Freitag, 30. September 2016

Wo ist Knoblauch?

Wir alle kennen Knoblauch als schmackhafte Pflanze aus der Gattung Lauch, deren Zwiebel wir gerne zu allerlei Gerichten verwenden. Aber Knoblauch war auch eine Ortschaft im Landkreis Havelland.
Vor fünfzig Jahren, am 22. Dezember 1966, beschloss der Ministerrat der DDR, die Ortschaft aufzulösen und alle Knoblaucher umzusiedeln. Was war geschehen? Seit 1961 wurde in Knoblauch Erdgas gefördert, zwei Bohrtürme standen nahe des Dorfes. Im Oktober trat Erdgas aus und gefährdete die Gesundheit der Bewohner. Nach achthundert Jahren endete die Geschichte des Ortes, die Bewohner wurden in Neubauten im nahen Ketzin und an anderen Orten angesiedelt.
Bekannt wurde der Ort, der knapp zwanzig Kilometer westlich von Berlin lag, im Jahr 1510. In die Kirche Knoblauchs war eingebrochen worden. Schuld sollten angeblich die Juden sein. Im „Berliner Hostienschänderprozess“ wurden 41 Juden zum Tode verurteilt, die größtenteils auf einem Scheiterhaufen hingerichtet wurden. Im Anschluss wurden sämtliche Juden aus der Mark Brandenburg ausgewiesen.

Hitlers Beerdigung

„Der Kiezschreiber, dessen Unbewusstes wie ein Seismograph die Verwerfungen der modernen Gesellschaft aufzeichnet (…), hat einen seiner Träume aufgeschrieben.“ (http://diezeitensindvorbei.blogspot.de)
Ich träume, ich wäre bei Hitlers Beerdigung. Es ist nicht das Jahr 1945, sondern die Gegenwart. Der Kopp-Verlag hat in ein piekfeines Hotel geladen, wo in einem Konferenzsaal eine Festveranstaltung stattfindet. Hitler-Verehrer aus Österreich, den Vereinigten Staaten und Deutschland halten Festreden. Unter den Gästen sind auch die letzten Weggefährten Hitlers, die als junge Männer im Führerbunker oder als Chauffeur gearbeitet haben.
Ein befreundeter Karikaturist aus Wien hat mich auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht, die nicht in der Presse angekündigt war, um keine Reporter und Nazi-Gegner anzulocken. Wir haben uns beide mit dunklen Anzügen und Krawatte verkleidet, um nicht aufzufallen. Natürlich benehmen wir uns ganz unauffällig, weil wir nicht hinausgeworfen werden möchten. Hinterher wollen wir das Ereignis satirisch verarbeiten. Es ist eine symbolische Trauerfeier, erklärt man den Anwesenden. Es gibt keinen Sarg. Aber Hitler habe nie eine würdevolle Beerdigung erhalten, das wolle man mit dieser Zeremonie nachholen.
Von meinem österreichischen Kollegen habe ich übrigens eine Karikatur im Badezimmer hängen, die Adolf Hitler auf der Toilette in der Berliner Reichskanzlei zeigt. Der Führer steht feixend mit heruntergelassener Hose da und wischt sich gerade den Hintern ab. Die Klopapierrolle besteht aus Friedensverträgen.
Nach der Feier verabschieden sich alle vor dem Hotel und ich gehe mit dem Karikaturisten noch ein Bier trinken. Dann wache ich auf.
Adamski – Killer. https://www.youtube.com/watch?v=usz5Y9bygXg

Donnerstag, 29. September 2016

Die ewige Verkaufsmasche der Amis

Es ist immer wieder erstaunlich, wie uns eine alte Idee in amerikanischer Verpackung als etwas völlig Neues verkauft werden kann. Und selbst ältere Menschen plappern diesen Medienbockmist unreflektiert nach. Es gab schon Jahrzehnte vor Airbnb in Deutschland Mitwohnzentralen. So kam ich 1991 zu meiner Wohnung in Kreuzberg oder 1996 zu einer Wohnung in Paris. Und lange vor Uber gab es Mitfahrzentralen, mit deren Hilfe ich Ende der achtziger Jahre nach Berlin kam oder später selbst Leute mitgenommen habe. Vor Facebook war ich zufriedener Nutzer von wer-kennt-wen.de. Und vor den doofen M&Ms gab es übrigens schon Treets. Die waren viel besser.

Podiumsdiskussion mit Andy Bonetti

„Ein Journalist ist ständig auf der Jagd nach Geschichten. Ein Schriftsteller macht genau das Gegenteil: Er wartet, er sitzt ganz still, er versucht, an gar nichts zu denken - und irgendwann kommt seine neue Geschichte wie eine Katze angeschlichen.“ (Andy Bonetti: Ein Mensch namens Dieter)
Wir dokumentieren Fragen von Studenten eines Creative Writing-Studiengangs an Andy Bonetti.
F: Welcher Anteil haben persönliche Erfahrung, Intuition und Recherche am Schreiben?
A: Das können Sie nicht apodiktisch beantworten, im Sinne eines Lehrsatzes. Das hängt vom konkreten Thema ab. Nehmen Sie an, Sie hätten eine schmerzhafte Darmentzündung. Dann reicht Ihre persönliche Erfahrung, ergänzt durch ein paar zusätzliche Informationen aus dem Internet. Aber was machen Sie beispielsweise mit Fukushima? Niemand von uns war während der Katastrophe da, und ich nehme an, Sie kennen niemanden in Fukushima. Da hilft nur Recherche. Und wenn Sie Glück haben und für einen Sender oder einen Verlag mit genügend Geld arbeiten, schickt man Sie vor Ort zu einer Recherche, bei der Sie Interviews mit Menschen machen können, die persönliche Erfahrungen mit dieser Katastrophe sammeln konnten.
F: Kann man überhaupt ohne persönliche Erfahrungen ein Thema bearbeiten?
A: Natürlich. Denken Sie an historische Romane oder Science Fiction. Aber viele dieser Schreibprojekte enden in Kitsch oder Trash, weil sich die Autoren nicht in andere Zeiten oder Welten einfühlen können. Sie liefern sehr häufig nur eine Projektion ihrer eigenen Zeit in eine andere Epoche. Dann wird im Mittelalter über Fragen der Frauenbewegung diskutiert oder auf fernen Planeten über Fragen des Parlamentarismus. Grundsätzlich gilt: Je näher ein Thema dem Autor ist, desto einfacher ist die Bearbeitung.
F: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
A: Meine Romane spielen hauptsächlich in Bad Nauheim. Ich bin dort geboren, ich kenne die Stadt und die Gegend, die Menschen und die Themen, die diese Stadt bewegen. Wenn ich jetzt über einen Frauenarzt in Peru schreiben müsste, der mit einem Holzbein auf der Suche nach den Kronjuwelen einer versunkenen Urwalddynastie ist, würde mein Text an Glaubwürdigkeit verlieren – zumindest in Lima.
F: Wie kommt man an Themen für einen Roman?
A: Suchen Sie kein Thema, das Thema findet sie. Es ist wie ein Virus. Sie bekommen ein Thema nicht mehr los, es geht Ihnen im Kopf herum. Sie wollen mehr wissen, sie recherchieren. Es gibt Personen, die Sie mit der Handlung verbinden. Sie bekommen ein Gesicht, sie beginnen, mit Ihnen zu sprechen. In diesen Personen konkretisiert sich Ihr Thema. Wehren Sie sich nicht gegen diesen Prozess, schreiben Sie einfach alles auf, egal, wie sinnlos oder unstrukturiert Ihnen der Stoff erscheinen mag.
F: Kann man vom Schreiben leben?
A: Wie viele Leute sind hier im Saal? Einhundert? Einer von Ihnen wird es schaffen. Der Rest wird verhungern und bis ins Grab vom Erfolg träumen. Damit ist nicht gesagt, dass hier nicht einhundert fähige Autorinnen und Autoren sitzen. Aber der Markt braucht nicht so viele Autoren. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche ist eng begrenzt, obwohl sehr viel mehr talentierte Menschen vorhanden sind. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, aber so ist es.
F: Ist Schriftseller ein Traumjob, wenn man es geschafft hat, Mister Bonetti?
A: Nein, es ist die Hölle. Ich würde es keinem von Ihnen empfehlen. Welcher Künstler verdient nur zehn Prozent am Verkauf seiner Kunst und muss darauf auch noch Steuern zahlen? Können Sie eine Skulptur in Sekundenschnelle reproduzieren? Einen Roman können Sie endlos vervielfältigen, ohne den Autor zu beteiligen. Wenn ich bei manchen Romanen meinen Stundenlohn berechne, komme ich noch nicht einmal auf den staatlichen Mindestlohn.
F: Das klingt nach Resignation.
A: Literatur ist eine Sucht, kein Beruf. Aber ich bin zu alt und zu schwach, um noch einmal neu anzufangen. Sie sind jung und stark, ich werde mein Leben nicht mehr ändern können.
F: Aber Sie sind doch ein erfolgreicher Schriftsteller.
A: Es war ein langer Weg. Ich habe nordkoreanische Pornos synchronisiert und Ansagen für Autoscooter geschrieben. Ich komme von ganz unten. Und von dort ist es ein weiter Weg zur Nr. 1 in Bad Nauheim. Da können Sie jeden Kioskbesitzer fragen, der heute Bonettis Werke im Sortiment hat.
Ultravox – Visions in Blue. https://www.youtube.com/watch?v=1uMyA4fP_VI

Mittwoch, 28. September 2016

Der Dunning-Kruger-Effekt

Der Dunning-Kruger-Effekt: Unwissenheit führt zu mehr Selbstvertrauen als Wissen. Jetzt begreifen Sie endlich auch die amerikanischen Präsidentschaftswahlen oder Horst Seehofer.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt
Tommy Krappweis hat dazu ein Lied geschrieben:
https://www.youtube.com/watch?v=DrG2c0_EyDE

Schreibt Ihr Kind?

Sie haben ein Kind, das gerne schreibt? In einem Nachbardorf von Schweppenhausen, in Eckenroth, gibt es eine Stiftung, die Kinder mit diesem Talent fördert.
Hier der Link für den Blogger- und Schriftstellernachwuchs:
http://www.eckenroth-stiftung.de

Der Wolkendrachentraum

„So hat sich also das Parteiensystem in der Berliner Republik des Jahres 2016 sortiert: In der Mitte die Kungelbude aus Schwarz, Rot, Gelb und Grün; rechts davon unter dem knatternden Banner des Nationalismus die völkischen Kulturkämpfer und Vertreter des Schweinebraten-Bürgertums (AfD), links davon das matte Abendrot der SED-Resterampe. Danke für nichts.“ (Lupo Laminetti)
Das ist sicher der verrückteste Traum von allen: Ich gehe einen dunklen Bahnsteig entlang. Links die Gleise, rechts finstere Baracken, die immer schäbiger werden, je weiter ich gehe. Es wirkt, als wäre ich auf einem Kreuzberger Hinterhof bei Nacht. Hier soll die Weiterbildungsveranstaltung der Kanzlerin sein? Ich muss mich geirrt haben. Aber dann sehe ich eine junge Studentin mit einer Umhängetasche. Ich frage sie, ob sie auch zu der Veranstaltung will. Sie nickt, ich folge ihr. Im Raum ist ein großer Tisch, an dem Frau Merkel und einige Ministerialbeamte auf Stühlen sitzen. Auf einer Bank sitzen ein junger Mann mit langen dunklen Locken und einem fusseligen Bärtchen und eine ebenfalls sehr junge Frau. Um den Tisch herum stehen Bänke an der Wand, auf denen noch Platz ist. Ich setze mich und höre dem Referat zu, das der junge Mann hält. Er fläzt sich lässig auf der Bank, liegt halb und spricht über die Ernährung der Zukunft. Erst jetzt sehe ich, dass Frau Merkel ein Kopftuch aus halbdurchsichtigen schwarzen Brüsseler Spitzen mit Stickereien trägt. Am Ende des Referats wird ein Teller herumgereicht, auf der die dicken, pulsierenden Leiber von weißen Raupen liegen. Jeder soll eine probieren. Die Studentin, die neben mir sitzt, kurze blonde Haare und ein langer Batikrock, nimmt sich eine Raupe und gibt mir den Teller weiter. Ich stehe auf und verlasse den Raum. Inzwischen hat ein anderes Referat begonnen. Es geht um rote Feuerameisen. Zu spät! Sie krabbeln schon an meinen Beinen hinauf und beißen mich, während ich sie herunterschlage. Manche wachsen in Sekundenschnelle auf die Größe eines Kinderfingers und ich muss sie schnell zertreten, bevor sie wieder an mir heraufkrabbeln. Als ich endlich wieder auf dem Bahnsteig stehe, sind meine Beine blutig von den Ameisenbissen und jucken fürchterlich. Dann wache ich auf.
P.S.: Ein uraltes Argument der Herrschenden ist: Es bringt nichts, ein Haupt des Drachens abzuschlagen (i.e. ein Attentat auf einen Führer zu begehen), denn es wachsen der Hydra sofort neue Köpfe nach. Das ist falsch. Sehen wir den gleichen Vorgang in der Unterschicht: Sobald deren führende Köpfe tot sind, wird die Bewegung bedeutungslos (z.B. Martin Luther King oder Malcolm X). Warum sollte man der Macht nicht heute noch die Köpfe abschlagen? Sehen wir einfach mal, was passiert.
Oder wir probieren mal was anderes: Anarchisten an die Macht! Die Ergebnisse anarchistischer Politik in Island von 2010 bis 2014: http://mobile2.tagesanzeiger.ch/articles/5520f49aab5c37cbd8000002
The Beatles - Tomorrow Never Knows. https://www.youtube.com/watch?v=Ah2ckzXgrx4

