich.” (Loriot)
Natürlich. Wir lernen alle dazu. Aber man muss mit dem Lernen ja auch erst mal anfangen. Mein erster eigener Urlaub, meine erste eigene Reise – obwohl die Begriffe Urlaub und Reise so unglaublich unangemessen sind, dass es kracht, aber das werden Sie gleich selbst merken – führten einen Freund und mich in ein kleines Wäldchen, eigentlich ein Gestrüpp voller junger Bäume, Büsche und großer Pfützen, das nur zweihundert Meter vom Ortschild „Schweppenhausen“ entfernt lag.
Wir bauten tapfer unser winziges „Zwei-Mann-Zelt“ auf, in das ich heute noch nicht einmal alleine passen würde. Wir wollten einige Tage hier bleiben, mit fünfzehn Jahren, ein Leben ohne die Scheiß-Erwachsenen, die Bonsai-Rebellion der Dorfjugend. Aber natürlich in den Ferien – man will ja schließlich keinen Ärger kriegen. Wir hatten im Supermarkt eingekauft, allein die Tour mit dem Fahrrad nach Bad Kreuznach würde ich heute konditionell nicht mehr schaffen.
Ravioli. Was sonst. Das Leben außerhalb der Leibeigenschaft der familiären Residenz beginnt immer mit Ravioli. Wir hatten es tatsächlich geschafft, das Zelt aufzubauen. Das war ein Pluspunkt. Aber die Sache mit dem Lagerfeuer ging in die Hose. Natürlich regnete es. Was denn sonst. Freiheit, zum ersten Mal im Leben, aber eben Freiheit im Regen. Das Lagerfeuer konnten wir vergessen. Also haben wir versucht, die Ravioli-Dose mit einem Feuerzeug zu erhitzen. Das dauerte. Irgendwann war der Boden der Dose schwarz und das Feuerzeug heiß. Wir rührten die Ravioli um und probierten. Sie waren etwa ein bis zwei Grad wärmer als zuvor.
Dann kamen Freunde vorbei. Sie blieben nie länger als eine halbe Stunde, aber sie hatten wenigstens ein paar Flaschen Bier und Tabak dabei. Niemand hat gemeckert, aber keiner verspürte Lust, sein Zelt neben uns im Gestrüpp aufzuschlagen. Irgendwann war uns das Herumsitzen auch zu blöd. Sie dürfen nicht vergessen, dass es damals keine Smartphones oder Notebooks gab. Unsere mediale Versorgung beschränkte sich auf einen Ghettoblaster plus eine Sammlung diverser Kasetten mit Musik. Also kamen wir irgendwann auf die Idee, mal rüber ins Dorf zu gehen.
Wir gingen zu mir nach Hause, wo die beiden „Ausreißer“ (Tag 2) mit einem leckeren Mittagessen begrüßt wurden. Wir blieben anschließend für ein bisschen Fernsehen und Atari-Konsole zocken (Frogger, Pitfall). Eigentlich war es schade, als wir nach einigen Stunden wieder hinausgingen, zu unserem Zelt, um das Leben in Freiheit zu genießen. Natürlich regnete es. Die Sonne war ganz offensichtlich kein Freund der Unabhängigkeit und der Jugend. War es am dritten oder vierten Tag, als wir wieder zu Hause waren? Unsere Eltern sagten nichts. Wir waren um eine Erfahrung reifer. Und eigentlich ist es bis heute genauso weitergelaufen, wenn wir mal ehrlich sind.
Bay City Rollers - Don't Stop The Music. https://www.youtube.com/watch?v=_kNBTTsCtXU

2 Kommentare:

  1. Ist das eine schöne Geschichte! Und so schön geschrieben. Hab sehr gelacht.

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  2. ... dafür ein ->♥
    denn, GENAUsoooähnlich isses - bei MIR - auch gewesen ...zwinker (ړײ)

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