Freitag, 23. September 2016

Das Zeitalter der Rohstoffkriege

„Mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt 1914 wurden die Sozialdemokraten regierungsfähig, mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt 1999 in Serbien wurden die Grünen regierungsfähig, mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt ab 2017 werden die Linken regierungsfähig werden. Wenn sie es wollen. Es wäre der letzte Schritt ins Reich der Mitte.“ (Lupo Laminetti)
Es sollte inzwischen zum Allgemeinwissen gehören, dass unsere amerikanischen Waffenbrüder seit Jahrzehnten im Nahen und Mittleren Osten Krieg um Rohstoffe führen – und nicht zur Durchsetzung von Menschenrechten oder Demokratie. Die Energieversorgung der westlichen Welt hängt nicht nur vom Erdöl, sondern auch vom Erdgas aus dieser Region ab. Im Kolonialismus hat man das ganze Land und seine Bewohner unterjocht, heute reicht es, sich ihre natürlichen Reichtümer unter den Nagel zu reißen.
Leider berichten die Medien nicht über den geopolitischen Hintergrund des Syrienkriegs. In den großen Tageszeitungen und auf deren Internetseiten, im Radio und im Fernsehen wird dem Publikum immer von einer unüberschaubaren Zahl von Kriegsparteien berichtet. Der Krieg scheint kompliziert zu sein – und die Medien machen uns wenig Hoffnung, dass man als Laie aus diesem endlosen Gemetzel jemals schlau werden könnte. Aber es ist eigentlich ganz einfach: Es geht um Geld, um Macht, um Einfluss und um Rohstoffe.
Im Persischen Golf liegt das größte Erdgaslager der Welt, das South-Pars-Gasfeld. Es gehört zu zwei Dritteln Katar, zu einem Drittel Iran. Katar, das wissen wir spätestens seit der absurden Vergabe der Fußball-WM 2022, ist ein Verbündeter des Westens. Die Bundesrepublik hat Waffen im Wert von Milliarden Euro in dieses winzige Land mit seinen etwa 300.000 Einwohnern (ohne Gastarbeiter) exportiert, aber auch die Vereinigten Staaten, Frankreich und Italien machen mit ihren Rüstungskonzernen ein glänzendes Geschäft. Katar investiert im Gegenzug seine Petrodollars im Westen, der Qatar Holding LLC gehören z.B. 14,6 Prozent von VW (Land Niedersachsen: 11,8 Prozent).
Das Erdgas im katarischen Teil des Feldes wird auf 25 Billionen Kubikmeter geschätzt, das sind zwanzig Prozent der weltweit vorhandenen Vorräte. Es geht um sehr viel Geld. Bisher wurde das Erdgas unter hohem Energieaufwand auf -162 Grad Celsius abgekühlt und damit verflüssigt, um es auf Schiffen transportieren zu können. Viel kostengünstiger wäre es, das Erdgas in einer Pipeline nach Europa zu transportieren (China bezieht sein Erdgas in Russland, Indien und im Iran). Dazu gab es zwei alternative Routen: durch den Iran oder durch Syrien. Aus politischen Gründen war eine Route durch das Land des amerikanischen Erzfeindes Iran nicht möglich. Also sollte die Route durch Syrien in die Türkei führen. Der schiitische Herrscher Assad weigerte sich, den Bau zu genehmigen, und unterstützte auf diese Weise seine schiitischen Glaubensbrüder im Iran.
Sie ahnen, wie die Geschichte weitergeht. Uncle Sam und sein Platoon beschließen im Windschatten des „arabischen Frühlings“ einen Regime Change in Syrien. Der Westen unterstützt – wie schon 1979 in Afghanistan – die Feinde seines Feindes. Der IS entsteht mit westlicher Hilfe (v.a. USA und Türkei) und auch der Al Qaida-Ableger, die Al-Nusra-Front, kommt in den Genuss „demokratischer“ Unterstützung mit Waffen und Geld. Assad wird von Russland und dem Iran unterstützt. Russland ist der größte Erdgaslieferant Europas und möchte dieses Geschäft nicht an Katar verlieren, daher das Engagement in diesem Kriegsgebiet. Assads Gegner werden von den USA, Deutschland und anderen westlichen Ländern einschließlich der sunnitischen Verbündeten in der Region unterstützt.
Gerade in diesen Tagen drohte mal wieder eine Feuerpause. Was passiert? Amerikanische Kampfjets bombardieren „aus Versehen“ die syrische Armee, russische Kampfjets bombardieren „aus Versehen“ einen UN-Konvoi mit Nachschub für die Konkurrenz - behaupten zumindest die Amerikaner, die allerdings auch kein Interesse an einer Waffenruhe haben können, da sie ihr Kriegsziel, die Beseitigung der Assad-Regierung, nicht erreicht haben. Der unbedarfte Zeitungsleser fragt sich natürlich, warum während eines Waffenstillstands überhaupt Bomber unterwegs sind. Wären sie am Boden geblieben, hätte es ja auch nicht diese bedauerlichen Missverständnisse gegeben, die etwa achtzig Menschen das Leben gekostet haben. Aber selbst solche einfachen Schlussfolgerungen suchen wir in unseren Medien vergeblich.
Millionen Menschen haben in Syrien und im Irak, dessen Ölfelder längst unter amerikanischer Kontrolle sind, ihr Leben oder ihre Existenz verloren. Aber wer denkt schon an Damaskus, Aleppo oder Bagdad, wenn er an der Zapfsäule seinen Wagen volltankt oder im beginnenden Herbst seine Heizung aufdreht? Für unsere Energieversorgung müssen täglich Menschen sterben. Für den Reichtum der Konzernbosse und der Scheichs werden Existenzen vernichtet. Wir führen seit fünfzehn Jahren angeblich einen „Krieg gegen den Terror“. Falsch. Wir sind der Terror. Und dann fragen wir uns ernsthaft, woher der Hass der Attentäter in Paris oder Brüssel kommt …
Jimi Hendrix - Hey Joe. https://www.youtube.com/watch?v=5eJz0kdOrLw