Dienstag, 27. September 2016

Blogstuff 75

„Ihre Wangen waren grobporig, die Löchlein mit rosa Schminke zugeschmiert, aber trotzdem noch ahnbar, wie wenn Nagellöcher in der Wand verputzt werden.“ (Martin Mosebach: Was davor geschah)
Mein Orthopäde sagt, ich hätte Bipedie im Endstadium.
Früher hatten die Windmühlen noch Flügel und waren hübsch anzusehen. Heute haben sie Rotorblätter und verschandeln die Landschaft.
Hätten Sie’s gewusst? Wichtelbach hat das siebtgrößte Landwirtschaftsmuseum südlich der Mosel.
Kümmert es den Wassertropfen, ob er die Krone einer Welle bildet? Aber manche Menschen verbringen ihr Leben damit, ganz nach oben zu kommen.
Sie können Hostessen als Begleitung buchen oder Hoss. Das wäre dann ich.
Yoga ist doch eigentlich Seniorengymnastik in Zeitlupe mit einem fetten Überbau aus Psychogelaber – oder sehe ich das mal wieder nicht positiv genug?
14 ist eine magische Zahl. Denken Sie an die 14 Gebote oder den Satz „14 Freunde sollt Ihr sein“ oder aber an die 14 Apostel.
Hätten Sie’s gewusst? Die erste Wahl nach dem Zweiten Weltkrieg fand in Wohlmuthshüll statt. Der Bürgermeister, zugleich das einzige NSDAP-Mitglied im Dorf, war 1942 gestorben. Da sich keiner der 480 Dorfbewohner bereit erklärte, der NSDAP beizutreten, gab es auch keinen neuen Bürgermeister und das Dorf wurde vom nahegelegenen Ebermannstadt mitverwaltet. Zur Belohnung durften die Wohlmuthshüller im Juli 1945 die erste demokratische Wahl nach Kriegsende in Deutschland abhalten.
Am Sonntag wird es von Norden her freundlicher. Damit wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.
In Ludwigshafen ist die Bundeswasserstraße Rhein nicht romantisch.
Sein gedankenschweres Haupt mit dem Vollmondgesicht hatte er auf Vogelfedern gebettet.
„Wir obduzieren Ihre Verzweiflung – ab 9,99 €“.
„Solange pro-hessische Separatisten die ehemaligen Ortsteile von Mainz auf dem rechten Rheinufer besetzt halten, fahre ich nicht nach Frankfurt. Kein Fußbreit dem Äppelwoi-Okupantismus!“ (Lupo Laminetti)
Hätten Sie’s gewusst? Das Rhönrad wurde 1925 von Otto Feick in Schönau erfunden. Der Ort liegt, Sie ahnen es bereits, in der Rhön.
Affen haben doppelt so viele Daumen wie wir. Aber es hat ihnen auch nicht geholfen.
Komisch: Bei Kürzungen von Sozialleistungen gibt uns der Staat mit großer Freude „mehr Eigenverantwortung“, lehnt aber gleichzeitig eine höhere Eigenverantwortung im politischen Bereich durch direkte Demokratie (Volksabstimmungen) grundsätzlich ab.
Mein Onkel, den ich nie kennengelernt habe, wurde nur drei Jahre alt. Walter. Ich sehe nur die alte Schwarz-Weiß-Fotografie vor mir: blonde Locken, ein Lächeln. Mein Großvater hatte kein Auto. Er fuhr die fünfzehn Kilometer mit seinem Kind auf dem Fahrrad ins nächste Krankenhaus. Zu spät. Blinddarmentzündung. Erinnerung an das winzige Kindergrab, das ich als Kind oft mit meiner Familie besucht habe. Inzwischen ist der Friedhof aufgelöst worden. Walter Eberling – du bist Teil einer Prozession der Toten, die niemals aufhören wird.
Ja, es gibt sie noch, die Bedürftigen der alten Schule. Mich hat einmal ein distinguierter älterer Herr aus Wien in Berlin-Schöneberg mit solchem Charme und hoher Vollendung um eine bescheidene Summe gebeten - ich hätte ihm fast das ganze Portemonnaie gegeben.
Politiker mag ich schon deswegen nicht, weil sie die Worte „Ja“ und „Nein“ offenbar nie verwenden. Zumindest nicht ohne Einschränkungen oder weitschweifige Erklärungen.
Supermax: Love Machine. https://www.youtube.com/watch?v=68ePU-qvJnI

Montag, 26. September 2016

Perlen der Kommunalpolitik

Die Linke-Ratsfraktion in Flensburg beweist Humor. Die feministische Genderia kann noch über sich selbst lachen – hoffe ich zumindest. Sie hat beantragt, dass „Arbeitsgeräte/-mittel aus allen Arbeitsbereichen der Stadt Flensburg genderneutral bezeichnet“ werden sollen.
Ab jetzt soll es wie folgt heißen: „der/die ScannerIn, der/die ComputerIn, der/die BleistiftanspitzerIn, der/die KopiererIn, der/die StaubsaugerIn, (…) der/die Papierkorb/-körbin, der/die Briefkopf/-köpfin, der/die AbfalleimerIn usw.“
Begründung:
„Es ist im Sinne einer sozial gerechten und antidiskriminerenden Gesellschaft nicht hinzunehmen, dass Nomen, die ein Arbeitsgerät/-mittel bezeichnen, häufig nur mit maskulinen Artikeln gebraucht werden. Dies verlängert die patriarchalische Gewohnheit, dass menschliche, mechanische oder technologische Arbeitsleistung als überwiegend ‚männlich‘ charakterisiert wird.“
Versteh ick nich. Es heißt doch „DIE Putzfrau“.
Dann will ich aber auch mal ein Stück Geschlechtergerechtigkeit. Warum scheint jeden Tag „die Sonne“? Für mich scheint ab jetzt der Sonn. Warum nennen wir unseren Heimatplaneten „die Erde“? Ich lebe auf „der Erd“. Ich esse ab heute auch nicht mehr „die Pizza“ – bei mir kommt jetzt der Pizz auf den Tisch.
Heißt es eigentlich „die Politik“, weil wir Männer nichts mehr zu sagen hätten? Geht jemand auf „die Demonstration“ gegen Bürokratendeutsch, schreibt jemand einen Artikel über „die Sitzung“ in Flensburg, bei der es „die Abstimmung“ über „die Frage“ des Gendergeschwurbels gibt?
P.S.: 1989 kursierte an der Mainzer Uni ein Flugblatt mit der Überschrift „Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder“. DAS Mitglied wurde hemmungslos gegendert, obwohl es den Begriff Gender damals noch gar nicht gab. Ich habe das Flugblatt an die „Titanic“ geschickt, die den Fall dann auch hemmungslos verwurstet hat. Ich war stolz auf die Veröffentlichung, auch wenn ich namentlich nicht genannt wurde. 27 Jahre ist das jetzt her – und es wird nicht besser …
P.P.S.: Mir fehlt das * zwischen Anspitzer und Anspitzerin. Hier werden transsexuelle Arbeitsgeräte eindeutig diskriminiert!

Nachts auf dem Minigolfplatz

„I'm as mad as hell, and I'm not going to take this anymore!“ (Network)
Das Telefon klingelte. Ich fummelte das lästige Ding aus meiner Hosentasche, wo es zwischen zerknüllten Taschentüchern und Kleingeld feststeckte.
„Ja?!“
„Hier ist das Reisebüro Fortuna. Sie können eine Kreuzfahrt in der Karibik gewinnen.“
„Die Abreisewahrscheinlichkeit liegt bei achtzig Prozent“, sagte ich und legte auf. Verfluchte Karibik.
Eine Stunde später stand ich auf dem alten Minigolfplatz draußen vor der Stadt. Es war kalt und es war dunkel.
Er stand an Loch 13. Die Rampe hoch. Habe ich früher mit einem Schlag geschafft.
Langsam schlenderte er auf mich zu und aus der Finsternis tauchte sein schäbiges Grinsen auf.
„Ich bin zu alt für so eine Scheiße“, sagte ich zu ihm. Wer verwendet noch diesen Code am Telefon?
„Yippie Yah Yeah, Schweinebacke.“
Kein guter Start, fand ich. „Du laberst mich an? Du laberst MICH an !?!“
„Wo haben Sie eigentlich gelernt, so zu reden? In Panama-City in einer Du-ficki-ficki-Seemannsbar?“
Ich schlug einfach zu. „Du blutest.“
„Ich habe keine Zeit zum Bluten.“
Wir gingen hinüber zu Loch 8. Eine Zickzackbahn, die man über Bande spielen muss. Habe ich früher mit einem Schlag geschafft.
„Nur seine Feindseligkeit übertrifft noch seine perfekte Struktur“, murmelte Weaver.
Wie lange war das jetzt schon her, dass mich die Agency kontaktiert hatte? „Ihr wollt, dass ich zurückkomme, oder? Zurück auf die alte Straße.“
„Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen.“
„Sprich mit der Hand.“ Diese Sprüche brauchte ich definitiv nicht mehr.
„Du kriegst jetzt meinen letzten Krümel Würde. Guten Appetit!“
Ich sah ihm lange in die Augen. „Wir brauchen einander. Ich habe schon gut zwei Tage nicht gelogen.“
„Ist das wahr?“
„Nein.“
Wir schlenderten weiter zu Loch 5. Die Windmühle hatte drei Eingänge – der mittlere ist der richtige. Habe ich früher mit einem Schlag geschafft.
„Das ist nicht besonders originell, Randy, du enttäuscht mich.“
„Vielleicht liegt das daran, dass ich nicht Randy bin.“
Er packte mich am Kragen meines Trenchcoats und zog mich an sich heran.
„Fass mich nicht an“, schrie ich.
„Ich fass dich nicht an. Ich werd dir bloß den Schädel zertrümmern.“
Ich zog mein Messer und hielt es ihm an die Kehle.
„Weißt du, was mit Luschen passiert, die 'n Messer tragen? Sie werden erschossen."
Und dann drückte er mir einen Revolver gegen die Rippen. „Wir nehmen das Auto, fahren zu meiner Mom, töten Phil, holen Liz ab, fahren ins Winchester, trinken ein schönes kaltes Bier und warten, bis alles vorbei ist. Wenn das keine gute Idee ist, was meinst du?“
„Ich verstehe kein Wort“, antwortete ich, während er mich zu seinem Wagen zerrte.
„Das ist eine sizilianische Botschaft. Sie bedeutet: Luca Brasi liegt jetzt bei den Fischen.“ Sein Blick war leer, sein Gesicht teilnahmslos wie der Mond.
Aus dem Nebel tauchten die Schergen der Agency auf.
Es war Zeit, die Karten endlich auf den Tisch zu legen. „Also gut, ich bin der Messias. Und jetzt: VERPISST EUCH !!!“
P.S.: Was hat das eigentlich alles mit Fluch der Karibik, Mission Impossible, Und täglich grüßt das Murmeltier, Loaded Weapon, Stirb Langsam, Taxi Driver, Besser geht’s nicht, Predator, Alien, Zurück in die Zukunft, Terminator, About A Boy, Scream, Shining, Death Proof, Shaun of the Dead, Der Pate und Das Leben des Brian zu tun?
„Ich dachte, an diesem Punkt nimmt der Text endlich Fahrt auf.“
„Aber dann ist ihm die Luft ausgegangen.“
(Waldorf & Statler)
June Tabor & Oysterband - Love Will Tear Us Apart. https://www.youtube.com/watch?v=eJ-OS4ohLQE

