Sonntag, 9. Oktober 2016

Meine Güte, wie grauenhaft

“Man ist nicht betrunken, solange man auf dem Boden liegen kann, ohne sich festzuhalten.” (Finnisches Sprichwort)
Ein Brieföffner in Form eines winzigen Schwerts liegt auf dem Schreibtisch. Über dem Kamin hängt ein Seestück, eine britische Fregatte segelt hart am Wind. Vor dem Kamin stehen zwei schwere Ledersessel, auf einem flachen Tisch zwischen den Sesseln steht ein Glas Whisky. An der Wand hängen eine Landkarte von Schottland und ein Bärenfell.
Offensichtlich befinden wir uns auf einem durch und durch britischen Landsitz, der in wenigen Augenblicken Schauplatz eines fürchterlichen Verbrechens wird. Wir sehen Lord Breadshaw (auf Deutsch: Graf Yoster von Pumpernickel): Seine panzergrauen Augen harmonierten wunderbar mit seinem dreiteiligen Anzug. Er empfängt in der Einsamkeit der lieblichen Grafschaft Kent den sinistren Dauphin Le Marais (auf Deutsch: Kronprinz des Sumpfs), der dem Lord eine veritable Erpressung unterbreitet. Seine pistaziengrünen Augen glühen vor Jähzorn und Geldgier.
Draußen tobt ein Unwetter. Es ist ein Tag, den Bukowski geschrieben haben könnte. Der Butler hat seinen freien Tag, die Haushälterin ist auf der Hochzeit ihrer Cousine und der Gärtner ist im Pub des nächstgelegenen Dorfes, um Crack zu kaufen. Die beiden honorigen Männer sind ganz allein. Es geht um den Filmstar Gloria Del Mar (sie hieß früher Penelope Firemonkey), die es in Hollywood zu Ruhm gebracht hat und inzwischen in Beverly Hills wohnt (früher wohnte sie in Oceanside, Iowa). Ihre hellbraunen Augen erinnern die beiden Männer an Maki-Sushi mit Thunfisch, aber sie reden nicht darüber.
Lord Breadshaw lernte Gloria bei den Dreharbeiten zu „A Stranger in Danger“ kennen, für dessen Außenaufnahmen sein Landsitz benötigt wurde (da der Film im 19. Jahrhundert spielt). Es geht in diesem Film um den fiktiven Fall des Hadrianswalls und der Lord spielt eine Nebenrolle, die den Satz sagen darf: "Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich". Weltklasse! Das Thema ist bis heute ein ganz heißes Eisen. Aber nach dem Dreh reichte eine kurze Unterredung zwischen dem Lord und dem Filmstar, um eine stürmische, um nicht zu sagen orkanartige Liebesaffäre in Gang zu setzen.
Das ergibt natürlich Erpressungspotential für Menschen wie Dauphin Le Marais. Der Typus gutmütiges Opfer ist in Lord Breadshaws Familie allerdings etwa so selten wie ein jüdischer Taliban. Und während der verschlagene Franzose eine monatliche Ratenzahlung vorschlägt, hat der nüchtern denkende Brite bereits einen Schürhaken ergriffen, den er hinter seinem Rücken verborgen hält. Blitze zucken, Donner grollt, während sich das Drama dieses Mittwochabends seinem Höhepunkt entgegen … äh … entgegen … dingst … äh … strebt?
P.S.: Britische Serien wie „Das Haus am Eaton Place“, „Mit Schirm, Charme und Melone“ und „Die Profis“ haben mich geprägt – ebenso wie britische Punk- und New Wave-Musik. Ich gebe es offen zu, ich bin ein Fan dieser durchgeknallten Insel. Wussten Sie, dass Gordon Jackson in allen drei Serien mitgespielt hat? 1965 spielt er in „Mit Schirm, Charme und Melone“ (4. Staffel, Folge 5) die Rolle eines Schlossherrn, im „Haus am Eaton Place“ ist er ab 1971 der Butler und bei den „Profis“ ist er ab 1977 der Boss der beiden Draufgänger Bodie und Doyle.
Bay City Rollers – Bye Bye Baby. https://www.youtube.com/watch?v=yUwW108ITzw

4 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Genau diese Serie schaue ich gerade. Im englischen Original. "Splendid!"

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  2. Was heißt hier durchgeknallt?
    Steed ist im Gegensatz zu diesem Bondrüpel ein echter Gentleman. Immer lächelnd, immer freundlich, immer trinkend.
    Blogempfehlung hierzu: Die dreiteilige Serie Steedophilia auf Trinklaune.de ( http://trinklaune.de/2009/10/19/trinklaune-im-avengers-land-i-oder-mit-schirm-charme-und-champagner/ )

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