3 Kommentare:

  1. Tja, Alter.
    Tut mir echt leid. Ich konnte es nicht verhindern.
    Jetzt stehst Du auf DER Liste.
    Ach, was sag' ich, auf ALLEN Listen!

    Wie kommst Du nur auf die Wahnsinnsidee, hier den Leuten die Wahrheit aufzudröseln?
    Auch noch so, das es sogar die meisten kapieren können?

    Toller Text! Mützchen gelüftet, mit tiefer Verbeugung.

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    1. Danke. Ich hoffe, es ist deine Gästeliste für die nächste Party!

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  2. Also meiner Wenigkeit fehlt da schlicht die Fantasie. Wer baut eine Pipeline durch ein instabiles Krisen- und Kriegsgebiet?

    So mal als Beispiel: Libyen oder der Ukraine sind Regionen die der Westen mit Freiheit und Democrazy beglückt hat. Im Ergebnis haust dann eine durchgeknallte Soldateska, die Statthalter sind korrupt bis ins Mark und vom sog. Staat ist wenig bis gar nichts übrig.

    Welches Unternehmen legt da für ein paar Milliarden Stahlröhren quer durchs Land? Zumal die Investition durch das US Militär geschützt werden muss, was auch nicht gerade billig ist.

    Man begibt sich in die Hände einer Macht die morgen schon abziehen kann um meinetwegen Neuseeland zu belagern. Dann steht man da. Die einzigen die von den USA bisher nicht im Stich gelassen wurden waren die Israelis.

    Follow the money ist m.E. die einfachere Erklärung. Der Negativauslese aus Macht und Gier die sich letztlich an die Spitze von Strukturen versammelt ist ein Morgen oder gar Übermorgen mehr als egal. Sie sind gar nicht in der Lage solche Strukturen wahrzunehmen geschweige denn in Ihnen zu denken.

    Es geht um das Plündern von Vermögen und Bodenschätzen.Darüber hinaus ist wenig.

    Cln. Kurz
    "Wie finden Sie mein System"

    "Ich vermag kein System zu erkennen, Sir"
    Cpt. Willard, (Apocalypse now)

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