Sonntag, 25. September 2016

Das Rentenspiel

„That's why my girlfriend and I broke up: she wanted kids, and I … (…) I would never bring a kid to this fucking planet.” (Bill Hicks)
Ich erlebe bei Berufstätigen um die fünfzig zwei Phänomene: Resignation und Depression. Manche resignieren und finden ihren Job und ihren Arbeitgeber inzwischen eigentlich ganz gut. In dem Alter gibt es ohnehin keinen Wechsel mehr, also findet man sich mit allem ab. Die weniger Glücklichen erkennen die Falle, den miesen Job, den sie jetzt noch zwanzig Jahre machen müssen, und hadern mit dem Schicksal. Es gibt kein Happy End, sondern nur die zweite Hälfte eines entwürdigenden Marathons. Also reagieren sie mit Depression, Alkoholismus, Burn-Out-Syndrom und Eskapismus.
Wer jetzt fünfzig ist, muss mindestens bis siebzig arbeiten, machen wir uns nichts vor. Der aktuellen Rentenregelung können wir nicht trauen, nach der Bundestagswahl 2017 wird das Möhrenbündel für den Esel etwas weiter vor der Schnauze platziert. Grausamkeiten werden traditionell direkt nach den Wahlen begangen, wenn die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sind. Bis zur nächsten Wahl sind sie längst wieder vergessen.
In den zwanziger Jahren wird das Renteneintrittsalter auf 73 Jahre erhöht, so empfehlen es die Experten der Bundesregierung. Die geburtenstarken Jahrgänge meiner Generation sprengen sonst die Rentenkasse und kannibalisieren die Altersvorsorge ihrer Kinder. Das heißt: Mit fünfzig hat man noch ein knappes Vierteljahrhundert im Job vor sich und die Aufstiegschancen im Regelfall hinter sich. Für viele ist der fünfzigste Geburtstag noch nicht einmal der Halbzeitgong ihres Berufslebens.
Und wieder einmal: Vorteil Andy Bonetti. Dieser Mann geht überhaupt nicht in Rente. Er wird bis zur letzten Druckerpatrone schreiben …
P.S.: Den Abgeordneten des Bundestages, die mit schöner Regelmäßigkeit das Renteneintrittsalter erhöhen, genügen übrigens schon wenige Jahre bis zur Pensionsberechtigung. Am Schweinetrog der Macht sind längst alle Hemmungen gefallen, dort gibt es keine große Koalition mehr, sondern die totale Koalition sämtlicher Politiker aller deutschen Parteien. Angeblich sind die Abgeordneten ja in ihren Entscheidungen nur dem eigenen Gewissen als letzter Instanz unterworfen. Welches Gewissen?!
Fischer Z – Pretty Paracetamol. https://www.youtube.com/watch?v=0ToaPuOr99E

Samstag, 24. September 2016

Worms

„The whole image is that eternal suffering awaits anyone who questions God's infinite love. That's the message we're brought up with, isn't it? Believe or die! Thank you, forgiving Lord, for all those options.“ (Bill Hicks)
Eigentlich ist es ja eine Bildungslücke. Da ist man fünfzig Jahre Rheinhesse und ist immer nur in Mainz, Ingelheim und Bingen. Also habe ich mir auf einer Tagestour einmal die Perlen des Hinterlands angeschaut: Alzey und Worms.
Der Zug, den ich in Gensingen besteige, fährt durch Orte, deren Namen ich noch nie gehört habe. Albig oder Nieder-Flörsheim-Dalsheim, wo ich auf dem mit Brettern vernagelten Bahnhofsgebäude das rätselhafte Graffito „Alle gegen Francesco“ lese. Rebhügel mit Waldmütze.
Alzey hat bis auf ein paar Winkel in der Altstadt mit Fachwerkhäusern und einem Brunnen, aus dem ein lebensgroßes Metallpferd trinkt, wenig zu bieten. Die Stadt nennt sich „die heimliche Hauptstadt Rheinhessens“ – das wird bis auf weiteres auch so bleiben.
In Worms besuche ich zunächst das „Brauhaus Zwölf Apostel“, wo man an diesem Tag im Biergarten in den blitzblauen Himmel blinzeln kann, und stelle fest, dass die Firma Eichbaum immer noch nicht brauen kann. Zuletzt hatte ich diesem Bier in den achtziger Jahren eine Chance gegeben. Sie lernen es einfach nicht.
Hinein in die Altstadt. Worms, die Nibelungenstadt. Hier spielte sich die Heldensage um Siegfried, Kriemhild und Hagen, um Drachen und Schätze ab. Worms, Hauptstadt des Königreichs Burgund und uralter Bischofssitz, von Attila im Hunnenkrieg geplündert, als es Städte wie Berlin, Hamburg oder München noch gar nicht gab.
Ich besichtige den Dom, der im Vergleich zu den beiden anderen Kaiserdomen in Mainz und Speyer prächtig ausgestattet ist. Hier fand der Reichstag zu Worms statt, bei dem Martin Luther vor dem Kaiser 1521 seine Thesen verteidigte. Mit dem Wormser Edikt wurde die Reichsacht über Luther verhängt und seine Schriften verboten. Die zweite Spaltung der christlichen Kirche, etwa fünfhundert Jahre nach dem Schisma (Rom vs. Konstantinopel), war damit besiegelt.
Der „Heilige Sand“ ist der schönste Friedhof, den ich je gesehen habe. Eine versunkene Welt unter ausladenden Baumkronen. Der älteste jüdische Friedhof Europas, manche Gräber sind tausend Jahre alt. Die Grabsteine neuerer Zeit sind auf Deutsch beschriftet. Alexander Sinsheimer: 1824 in Worms geboren, 1912 in New York gestorben, hat sich in seiner Heimat beerdigen lassen. Sannchen Levita, geb. Mandel, 1867 – 1908.
Seltsam: Als die Juden endlich integriert waren – viele traten gleich zum Christentum über wie Tucholsky -, haben ihre deutschen Mitbürger sie ermordet. Eine ältere Dame, begleitet von ihrem hünenhaften Enkel, fragt mich nach dem Sinn der Steine und Zettel auf den Grabsteinen. Ich erkläre ihr den alten jüdischen Brauch (v.a. an den Gräbern des berühmten Talmudgelehrten Rabbi Meir von Rothenburg und von Alexander ben Salomon Wimpfen) und erzähle dem Enkel, dass wir Männer eigentlich eine Kippa tragen müssten. Als sie weitergeht, tupft sie sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Alles Jüdische gibt uns immer noch ein beklemmendes Gefühl oder macht uns zumindest verlegen und stumm.
Der Stadtkern ist im Wesentlichen das Ergebnis des Wiederaufbaus nach dem Krieg, als Zeit, Geld und Phantasie fehlten. Man merkt es bis heute. Zwanzig Minuten haben kurz vor Kriegsende gereicht, um die Altstadt durch einen Luftangriff zu zerstören. Damit wollte man den Starrsinn eines Diktators in Berlin brechen, dem längst alles egal war.
Ich spaziere zum Rhein hinunter. Ein Schablonengraffito auf einer Hauswand: „Achtung Chemtrails“ mit zwei Pfeilen, die in den Himmel zeigen. In einem Brauhaus am Ufer, das von ganzen Busladungen lärmender Rentner belagert wird, beschließe ich den Tag. Deutschland 2016.
Simon & Garfunkel – Scarborough Fair. https://www.youtube.com/watch?v=P9ngGDrDmFU

Freitag, 23. September 2016

Das Zeitalter der Rohstoffkriege

„Mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt 1914 wurden die Sozialdemokraten regierungsfähig, mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt 1999 in Serbien wurden die Grünen regierungsfähig, mit ihrer Bereitschaft zum Kriegseintritt ab 2017 werden die Linken regierungsfähig werden. Wenn sie es wollen. Es wäre der letzte Schritt ins Reich der Mitte.“ (Lupo Laminetti)
Es sollte inzwischen zum Allgemeinwissen gehören, dass unsere amerikanischen Waffenbrüder seit Jahrzehnten im Nahen und Mittleren Osten Krieg um Rohstoffe führen – und nicht zur Durchsetzung von Menschenrechten oder Demokratie. Die Energieversorgung der westlichen Welt hängt nicht nur vom Erdöl, sondern auch vom Erdgas aus dieser Region ab. Im Kolonialismus hat man das ganze Land und seine Bewohner unterjocht, heute reicht es, sich ihre natürlichen Reichtümer unter den Nagel zu reißen.
Leider berichten die Medien nicht über den geopolitischen Hintergrund des Syrienkriegs. In den großen Tageszeitungen und auf deren Internetseiten, im Radio und im Fernsehen wird dem Publikum immer von einer unüberschaubaren Zahl von Kriegsparteien berichtet. Der Krieg scheint kompliziert zu sein – und die Medien machen uns wenig Hoffnung, dass man als Laie aus diesem endlosen Gemetzel jemals schlau werden könnte. Aber es ist eigentlich ganz einfach: Es geht um Geld, um Macht, um Einfluss und um Rohstoffe.
Im Persischen Golf liegt das größte Erdgaslager der Welt, das South-Pars-Gasfeld. Es gehört zu zwei Dritteln Katar, zu einem Drittel Iran. Katar, das wissen wir spätestens seit der absurden Vergabe der Fußball-WM 2022, ist ein Verbündeter des Westens. Die Bundesrepublik hat Waffen im Wert von Milliarden Euro in dieses winzige Land mit seinen etwa 300.000 Einwohnern (ohne Gastarbeiter) exportiert, aber auch die Vereinigten Staaten, Frankreich und Italien machen mit ihren Rüstungskonzernen ein glänzendes Geschäft. Katar investiert im Gegenzug seine Petrodollars im Westen, der Qatar Holding LLC gehören z.B. 14,6 Prozent von VW (Land Niedersachsen: 11,8 Prozent).
Das Erdgas im katarischen Teil des Feldes wird auf 25 Billionen Kubikmeter geschätzt, das sind zwanzig Prozent der weltweit vorhandenen Vorräte. Es geht um sehr viel Geld. Bisher wurde das Erdgas unter hohem Energieaufwand auf -162 Grad Celsius abgekühlt und damit verflüssigt, um es auf Schiffen transportieren zu können. Viel kostengünstiger wäre es, das Erdgas in einer Pipeline nach Europa zu transportieren (China bezieht sein Erdgas in Russland, Indien und im Iran). Dazu gab es zwei alternative Routen: durch den Iran oder durch Syrien. Aus politischen Gründen war eine Route durch das Land des amerikanischen Erzfeindes Iran nicht möglich. Also sollte die Route durch Syrien in die Türkei führen. Der schiitische Herrscher Assad weigerte sich, den Bau zu genehmigen, und unterstützte auf diese Weise seine schiitischen Glaubensbrüder im Iran.
Sie ahnen, wie die Geschichte weitergeht. Uncle Sam und sein Platoon beschließen im Windschatten des „arabischen Frühlings“ einen Regime Change in Syrien. Der Westen unterstützt – wie schon 1979 in Afghanistan – die Feinde seines Feindes. Der IS entsteht mit westlicher Hilfe (v.a. USA und Türkei) und auch der Al Qaida-Ableger, die Al-Nusra-Front, kommt in den Genuss „demokratischer“ Unterstützung mit Waffen und Geld. Assad wird von Russland und dem Iran unterstützt. Russland ist der größte Erdgaslieferant Europas und möchte dieses Geschäft nicht an Katar verlieren, daher das Engagement in diesem Kriegsgebiet. Assads Gegner werden von den USA, Deutschland und anderen westlichen Ländern einschließlich der sunnitischen Verbündeten in der Region unterstützt.
Gerade in diesen Tagen drohte mal wieder eine Feuerpause. Was passiert? Amerikanische Kampfjets bombardieren „aus Versehen“ die syrische Armee, russische Kampfjets bombardieren „aus Versehen“ einen UN-Konvoi mit Nachschub für die Konkurrenz - behaupten zumindest die Amerikaner, die allerdings auch kein Interesse an einer Waffenruhe haben können, da sie ihr Kriegsziel, die Beseitigung der Assad-Regierung, nicht erreicht haben. Der unbedarfte Zeitungsleser fragt sich natürlich, warum während eines Waffenstillstands überhaupt Bomber unterwegs sind. Wären sie am Boden geblieben, hätte es ja auch nicht diese bedauerlichen Missverständnisse gegeben, die etwa achtzig Menschen das Leben gekostet haben. Aber selbst solche einfachen Schlussfolgerungen suchen wir in unseren Medien vergeblich.
Millionen Menschen haben in Syrien und im Irak, dessen Ölfelder längst unter amerikanischer Kontrolle sind, ihr Leben oder ihre Existenz verloren. Aber wer denkt schon an Damaskus, Aleppo oder Bagdad, wenn er an der Zapfsäule seinen Wagen volltankt oder im beginnenden Herbst seine Heizung aufdreht? Für unsere Energieversorgung müssen täglich Menschen sterben. Für den Reichtum der Konzernbosse und der Scheichs werden Existenzen vernichtet. Wir führen seit fünfzehn Jahren angeblich einen „Krieg gegen den Terror“. Falsch. Wir sind der Terror. Und dann fragen wir uns ernsthaft, woher der Hass der Attentäter in Paris oder Brüssel kommt …
Jimi Hendrix - Hey Joe. https://www.youtube.com/watch?v=5eJz0kdOrLw

Donnerstag, 22. September 2016

Bonettis beliebter Blogstuff, Folge 74

„Man soll sein krankes Nierenbecken nicht mit zu kalten Bieren necken. Auch sollte man bei Magenleiden den Wein aus sauren Lagen meiden.“ (Christian Morgenstern)
Andy Bonetti hat das Schreiben nicht in irgendeiner Schule gelernt, sondern auf der Straße, Mann!
Hätten Sie’s gewusst? Der Singular von Tortellini ist Tortellino und auf den Liparischen Inseln ein beliebter Vorname.
Ich hatte auch mal einen Bausparvertrag. Aber dann bin ich ausgestiegen. Du schaffst das auch.
Die meisten Lieder in der modernen Popmusik handeln von den Schwierigkeiten, sich eine ausreichende Befriedigung des Geschlechtstriebs zu verschaffen.
Das schweigende Ehepaar am Nachbartisch im Restaurant. Zwischen ihnen nur die eisige Leere des Weltraums.
Hätten Sie’s gewusst? Der Bonetti-Resonanztransformator wandelt Applaus des Publikums (positive Kommentare, Likes usw.) in Bargeld um. Informieren Sie sich in Ihrem Fachgeschäft über die vielfältigen Möglichkeiten des Geräts. Oder auf „Kiezschreiber Plus“ für nur 9,99 € im Monat!
Heinz Pralinski leitet jetzt die Gruppe „Betreutes Trinken“ der Arbeiterwohlfahrt in Bad Nauheim.
Es gibt die evangelische Atombombe (USA), die katholische (Frankreich), die anglikanische (Großbritannien), die russisch-orthodoxe (Russland), die jüdische (Israel), die konfuzianistisch-pseudosozialistische (China), die hinduistische (Indien), die sunnitische (Pakistan) und bald auch die schiitische Atombombe (Iran). Und wie nennt man den Budenzauber in Nordkorea? Kimmunismus? Eigentlich fehlen ja nur noch der Dalai Lama und die Voodoo-Priester von Haiti.
Es gibt die Redewendung „wie von einem anderen Stern“, aber eigentlich müsste es doch „wie von einem anderen Planeten“ heißen.
Eine Mehrheit möchte in Deutschland die Verschleierung von Frauen verbieten. Aber haben sich die Burka-Verbieter eigentlich mal überlegt, wie man dieses Verbot konkret in Duisburg-Marxloh oder in Berlin-Neukölln umsetzt? Soll die Polizei die Frauen zum Entkleiden zwingen? Was wird auf der Straße passieren, wo eine solche Polizeiaktion passiert? Das Gesetz ist gar nicht in die Praxis umzusetzen.
Die deutschen Exporte stiegen von 340 Mrd. Euro (1991) auf 1195 Mrd. Euro (2015). War vor der Euro-Einführung die D-Mark das Heiligtum der Deutschen, so sind es jetzt die wachsenden Exporte. Jeder Busfahrer darf stolz auf sein Land sein, wenn es mit China um die Exportweltmeisterschaft kämpft, obwohl er selbst doch gar nichts davon hat. Es scheint auch niemanden zu interessieren, dass wir uns nicht nur Freunde in der Welt machen, wenn wir anderen Ländern das Geschäft wegnehmen.
Hätten Sie’s gewusst? Pro Liter Bier werden etwa zehn Cent Biersteuer fällig. Es gibt keine Partei, die gegen diesen Skandal etwas unternehmen will. Eine Zuckersteuer ist gegen die starke Lobby angeblich nicht durchsetzbar. Der ordinäre Rübenbauer gilt in diesem Land offenbar mehr als der ehrliche Brauer.
Soziale Ungleichheit ist nicht unsichtbar. Wir haben RTL. Da werden jeden Tag die Armen in Doku-Soaps als versiffte Messis und streitsüchtige Sozialkrüppel denunziert, während die Prunksucht von ein paar durchgeknallten Neureichen medial in Szene gesetzt wird. Die Armen werden hämisch ausgelacht, die Reichen bewundert. Was wollt Ihr noch?
Yes - South Side Of The Sky. https://www.youtube.com/watch?v=3TdhZscQu_M

Mittwoch, 21. September 2016

Bajuwarische Leitkultur

„Den meisten Deutschen ist es doch lieber, wenn junge Deutsche mit einem ordentlichen Kurzhaarschnitt den Stadtpark kopftuchfrei halten, als wenn da Langhaarige Haschisch rauchen.“ (Volker Pispers)
Der CSU schwurbelt schon seit einiger Zeit der Begriff "Leitkultur" in den rotgeschwollenen Birnen herum. Mit „Leit“ sind aber nicht die Leit, also die Leute, gemeint, sondern die Leitung. Und die führt nicht zum Zapfhahn auf dem Oktoberfest, sondern ganz nach oben. Wo die Leiter sitzen. Und da sind wir in Bayern wieder bei der CSU.
Die hat sich unlängst auf eine bajuwarische Leitkultur festgelegt. „Die vorherrschenden Umgangsformen, Sitten und Gebräuche, die im Einklang mit Recht und Gesetz stehen, sind zu respektieren“, formuliert das bayerische Sozialministerium. Schön, dass wenigstens die Rechtsprechung der Leitkultur im Voralpenraum Grenzen setzt, womit das Angrabschen von Frauen in Bierzelten und das Verprügeln auswärtiger Fußballfans offenbar nicht dazugehört.
„Ganz Bayern ist geformt von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen“, heißt es in der Präambel zu einem Gesetzentwurf der Staatsregierung in München. Ein Afrikaner in der Lederhose, das wäre für Josef Zellmeier, CSU-Abgeordneter aus Straubing, ein Beispiel für eine gelungene Integration in die bayerische Leitkultur. Dirndl statt Burka. Volksmusik statt Buschtrommeln. Schweinebraten statt Hammelkeule. So einfach ist das.
Lieber Marek, liebe Ayse, macht einfach alles so wie eine traditionsselige Minderheit von konservativen Bayern es will. Dann kann nix schiefgehen. Integration heißt Anpassung. Eigentlich heißt es Unterwerfung. Und wer als Muslim oder gar als muslimischer Veganer oder – hier setzt bei Seehofer und Söder aber bereits die Schnappatmung ein – als strenggläubiger muslimischer Veganer den Schweinebraten und die Maß Bier verweigert, muss sich nicht wundern, wenn’s mit dem Asylantrag nicht klappen wird.
Vorbildlich integriert in diesem Sinne ist Django Asül. Der Kabarettist, der längst auch bei den Traditionsveranstaltungen wie dem Maibockanstich im Münchner Hofbräuhaus vor den CSU-Granden im Trachtenjanker auftritt und den bayerischen Dialekt akzentfrei spricht, gilt allgemein, obwohl er seit seiner Geburt in Bayern lebt, als gut integrierter Türke. Mehr nicht. Ein Bayer wird er bis zu seinem Tode nie werden.
Wer von uns möchte unter einer solchen Leitkultur leben? Und ist es nicht eigentlich eine Frechheit, angesichts dieses primitiven Eingeborenenkults, wo man sich schreiend auf die Schenkel klopft und sich Gamsbärte an alberne Hüte bindet, überhaupt von Kultur zu sprechen?
P.S.: Was die CSU in Sachen Leitkultur in ihren Gauen leistet, vollbringt die AfD im Rest der Reichs: Sie verbreitet völkische Behaglichkeit. Ist Deutschland nicht der natürliche Hegemon (griechisch: Führer – sic!) Kontinentaleuropas seit dem Untergang des römischen Imperiums? Und selbst auf den britischen Inseln vor den Küsten unseres Herrschaftsbezirks, die einst von den germanischen Stämmen der Sachsen und Angeln erobert wurden, herrscht die Royal Family aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha (seit 1917: Windsor). Wir sind wieder wer, sagt die AfD. Viele hören das gerne.
Jasper Van't Hof - Pili Pili. https://www.youtube.com/watch?v=butTVsxTv-0
Berichterstattung zu Rechtsextremismus
Der Kiezschreiber berichtet in der Regel nicht über Rechtsextremismus, um keinen Anreiz zur Nachahmung zu geben – außer Rechtsextreme wie Fast-Doktor Scheuer erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.
Wenn Sie selbst rechtsextrem sind, populistische und fremdenfeindliche Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de).
Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Dienstag, 20. September 2016

Wahlanalyse, Teil 2

Wahllokal 606, Charlottenburg-Wilmersdorf
Prager Straße 12
Wahlbeteiligung 51,7%
1. SPD 23,9% 154 Stimmen
2. CDU 18,3% 118 Stimmen
3. Grüne 16,9% 109 Stimmen
4. FDP 11,9% 77 Stimmen
5. AfD 11,3% 73 Stimmen
6. Linke 10,2% 66 Stimmen
7. Tierschutzpartei 1,9% 12 Stimmen
8. Die Partei 1,2% 8 Stimmen
9. Piraten 1,2% 8 Stimmen
10. Graue Panther 1,1% 7 Stimmen
11. Alfa 0,9% 6 Stimmen
12. Gesundheitsforsch. 0,6% 4 Stimmen
13. Menschliche Welt 0,3% 2 Stimmen
14. PSG 0,2% 1 Stimmen
Frage 1: Von wem stammt die andere Stimme für eine menschliche Welt in meiner Nachbarschaft?
Frage 2: Was ist am Birnbaumring 81 los? Wahllokal 201, Pankow. AfD klar die Nr. 1 mit 37 Prozent, auf Platz 2 die Linken mit 17 Prozent, von den „Volksparteien“ will ich hier gar nicht erst anfangen. Ein gemütliches Viertel mit Einfamilienhäusern am Stadtrand. Ist hier 1995 mal ein Senegalese gesichtet worden?
Anmerkung 1: Wenigstens in der Auerbachstraße 7, im Villenviertel am Grunewald, ist die Welt noch in Ordnung: mit 24 Prozent liegt die FDP auf Platz 1. Eat this, elendes Mieterpack …
Anmerkung 2: Im Wrangelkiez, Görlitzerstraße, der 1991 zu meinem Berlin-Starter-Set gehört hat, liegt DIE PARTEI mit über sieben Prozent klar vor der CDU mit 3,4, Prozent.
Anmerkung 3: Der rechte Rand Berlins ist wirklich rechts.
Dazu richtige Arschlochmusik: Wolfsheim - The Sparrows And The Nightingales. https://www.youtube.com/watch?v=1q7s5fdgbng

Come into my life – The Schulden-Ding

„Für einen Staatsmann ist nur das wahr, was für ihn nützlich ist.“ (Die Rebellen vom Liang Shan Po)
Eine der größten Lügen im Bereich der Wirtschaftspolitik ist die Behauptung, kommende Generationen müssten für unsere aktuellen Schulden aufkommen. Das ist falsch. Schulden werden, gerade im Fall der Bundesrepublik Deutschland, zurückgezahlt. Aktuell sogar ohne Zinsen. Und falls die Schulden nicht mehr zurückgezahlt werden können, ist der Gläubiger der Dumme, nicht irgendeine „Generation“. Schulden werden bei einer konkreten natürlichen oder juristischen Person wie einem Menschen oder einer Bank aufgenommen. Diese Person geht ein überschaubares Risiko ein. Punkt. Geht tatsächlich mal ein Staat oder wer auch immer pleite, sitzt keine Generation im Schuldturm. Das gab es in der Vergangenheit schon öfter. Immer cool bleiben. Sehen Sie sich die Staatsschulden von den Vereinigten Staaten, Griechenland oder Japan an. Unsere Schulden sind gar nichts dagegen. Wenn wir an diesem Punkt sind, können wir uns gerne noch einmal unterhalten.
„Der Deutsche gleicht dem Sklaven, der seinem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick. Die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele; schlimmer als die materielle Sklaverei ist die spiritualisierte. Man muss die Deutschen von innen befreien, von außen hilft nichts.“ (Heinrich Heine)
Clout - Save Me. https://www.youtube.com/watch?v=Cj6DV3JEv-I

Montag, 19. September 2016

Blogstuff 73 – Der Club der einsamen Scherze

„All humans are vermin in the eyes of Morbo!” (Morbo the Annihilator)
Nur mal so für’s Protokoll, wir wissen es ja ohnehin alle: Wir haben bei der Bundestagswahl 2017 die Wahl zwischen den Kandidaten Merkel und Gabriel. Also zwischen Großer Koalition und Großer Koalition. Am Ende werden wir wieder eine Große Koalition haben, zum dritten Mal. Und dann wundert man sich in den Elfenbeintürmen der Redaktionen und Parteien wieder einmal über die Politikverdrossenheit der Bürger. Eine Kantine, die mich jeden Tag vor die Wahl stellt, entweder Königsberger Klopse oder Klopsige Königsberger zu essen, würde ich auch nicht mehr besuchen.
Aktuelles Wahlergebnis der ehemaligen „Volksparteien“ in Berlin: SPD und CDU erzielen beide ihr jeweils schlechtestes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg, zusammen kommen sie nicht mal auf vierzig Prozent. 1948 kam die SPD mit Ernst Reuter noch auf 64,5 Prozent, 1963 mit Willy Brandt noch einmal über sechzig Prozent, die CDU kam 1981 mit Richard von Weizsäcker auf 48 Prozent, ihr bis heute bestes Ergebnis.
Manche Freunde und Kollegen sind wie Zugvögel. Sobald das Wetter schlechter wird, sind sie plötzlich verschwunden.
Bei Mafia-Treffen muss man seine Knarre am Eingang abgeben, bei Bonetti Final Solutions muss man morgens sein Smartphone abgeben. Eines der vielen Erfolgsgeheimnisse des Unternehmens.
Man lernt die Leute ja erst dann richtig kennen, wenn mal was nicht klappt. Ein satter Löwe lässt sich auch streicheln, kein Problem. Bei einer Foto-Safari durch die Serengeti fährt der Kleinbus bis auf drei Meter an die vollgefressenen Viecher heran, ohne dass sie auch nur böse gucken würden. So betrachtet ist der Deutsche doch – zumindest Teile dieses Stammes – immer noch gefährlich, wenn man die Diskussionen um Flüchtlinge und ihre fremdländische Bekleidung verfolgt. Dabei ist ja noch nicht mal was schief gegangen. Es besteht nur die Möglichkeit, dass die Integration der Neuankömmlinge scheitert.
Andy Bonetti, Johnny Malta, Heinz Pralinski und Lupo Laminetti treten übrigens mit ihrem Stück „Mr. Sandman“ bei der nächsten Barber Shop Olympiade erstmals als Quartett auf.
Hätten Sie’s gewusst? Mr. Sandman ist in Wirklichkeit Andy Bonetti. Damit ist auch dieses Geheimnis gelöst.
Im Anschluss singt der Gefangenenchor der hessischen Volksbefreiungsarmee.
In eigener Sache: „Kiezschreiber“ geht demnächst auch als Printversion „an den Markt“. Es werden zunächst halbjährlich zehn Exemplare mit ausgewählten Ergüssen ausgedruckt und handsigniert. Der Kaufpreis beträgt tausend Euro oder nach Absprache.
Es gibt bei Bonetti Media keinen Etat zur Unterstützung von Mitarbeitern in finanziellen Notlagen, aber einen Etat für Kränze bei Beerdigungen.
Als AfD-Wähler muss ich „Raumschiff Enterprise“ ablehnen. Ein Jude spielt einen halb-vulkanischen Bastard. Wo kommen wir denn da hin?
Andy Bonetti ist der liebste Mensch der Welt – zwischen zwei Zornausbrüchen.
Es ist so furchtbar: Du sitzt mit vielen Leuten an einem Tisch im Garten und erzählst eine wunderbare Geschichte aus deinem letzten Urlaub. Pulitzerpreisverdächtig formulierst du jedes Detail, aber du verlierst mit jedem Augenblick einen Zuhörer, weil ein Baby schreit, ein Smartphone wimmert oder die Steaks auf dem Grill gewendet werden müssen. Am Ende sehe ich in die großen dunkelblauen Augen von Mara, sie ist acht Jahre alt – und der letzte Mensch auf dieser Welt, der mir noch zuhört.
Fußnote: Bei Michael Schumachers erstem Formel 1-Grand Prix in Spa-Franchorchamps vor 25 Jahren war ich live dabei. Ich stand mit meinen Freunden allerdings in der Pouhon-Kurve. Daher sah ich ihn nur in der Einführungsrunde, Schumachers Auto krepierte schon in Eau Rouge, so dass ich ihn im Rennen nicht gesehen habe. Senna holte sich den Sieg und wir feierten.
P.S.: Die Partei „Menschliche Welt“ erhielt 462 Stimmen in Tempelhof-Schöneberg und 375 in Charlottenburg-Wilmersdorf, insgesamt also 837 in ganz Berlin. Das sind die Yoga-Bezirke! In den uncoolen Bezirken wie Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow ist sie erst gar nicht angetreten.
David Bowie - God Only Knows. https://www.youtube.com/watch?v=HOadV_CPT_k

Sonntag, 18. September 2016

Der Sommer ist vorbei


v.l.n.r.: Johnny Malta, Heinz Pralinski.
Righeira - Vamos a la playa. https://www.youtube.com/watch?v=sTsVJ1PsnMs

Ganz Berlin ist ein Gedicht

Seit ich dich kenne, hab ich das Gefühl
Ich bin ganz allein im Stadtgewühl

Seit ich dich kenne, denke ich beim Laufen
An täglich 55 Tonnen Hundehaufen

Seit ich dich kenne, ist der Sumpf mein Leben
Seh ich Politiker nach Pöstchen streben

Seit ich dich kenne, werde ich nicht schlau
Aus dieser Sache mit dem Mauerbau

Seit ich dich kenne, ist „besetzt“ ein Wort
Für ein ganzes Haus, nicht nur den Abort

Seit ich dich kenne, denk ich an den Henker
Seh ich verzerrte Fressen überm Fahrradlenker

Seit ich dich kenne, will ich ewig leben
Um am BER einmal abzuheben

Samstag, 17. September 2016

Einigkeit und Recht und Freiheit

„Man kann auch unser Leben auffassen als eine unnützerweise störende Episode in der seeligen Ruhe des Nichts. (…) Um allezeit einen sichern Kompaß, zur Orientirung im Leben, bei der Hand zu haben, (…) ist nichts tauglicher, als daß man sich angewöhne, diese Welt zu betrachten als einen Ort der Buße, also gleichsam als eine Strafanstalt (…). Hat man jene Gewohnheit angenommen; so wird man seine Erwartungen vom Leben so stellen, wie sie der Sache angemessen sind, und demnach die Widerwärtigkeiten, Leiden, Plagen und Noth desselben, im Großen und im Kleinen, nicht mehr als etwas Regelwidriges und Unerwartetes ansehn, sondern ganz in der Ordnung finden. Zu den Uebeln einer Strafanstalt gehört denn auch die Gesellschaft, welche man daselbst antrifft. (…) Der schönen Seele nun gar, wie auch dem Genie, mag bisweilen darin zu Muthe seyn, wie einem edlen Strafgefangenen, auf der Galeere, unter gemeinen Verbrechern.“ (Arthur Schopenhauer: Nachträge zur Lehre vom Leiden der Welt)
Wir saßen während der Fußball-WM 2014 vor der Glotze und es kamen mal wieder die zeitraubenden Nationalhymnen, während wir auf den Anpfiff des Länderspiels der DFB-Auswahl warteten. Ich sagte, dass ich sehr gut auf die ganzen Hymnen, den Einmarsch der Mannschaften an der Hand von Kindern und den Rest der Vulgärrituale eines großen Turniers verzichten könnte. Wir wollen doch einfach nur Fußball sehen und nicht – wie im Kino – eine enervierende Vorschau.
Tino sagte in diesem Moment ganz lakonisch, er hätte die deutsche Hymne schon einmal gesungen. Was? Die Hymne gesungen? Niemand in unserem Dorf würde auf die Idee kommen, vor einem Länderspiel die deutsche Hymne zu singen. Ich kenne Tino seit meinen Kindertagen. Also fragte ich ihn, wie er dazu kam, die deutsche Nationalhymne zu singen.
Tino erzählte, er hätte bis 2013 keine deutsche Staatsbürgerschaft gehabt. Obwohl er in unserem Dorf aufgewachsen ist. Obwohl er den örtlichen Dialekt besser spricht als ich. Obwohl er eine deutsche Frau geheiratet hat und mit ihr aktuell zwei Kinder aufzieht. Aber er hätte eben aus Gründen der Wehrdienstverweigerung die deutsche Staatsangehörigkeit vermieden und gegenüber dem italienischen Heimatland seiner Eltern den deutschen Wohnort geltend gemacht. Aber jenseits der vierzig wollte er die Sache doch endlich mal klar machen, denn er würde Schweppenhausen vermutlich ohnehin nicht mehr verlassen.
Und so beantragte er die deutsche Staatsbürgerschaft nach vierzig Jahren Hunsrück, machte den Staatsbürgerschaftstest, bekam die Urkunde und musste am Ende – als einziger Schweppenhäuser, den ich kenne – die deutsche Hymne im Angesicht der deutschen Flagge singen. Ich hätte ja gekotzt. Wie heißt der Bundespräsident? Gaukler? Schmaukler? Wie viele Bundesländer gibt es? Vermutlich Dutzende. Nennen Sie ein deutsches Grundrecht! Selbstgefälligkeit? In Spanien einen auf dicke Hose machen?
Soulful Dynamics - Mademoiselle Ninette. https://www.youtube.com/watch?v=79XU8Vg7eSQ

Donnerstag, 15. September 2016

Die Identitären

Von den „Identitären“ habe ich erst neulich zum ersten Mal gehört. Da hat mir ein Freund von einer Demo der Identitären in Berlin erzählt und ich musste erst einmal fragen, was denn das für eine Gruppe ist. Der Name ist ja an sich schon mal extrem bescheuert. Wer würde eine Band oder eine Partei oder eine Fußballmannschaft so nennen wollen? Da muss man doch unwillkürlich lachen.
Dann habe ich die Vögel von den „Identitären“ gegoogelt. Auf ihrer Internetseite wird jetzt gerade der 333. Jahrestag der Belagerung Wiens durch die Türken diskutiert. Der Vergleich mit den Kriegsflüchtlingen auf der Balkanroute wird gezogen. Das osmanische Heer des mächtigen Sultans und das Lumpenproletariat aus den Kriegsgebieten – jetzt begreife ich die Analogie auch. Beim Asylantrag sind die Belagerungsmaschinen aber plötzlich verschwunden. Diese Schlawiner. Unter der Burka lauern Kettenhemd und Krummschwert. Aufgepasst, Lüneburg!
Neulich sind die „Identitären“ aufs Brandenburger Tor geklettert. Das haben sie von Greenpeace gelernt. Die klettern auch immer irgendwo drauf und zeigen ein Protestplakat. Und wir wissen ja, dass diese Aktionen, die man für zehn Sekunden in der Tagesschau sieht, immer extrem hilfreich sind. Die – man kann den Namen so schlecht aussprechen – also die Klugscheißer unter den Rechtsradikalen erzählen auch was von Reconquista. Was genau müssen wir in Deutschland zurückerobern?
Und manche Sachen kapiere ich einfach nicht: „Die Bruchlinien zwischen Anapher, Allegorie und Antiphrase begleiten uns alle unterbewusst und unbewusst durch unseren Alltag“, heißt es auf der Homepage der Identitären. Sorry, ist mir zu hoch. Ist das eine Art Burschenschaft von durchgeknallten Germanisten? Wenn diese Menschen ihre eigene Identität bewahren wollen, warum belästigen sie uns damit? In meiner Jugend nannte man diese „feschen“ Wichtigtuer aus besseren Kreisen „Popper“.

Nur Verlierer überfallen eine Bank

„Die Zerschlagung des Staates heißt jetzt Privatisierung.“ (Matthias Beltz)
Wieso überfallen „the filthy rich“ eigentlich keine Bank? Sie haben es nicht nötig. Weil sie so viel Geld verdienen oder geerbt haben? Nein. Die Reichen dieser Welt lassen sich das Geld drucken. Warum eine Bank überfallen, wenn man das Geld selbst drucken kann?
Hatten Sie nicht auch mal die Idee, sich das Geld einfach auszudrucken oder im Kopierer zu vervielfältigen? Die Reichen dieser Welt hatten die gleiche Idee. Als das Wirtschaftswachstum nach dem Boom der neunziger Jahre abflachte, als die Dividende für die Sieger des Kalten Krieges im ehemaligen Ostblock eingefahren war, überlegten sie sich, was das nächste große Ding sein könnte.
Die Antwort: Wir weiten die Geldmenge aus, schnappen uns die Kohle und erobern damit locker den Rest des Planeten. Wir kaufen ihn einfach auf! Zunächst wurde die Geldmenge ganz klassisch über Privatbanken ausgeweitet, die über die Vergabe von Krediten mehr Geld erschufen. Die Nummer ist 2008 mit dem Untergang der Lehman Brothers endgültig geplatzt. Die US-Banken hatten Hypothekenkredite in astronomischer Höhe vergeben, den ganzen Schrott weltweit verhökert und die Kontrolle verloren („Subprime-Krise“).
Dann kam man auf eine viel bessere Idee: Lasst uns die Geldmenge über die staatlichen Zentralbanken vermehren – und über staatliche Schulden. Damit die Regierungen mitmachen, hat man Ihnen die Kredite zum Nulltarif versprochen. Daher sind die Zinsen jetzt auf null oder darunter und die Geldmenge ist explodiert. Alle profitieren davon: Staaten, Hedge-Fonds, Banken, Investoren, Unternehmen … - okay, nicht alle. Sie, geschätzter Leser, profitieren davon nicht.
Betrug die Geldmenge M3 der Europäischen Zentralbank zur Jahrtausendwende noch 4.715 Milliarden Euro, waren es im Juni 2016 schon 11.174 Milliarden. In den USA wird die Geldmenge M3 seit 2006 nicht mehr offiziell angegeben, laut Shadowstats liegt sie bei etwa 17.000 Milliarden Dollar, sie hat sich seit dem Jahrtausendwechsel mehr als verdreifacht. Die Staatsschulden liegen bei knapp 20.000 Milliarden Dollar. Verdreifachen Sie diese Staatsschulden und Sie haben die gesamten amerikanischen Schulden bis hinunter zum Schuhverkäufer, der gerade seinen Dodge in Raten abstottert.
Da draußen ist eine Menge Geld unterwegs. Jedem Euro und jedem Dollar Schulden steht ein Gläubiger gegenüber, dem dieser Euro oder dieser Dollar gehört. Mit diesem Geld wird gerade die ganze Welt gekauft. In Ihrer Nachbarschaft steigen die Immobilienpreise? Norweger und Russen kaufen sich in Ihr Viertel ein? So funktioniert das Geschäft.
Geld ist nicht mehr an Profite aus Unternehmen gebunden. Der Turbokapitalismus zündet die nächste Stufe: der pure Stoff. Geld. Cash. Es wird gedruckt, um die Welt zu beherrschen. Kapitalismus 4.0. Wer klug ist, arbeitet nicht. Auf welcher Seite des Spielfelds sind Sie?
Ultravox – A Friend I Call Desire. https://www.youtube.com/watch?v=w9qxb6PWqks

Mittwoch, 14. September 2016

Was die Welt bewegt

Jetzt meckern wieder alle, weil sich Franz „Die Lichtgestalt“ Beckenbauer bei der WM 2006 die Taschen vollgemacht hat. Aber es machen sich beim Fußball doch alle die Taschen voll, sie stopfen sich so viele Bargeldbündel in den Anzug und in die Hosentaschen, bis sie platzen. Das ist gut, denn die Gier ist der Treibstoff des Systems. Gier ist das Blut, das in unseren Adern fließt. Glauben Sie im Ernst, die Krankenschwester steht morgens auf, weil sie der Altruismus ins Altersheim treibt? Ohne Geld bleibt die genauso liegen wie Sie! Wachstum ist das Crystal Meth unserer Zeit: mehr Geld, mehr Gier, mehr Aufregung, mehr Umsatz, mehr Wachstum, mehr Krieg, mehr Terror, mehr Zucker, mehr Krebs, mehr Genitalrasuren, mehr Fußball … - ja, da sind wir ja schon wieder beim Franz. Ich freue mich auf einen Abend mit den Champions League-Begegnungen Manchester Money gegen Kies Krakau und Monsanto Leverkusen gegen Zaster Moskau.
Werbung: „Kabul-Krause – exklusive Berichte vom Bundeswehreinsatz in Afghanistan“. Ab morgen in Bonetti Plus – das Eventmagazin. Kaufen!!! *schnaub*

Dienstag, 13. September 2016

Punk und Porzellan

„Wie kannst du hoffen, (…) die Schönheit einer alten Frau aus Tarasco, die um sieben Uhr morgens Domino spielt, zu begreifen, wenn du nicht so trinkst wie ich?“ (Malcolm Lowry: Unter dem Vulkan)
Ich träume, ich wäre als Schriftsteller zu einem Punkkonzert eingeladen worden, um für das Fanzine der Punkerszene Texte zu schreiben. Es soll ein Online-Fanzine werden und natürlich gibt es jede Menge Filme, in denen die Bands oder die Fans zu sehen sind. Musik, Kommentare, Quatsch, jede Menge Material, das ich auf dem Notebook des Veranstalters anklicken kann. Roh und ungeschnitten. Es sollen aber auch ein paar klassische Texte entstehen.
Es ist der Morgen danach oder besser der Nachmittag danach. Ich liege in meinem Schlafsack zwischen Unmengen von Technik, Kabeln, Computern und Boxen. Ich habe ein großes Notizheft aufgeschlagen und einen Stift in der Hand. Bei mir sind der Veranstalter und der Mann vom Mischpult, der in der Nacht auch DJ war, nachdem alle Bands gespielt hatten. Der Veranstalter ist ein großer, dicker und gemütlicher Kerl mit kurzen, knallgelb gefärbten Haaren, der mir alles erklärt. Der andere ist ein alter Schulfreund aus Ingelheim, der früher wirklich DJ war und heute für einen Radiosender in Berlin arbeitet.
Der Veranstalter sagt, man hätte kein Geld für die Absperrung des Geländes, Personal oder das Drucken von Eintrittskarten gehabt. Die Punks würden sich sowieso nicht an Absperrungen oder Eintrittskarten halten. Das hätte einfach keinen Zweck, also war das Konzert gratis. Er zeigte auf das Festivalgelände und sagte, die Wiese würde dem Vater eines Schlagzeugers gehören, der mit seiner Band dabei war. Der Vater sei Bauer und habe das Gelände kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Stromversorgung würde über den alten Mercedes-Diesel des Veranstalters laufen. Ich sehe den Wagen in einiger Entfernung mit offener Motorhaube stehen. Ein paar Kabel führen in den Motorraum und verbinden sich auf dem Boden zu einem armdicken Kabelstrang, der quer übers Gelände zum Mischpult führt. Die Bühne besteht aus Euro-Paletten, die man nebeneinander gelegt hat.
Ich mache mir Notizen, während der Veranstalter mit mir spricht und der Techniker mit irgendwelchen Geräten beschäftigt ist. Mein erster Text handelt von einer Kaffeetasse, weil wir alle gerade Kaffee trinken und es naheliegend ist. Auch ein Punker braucht eine Kaffeetasse, schreibe ich, auch wenn das spießig klingen mag. Gerade der Punk käme ohne Kaffeetasse gar nicht aus, denn er verausgabt sich bei einem Konzert total, säuft ohne Ende und bräuchte daher am nächsten Morgen auch unbedingt eine Tasse Kaffee. Mehr als andere Menschen. Ein Punkkonzert sei ohne Kaffeetassen also praktisch gar nicht vorstellbar. Ich bin mir unsicher, ob der erste Text wirklich gut ist. Daher schaue ich mir ein paar Videos an, denn meine eigenen Erinnerungen an das Konzert sind extrem dunkel und verschwommen, weil ich mitgemacht und einiges getrunken habe. Der Veranstalter liest meinen ersten Text und grinst. Er findet ihn gut und fände es toll, wenn ich noch mehr schreiben könnte.
P.S.: Jetzt werden Sie natürlich wissen wollen, welche Bands bei meinem Traumkonzert gespielt haben. Aber ich kann mich an keine Namen erinnern. Vielleicht „Patty La Belle & The Monotones“ oder „Die Serengeti in dir“?
Boxhamsters - Es regnet. https://www.youtube.com/watch?v=ije7NYrV0Wk
Mehr Punk & Porzellan-Content:
http://diezeitensindvorbei.blogspot.de/2016/09/kinder-auf-kaffee.html

Montag, 12. September 2016

Interna

Bei Bonetti Media unterschreibt jeder Mitarbeiter eine Vereinbarung, dass keine Informationen nach außen dringen. Es drohen hohe Strafzahlungen. Niemand darf erfahren, wie es im Inneren des Unternehmens aussieht und was dort passiert.
Jeder trägt ein dunkelrotes T-Shirt mit einem weißen B auf der Brust.
Besprechungen mit Bonetti finden in einem Raum aus Glaswänden statt, der „Aquarium“ genannt wird. Es heißt, das Glas sei kugelsicher. Dort hält Bonetti Hof.
Man feiert hier keine Geburtstage, sondern den „Bonettiversary“, den Jahrestag seiner Einstellung. Dann bekommt man Geschenke von Kollegen und der Geschäftsleitung.
Die ersten sechs Wochen im Unternehmen sind ein Bootcamp, es ist wie beim Militär. Man wird auf die Unternehmensphilosophie eingeschworen und die Arbeitskultur bei Bonetti Media.
Häufig wird an sieben Tagen die Woche gearbeitet. Es gibt aber feste Besuchszeiten für die eigene Familie. Erwartet werden mindestens zwei Seiten Text pro Tag.
Es gibt eine eigene Posterpresse bei Bonetti Media. In den Gängen hängen Plakate mit Aufschriften wie „Sei anders“, „Wir schaffen das“ oder „Jeder Tag ist Kampftag“.
Neben dem Grundgehalt (Hartz IV-Satz) gibt es Boni und Unternehmensanteile.
Ziel des Unternehmens ist es, dass alle Menschen auf der Welt nur noch Bonetti lesen. Alle anderen Medienunternehmen sind die natürlichen Feinde von Bonetti Media und müssen eliminiert werden.
So wie Airbnb die Hotels überflüssig machen will und Uber die Taxis, will Bonetti die Konkurrenz im Mediensektor überflüssig machen. Alle Informationen, die der Mensch benötigt, aus einer Hand: Bonetti Media.
Die Inhalte, die Bonetti Media produziert, funktionieren wie eine Echokammer. Der Leser fühlt sich jeden Tag bestätigt. Deswegen gibt es spezielle Inhalte für alle Gruppen. Wer zum Beispiel einen Bonetti-Krimi kauft, bekommt weitere Krimis geliefert, wer Sportinformationen anklickt, bekommt weitere Informationen aus diesem Bereich angeboten.
Bonetti – das ist legales Crack. So lautet das Motto der Unternehmensleitung.
http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2016-09/facebook-bericht-insider-hack-antonio-garcia-martinez-chaos-monkey/komplettansicht

Das ist ein Überfall! Legen Sie sich auf den Boden vor Ihrem PC!

Sie haben ja doch geblinzelt. Für die Mutigen gibt es jetzt:

Blogstuff 70
„Am meisten halte ich davon, wenn man nach einem Buch ganz erledigt ist und sich wünscht, dass man mit dem Autor, der es geschrieben hat, nah befreundet wäre und dass man ihn antelefonieren könnte, wenn man Lust dazu hätte." (J. D. Salinger: Der Fänger im Roggen)
Zwei Kinder mit vollkommen identischer Kleidung laufen Hand in Hand über eine Wiese auf den Wald zu. Unser Blick geht über das Laubmeer hinauf zum Himmel, der fast weiß vor Hitze ist. Mehr ist heute nicht zu berichten.
Als Verkäufer in einer renommierten Düsseldorfer Gemäldegalerie habe ich gelernt, dass man mit jedem Arschkratzen und dem anschließenden Riechen an den Fingern ein wenig vom Vertrauen der Kundschaft verliert.
Die vier großen B beherrschen den deutschen Medienmarkt: Bertelsmann, Burda, Bonetti – und Bringer („BILD“).
Was sagt man dazu? In Berlin sollen sich an der Gedächtniskirche zum selben Zeitpunkt zwei Taschendiebe gegenseitig bestohlen haben.
Wie hoch ist eine „gesalzene Rechnung“? Wie hoch ist ein Preis, „der sich gewaschen hat“? Wie viel Geld muss ich besitzen, um für „steinreich“ gehalten zu werden? Zwieback ist gut, Zwielicht und Zwietracht sind schlecht.
Kennen Sie die „ostpreußische Ananas“? So wurde im Kaiserreich die Steckrübe bezeichnet, die eigentlich als Schweinefutter angebaut wird, in Notzeiten aber auch der Bevölkerung als Nahrung diente (Krieg, Missernte). Überraschen Sie Ihre Familie doch mal mit einem Steckrübeneintopf nach altem deutschem Rezept!
Altersarmut? Was ist mit dem Erinnerungsvermögen?
Wir sitzen nicht alle im gleichen Boot, aber wir sind alle mit dem gleichen Kreuzfahrtschiff unterwegs. Die einen schuften im Maschinenraum, die anderen sitzen auf dem Sonnendeck. Das Boot ist auch nicht voll, nur in der ersten Klasse ist kein Platz mehr.
„Kollege“, das ist der Gastarbeiterslang meiner Kindheit, in dem sich die kühle Oberflächlichkeit der deutschen Alltagssprache spiegelt. Deswegen nenne ich andere Blogger gerne Kollege.
Als ich einmal im Berliner Zoologischen Garten in aller Ruhe auf einer Bank saß und auf die Fütterung der Affen wartete, setzte sich eine ältere Dame neben mich. Sehr gepflegt, gut aussehend, um die sechzig. Ich war mir sicher oder glaubte zumindest, meiner Eingebung trauen zu können, dass es sich bei ihr um eine reiche Unternehmerwitwe handelte, die einen neuen Lebensgefährten suchte. Höflich antwortete ich, als sie mich ansprach, plauderte einige Minuten mit ihr, erhob mich aber alsbald und ging davon. Was wäre aus meinem Leben geworden, wenn ich sie näher kennengelernt hätte? Würde ich jetzt in einer Villa im Grunewald sitzen, statt in diesem kleinen Arbeitszimmer in Schweppenhausen, wo es nur zwei Meter vom Schreibtisch zum Bett und zurück sind?
Das Ritual hat etwas Religiöses und es wirkt wie ein Talisman in Kindertagen. Bevor das Flugzeug abhebt, erklärt uns eine schöne Frau mit selbstsicherem Lächeln die Sicherheitsmaßnahmen. Die beruhigende Stimme kommt von oben, wir können keinen Sprecher erkennen. Ein solchermaßen gesegnetes und von magischen Kräften geschütztes Luftfahrzeug kann gar nicht abstürzen.
Ich glaube, wir sind immer noch sauer auf die Ausländer, weil wir gegen Ausländer den Krieg verloren haben. Die jungen Leute haben das alles vergessen, aber ich habe ja noch die Nachkriegszeit erlebt. In den siebziger Jahren hatten wir nur Frosties, Smacks oder die normalen Corn Flakes zum Frühstück. Keine anderen Sorten!
http://board.netdoktor.de/beitrag/urin-riecht-nach-kellogs-smacks.187637/
Earth, Wind & Fire – September. https://www.youtube.com/watch?v=Gs069dndIYk

Sonntag, 11. September 2016

Drei Gedanken zur aktuellen Lage

„Im Liang Shan Po ist kein Platz für Berufshelden. Wir können nur Männer gebrauchen, die an sich zweifeln.“ (Die Rebellen vom Liang Shan Po)
Warum schlägt das politische Pendel gerade nach rechts aus? Da könnte man zunächst mal die Pull- und die Push-Faktoren überprüfen. Was macht die Linke so abstoßend, was macht die Rechte so anziehend? Warum ist das Nationale in Mode, warum ist das Internationale (Kommunismus, Europa, Globalisierung) aus der Mode? Und bevor wir die Faktoren analysieren, müssten wir ja erstmal definieren, was links und rechts überhaupt ist. Rechts ist einfach – aber was ist links? Im vergangenen Jahrhundert fielen einem da die Gewerkschaften, die SPD, die Grünen und die Linken ein. Alle diese politischen Gruppierungen haben sich aber von linken Ideen verabschiedet bzw. haben Klassenverrat begangen, um es etwas härter zu formulieren. Linke Ansichten und ihre Vertreter muss man heutzutage mit der Lupe suchen. Man hört sie nicht mehr. Vielleicht marschiert auch nur deswegen halb Europa stramm nach rechts, weil links nichts mehr ist?
Wir können nicht einerseits Individualisierung und Zerfall von Milieus in der Gesellschaft, Mobilität innerhalb eines Landes und Migration in globalem Maßstab feststellen, um dann andererseits ungerührt von „dem Deutschen“, „dem Bayern“ oder anderen vormodernen Kategorisierungen zu sprechen.
Das Kernprinzip des Kapitalismus wird nie besiegt werden, weil es in uns allen lebt: Die willst so viele Euro auf dem Konto wie möglich, so viele Punkte wie möglich bei einem Computerspiel – und früher haben die Männer meiner Generation Flippergeräte geschlagen und getreten, um Freispiele und Highscores zu erreichen. Die wenigsten von uns sind intellektuell dazu in der Lage, ihrer Gier Grenzen zu setzen. Ohne die anderen Menschen, ohne den „Staat“ hätte eine Mehrheit der Leute sich selbst nicht unter Kontrolle. Hinter diesem Kernprinzip steckt jedoch eine perfide Ideologie, die uns erzählt, alle gierigen und selbstsüchtigen Menschen würden von der gleichen Startlinie ins Rennen gehen. Wie bei einem Computerspiel oder am Flipper. Aber die Kinder der Reichen sind schon am Ziel, wenn die Kinder der Armen noch auf den Startschuss warten. Das ist die Lüge, die wiederum der Kern des Systems ist.
The Cramps - Human Fly. https://www.youtube.com/watch?v=9TR6QuOj-Gw

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9/11

„Mehr als 100 Jahre haben wir Gewalt exportiert – zum ökonomischen Nutzen der daran beteiligten Täter-Nationen und zur Steigerung des Lebensstandards ihrer Bevölkerungen. Nun erreichen erstmals einige Konsequenzen unserer Untaten europäischen Boden, und nun beschweren wir uns darüber, dass die Opfer uns mit den Folgen unserer Untaten in unserem eigenen Lebensbereich behelligen. Doch man kann nicht zum eigenen Nutzen Tretminen und Giftgas exportieren und sich dann darüber beklagen, dass man durch Explosionslärm und Giftgestank gestört wird.“ (Rainer Mausfeld)
„Saigon. Shit.“ Wir kennen die Szene aus „Apocalypse Now“. Und genau hier, in Vietnam, hat es begonnen. Die Vereinigten Staaten von Amerika kämpften nicht zum ersten Mal um die Weltmacht, während sie vorgaben, die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte zu verteidigen. Aber in den undurchdringlichen Dschungeln Südostasiens hatten sie zum ersten Mal verloren, da half auch das „Agent Orange“ aus Ingelheim nicht.
1975 zog man einen Schlussstrich unter die schmachvolle Niederlage und suchte nach Möglichkeiten, sie vergessen zu machen und wieder gegen den Kommunismus zu punkten. Das Auge der Militärberater des US-Präsidenten fiel auf Afghanistan, wo es seit 1978 eine kommunistische Regierung gab, die eng mit der Sowjetunion zusammenarbeitete. 1979 begann man, die Mudschaheddin, eine islamistisch-fundamentalistische Guerilla-Truppe, die gegen die afghanische Regierung kämpfte, militärisch zu unterstützen. Die UdSSR entsandte ihrerseits wiederum Ende des Jahres Truppen zur Unterstützung ihres Verbündeten.
„Diese verdeckte Operation war eine hervorragende Idee. Sie bewirkte, dass die Russen in die afghanische Falle tappten […]. Am Tag, an dem die Russen offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter: Jetzt haben wir die Möglichkeit, der UdSSR ihren Vietnamkrieg zu liefern. Und tatsächlich sah sich Moskau während der folgenden zehn Jahre gezwungen, einen Krieg zu führen, den sich die Regierung nicht leisten konnte, was wiederum die Demoralisierung und schließlich den Zusammenbruch des sowjetischen Herrschaftsgebiets zur Folge hatte.“ (Zbigniew Brzezinski, 1977 bis 1981 Sicherheitsberater von Jimmy Carter)
1979 wurde das US-freundliche Regime des Schahs im Iran von Ayatollah Khomeini und seinen Anhängern gestürzt und die Islamische Republik ausgerufen. 444 Tage wurde die US-Botschaft in Teheran belagert und der Hegemon vor aller Welt gedemütigt. Es folgte der zweite Stellvertreterkrieg in der Region. Der US-Verbündete Saddam Hussein führte von 1980 bis 1988 Krieg gegen den Iran (Erster Golfkrieg). Nach seiner Niederlage folgte 1990 die Invasion des reichen Ölscheichtums Kuwait, um im eigenen Land nicht als völliger Versager dazustehen.
Anfang 1991, die UdSSR war handlungsunfähig geworden und zerfiel in ihre Einzelteile, begannen die USA den Zweiten Golfkrieg – gegen den ehemaligen Vasallen Irak. Angst vor Destabilisierung der Region, vor Engpässen in der Ölversorgung der Industrienationen und vor einer Weltwirtschaftskrise führten zu einem massiven militärischen Eingreifen der Vereinigten Staaten im arabischen Raum. Es folgten der Einmarsch im Irak und die Stationierung amerikanischer Truppen in Saudi-Arabien. Die arabische Halbinsel wird langfristig zum zweiten Vietnam der US-Amerikaner.
Diese Demütigung, Ungläubige im Lande der strenggläubigen Saudis, der Hüter der heiligen Stätten des Islam (Frauen und Farbige in Uniform und am Steuer eines Wagens!), ertragen zu müssen, führte zur Gründung von Al Qaida. Die Terroranschläge, die unter dem Stichwort „9/11“ in die Geschichte eingegangen sind, waren also nur ein Teil der Entwicklung, nicht der Anfang der Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident, wie es im Westen gerne behauptet wird.
Die USA haben den Krieg Ende der siebziger Jahre angefangen, der Rest ist bekannt: Neue Kriege in Afghanistan, Irak (Dritter Golfkrieg) und Syrien, Flüchtlinge, Terror. Bis zum heutigen Tag.
Saigon. Shit. Wir haben einen neuen Feind gesucht. Und wir haben ihn gefunden.
Bernard Herrmann - Taxi Driver (theme). https://www.youtube.com/watch?v=Bx4aK-YsPeU

Samstag, 10. September 2016

Bonusinformation für Payreader: Hikikomori

Hikikomori sind in Japan Einsiedler, also Menschen, die keiner Arbeit nachgehen und einfach nur in ihrer Wohnung Computerspiele machen, keine persönlichen Kontakte pflegen oder sonstige erwünschte Aktivitäten (Vereine, Fitnessclubs usw.) haben. Insgesamt gibt es nach neuesten Erhebungen der Regierung 540.000 Hikikomori in der Altersgruppe der 15- bis 39-jährigen.
Sie glauben mir nicht? Lesen Sie die Studie doch selbst:
http://www8.cao.go.jp/youth/kenkyu/life/h27/index.html
Was machen wir mit diesem ganzen Taugenichtsen? Ich will auch gar nicht wissen, wie es in ihren Wohnungen aussieht. Wie viele Hikikomori gibt es in Deutschland? Mich eingeschlossen?!
P.S.: Außerdem mag ich im Japanischen noch das Wort „Shitamachi“. Es bedeutet „Unterstadt“, hier wohnt der hart arbeitende und trotzdem arme Teil der Bevölkerung.

Der Dorftrottel

Wenn es eines Zeichens für den unaufhaltsamen Fortschritt in der Gleichberechtigungsfrage bedurft hätte – hier ist er:
Schweppenhausen hatte, seit ich denken kann bzw. seit wir 1975 das Grundstück erworben haben, auf das ich gerade blicke, während ich Ihnen diese Zeilen schreibe, immer einen Dorftrottel. Einen männlichen Dorftrottel. Genau einen. Nie zwei, nie keinen. „Der schwarze Mann“, Bernd hieß er, wenn man ihn einmal ansprach, war ein gescheiterter Ingenieur, der in einer abgefuckten Bude an der Hauptkreuzung des Ortes lebte. Neben Hartz IV (in unserem Dorf informell mit der Tätigkeit als „Gemeindediener“ für Botengänge usw. vergolten) war der Handel mit Schallplatten auf Flohmärkten seine Haupteinnahmequelle. Selbst in seinem kaputten Kühlschrank lagerte er Platten.
Irgendwann verließ er das Dorf. Sein Nachfolger war „der Franz“. Ihn habe ich hier verewigt: http://kiezschreiber.blogspot.de/2014/09/weie-wande.html
Jetzt ist es eine Frau Ende fünfzig, hager, mit langen dunkelbraunen Haaren und gruselig grellrot geschminkten Wangen. Sie pöbelt jeden an, der vorbei kommt. Manchmal trägt sie, die hagere Frau jenseits der Wechseljahre, ein Kissen unter dem Kleid, um eine Schwangerschaft zu simulieren. An anderen Tagen schiebt sie einen leeren Kinderwagen vor sich her. Sie hatte nie Kinder, sie wird nie Kinder haben. Sie ist eine Nervensäge. Aber eigentlich möchte man sie in den Arm nehmen.
Wie alle Dorftrottel dieser Welt.
BAP – Lisa. https://www.youtube.com/watch?v=MrR-jNG_XlE

Igitt!

Hier in meinem Kellerverschlag, in dem ich mein Dasein als Blogger friste (“Villa Bonetti”), gibt es unglaublich große Spinnen. Handtellergroß. Gut, es sind die Handteller von kleinen Kindern, aber es sind keine Netzspinnen, sondern äußerst bewegliche Tiere, die des Nachts vermutlich aus meinen Mundwinkeln trinken. Gerade habe ich eine von ihnen erwischt. Sie lief vom Bett hinüber zum Fernseher. Kurz bevor ich über ihr mit meiner bleichen Todeshand auftauchte, hielt sie inne. Was dachte sie in diesem Moment. „Gott der Spinnen, nun trete ich dir gegenüber“? „Vielleicht erwischt der Riese mich nicht, wenn ich mich nicht bewege“? „Was für ein Scheißtag“? „Du kommst in deinem nächsten Leben als Spinne zur Welt – in diesem Zimmer“?

Charles Burkowski hätte gesagt …

Message an all die Burka-Hasser da draußen: Wie steht’s denn mit Kippa, Tallit oder Tefillin? Schließlich sind die 613 Gebote der Halacha (verschiedene Teller, Bestecke und Kühlschränke für Milchiges und Fleischiges!) mindestens genauso durchgeknallt wie der Koran. Mach dir kein Bild von Mohammed, sprich den Namen Jahwes nicht aus! Und es soll christliche Gottesdienste geben, wo man einen Schluck billigen Rotwein und eine geschmacklose Oblate verabreicht bekommt, die angeblich das Blut und der Leib Christi sein sollen … - wieso hauen wir die ganze Scheiße nicht endlich in die Tonne !?!
https://www.youtube.com/watch?v=J12zprD7V1k

Der Weise

„Worte sind oft unzuverlässige Freunde. (…) Die Wahrheit in deinem Herzen enthüllt nur die Tat.“ (Die Rebellen vom Liang Shan Po)
Was macht den Weisen eigentlich zum Weisen, wenn man für einen Augenblick mal von seiner Weisheit absieht?
Wie wird er in der Literatur dargestellt?
Er lebt ganz allein.
Keine Frau, keine Kinder. Kein nervtötender Verwandtschaftsbesuch, der über Nacht bleibt.
Er lebt nicht in der Stadt. Er lebt irgendwo in der Wildnis. Es führt keine Straße zu seinem Haus. Er hat keine Adresse. Du würdest ihn nie mit deinem Navi finden.
Er lebt in einer Höhle oder einer Hütte.
Er geht nicht in den Supermarkt. Seine Nahrung bezieht er aus der Natur, möglicherweise hat er noch ein Feld mit Gemüse und Kräutern angelegt.
Er besitzt kein Geld und begreift auch nicht, was man mit Geld anfangen soll.
Er arbeitet nicht. Er denkt den ganzen Tag nach.
Er hat keine Termine. Er macht einfach, wonach ihm gerade ist.
Er lebt so, wie du gerne leben würdest. Aber dein Leben ist kein Comicstrip, also kannst du nicht wie ein Weiser leben.
Aber du findest Weise toll. Diese Typen wissen echt eine Menge.
Du fährst am Sonntag zu diesem Treffen von Leuten, die haargenau den gleichen Weisen gut finden.
Du isst eine vegane Wurst und trinkst Rhabarber-Holunder-Schorle wie die anderen Leute bei dem Treffen und du fühlst dich gut.
Es wird alles besser werden. Na klar! Du lässt dich doch nicht verarschen. Du hast den Flyer mitgenommen. Und du bist fest entschlossen, dass du wiederkommst.
Diese Idee hat Zukunft. Wir zählen auf dich. Sag es den anderen.
P.S.: Der Typ ist wie ich. Dieser Weise. Keine Ahnung, was er den Leuten erzählt. Aber ich bin auch ein arbeitsloser Single, der etwas außerhalb wohnt. Vermutlich ist alles eine Frage der richtigen Vermarktung.
Fischer Z – Nice to Know. https://www.youtube.com/watch?v=QLnOK2SZnfA

Freitag, 9. September 2016

Nordhessen bestätigt Arschbombentest

Das ist die Schlagzeile des Tages.
Sie erwarten jetzt sicher mehr.
Sie bekommen mehr.
Es folgt ein grauenhafter Kalauer, nach dessen Lektüre man dieses Blog nie wieder anklickt.
A: „Karin macht diesen Sommer in Polen Urlaub.“
B: „Kein Wunder, sie ist ja auch in den Weichseljahren.“
Für Magenblutungen übernimmt Bonetti Uncool Entertainment keine Haftung. Aber ich finde, der Gag kommt so allmählich nach hinten raus, wenn man Ekel und Scham überwunden hat. Natürlich sollte man für diese Pointe sternhagelvoll sein. Ehrensache.
Bay City Rollers - I Only Wanna Be With You. https://www.youtube.com/watch?v=CGD27WgtKhI

Clash der Kulturen

„Wenigstens heute, ärgere Dich nicht, sorge Dich nicht, sei dankbar, arbeite eifrig, sei freundlich zu allen.“ Das ist der Kernsatz des Reiki-Meisters Mikao Usui, wie er überall auf der Welt verbreitet wird. Das ist so eine gequirlte Fernost-Scheiße, dass man brüllend mit der Faust auf den Tisch hauen möchte, wie es früher einmal üblich war (siehe auch: Leitkultur des Mittelalters). Da kriege ich doch schon wieder Bluthochdruck.
Wie kann ich mich denn „nicht ärgern“, wenn ich die Nachrichten lese? Wie kann ich mich „nicht sorgen“, wenn ich die Hackepetervisagen der Politiker oder das Elend ihrer Schutzbefohlenen in den Kriegsgebieten und Hungerzonen der Welt sehe? Für was soll ich „dankbar“ sein? Für meine Rückenschmerzen oder das miese Wetter? „Arbeite eifrig“? Wenn ich das schon höre! Das ist ja wohl das Allerletzte!! Kein Prophet hat uns je irgendwas von diesem sinnlosen Japsen-Fleiß erzählt. Eifrig arbeiten, damit sich mein Sklavenhalter freut, schon klar. Und warum sollte ich zu allen freundlich sein? Waren diese Kindertellerbesteller eigentlich schon mal morgens an einer Bushaltestelle in Deutschland? Oder in einem Supermarkt, wenn die zweite Kasse aufgemacht wird? Zusammen mit Fans von Dynamo Dresden in einem Zugabteil? Nach einer Niederlage?
Was hat diese Schlitzaugenkacke eigentlich mit meinem Temperament und meiner Kultur zu tun? Warum sollte ich meine ganze Energie „positiv“ in die Arbeit investieren, wenn ich sie auch einfach in Zorn und Gewalt ausleben kann? Diese ganze sogenannte asiatische Philosophie ist das trojanische Pferd neoliberaler Menschenschinder, die uns gerne pflegeleicht und bienenfleißig hätten. Hupen Sie, wenn Sie meiner Meinung sind!

Mittwoch, 7. September 2016

Sorge dich nicht, lebe

„Einfach sich gehen lassen, sei es ihm plötzlich durch den Kopf geschossen, einfach aus der Welt hinausgehen und in das Irrenhaus hinein. (…) Ursprünglich habe er die Absicht gehabt, in so einer Anstalt sich als Wärter zu bewerben oder Kaiser in irgendeinem verlassenen Weltreich, das allerdings noch zu gründen gewesen wäre, aber dann habe er sich gefragt, warum eigentlich Kaiser oder Wärter, Patient sei schließlich für ihn gut genug. Ich hätte ja auch heiraten können, sagte er, aber ich bin lieber gleich in die Irrenanstalt gegangen.“ (Jürg Amann: Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser)
Sie wollen sich selbst verwirklichen? Die Unternehmen geben Ihnen Arbeit.
Sie haben Bedürfnisse? Der Handel bietet Ihnen Konsummöglichkeiten.
Sie haben Angst vor Kriminellen und Terroristen? Der Staat kümmert sich um alles und bietet Ihnen Sicherheit.
Sie haben keine Zeit? Wenn Sie Zeit haben, wählen Sie ein Thema aus dem Medienangebot (Justin Bieber und Bieber-verwandter Gossip).
Sie wollen Gleichberechtigung? Die Politik sorgt für die Frauenquote in Aufsichtsräten.
Sie wollen Ihre Ruhe? Es gibt Reihenhäuser.
Sie suchen Liebe? Computerprogramme suchen den optimalen Partner.
Sie mögen Tiere? Das Internet bietet Catcontent.
Sie möchten etwas für die Umwelt tun? Besuchen Sie einen Bio-Supermarkt oder kaufen Sie etwas aus dem Veganer-Regal eines Discounters.
Sie wollen soziale Gerechtigkeit? Wählen Sie „Die Linke“.
Sie wollen glücklich sein? Es gibt Ratgeberliteratur.
Vergiss das Wir, denk an dich. Fühl dich gut, indem du alles gut findest.
P.S.: „Gut (…) steht für:
• den zur Verfügung stehenden Besitz
• in der Ökonomie knappe Güter, siehe Gut (Wirtschaftswissenschaft)
• in der Wirtschaftslehre (insbesondere Güter) das Produzierte, Gehandelte und Konsumierte, siehe Produkt (Wirtschaft)
• in der Steuerlehre Bewertungsobjekte aus dem Betriebsvermögen, siehe Wirtschaftsgut (Steuerlehre)
• im Transportwesen die Fracht, siehe Transportgut
• in den Rechtswissenschaften ein bestimmter, auch immaterieller Wertgegenstand, siehe Rechtsgut
• in der Philosophie ein ideeller positiver Wert, siehe Ethisches Gut
• ein landwirtschaftlicher Betrieb, siehe Gutshof (…)“ (Wikipedia)
Zwischen all den Sachen, wo es um Kohle geht, ist irgendwo das Gute versteckt.
Klaus Nomi - Samson and Delilah. https://www.youtube.com/watch?v=ZFyotYEFRP0

Kapitel 38: Sturm der Zahlen

Es ist wieder einmal die Zeit einer Wirtschaftskrise. Eigentlich werden die Abstände zwischen den Krisen immer kürzer. In der Buchhaltung werden zuerst die Zahlen knapp, dann das Karopapier. Betsy Malone ist hochschwanger und in einer Sturmnacht schenkt sie zwei Mädchen das Leben. Sie nennt ihre Kinder North und South Carolina. In dieser Nacht weiß sie nicht, dass diese Entscheidung das Leben ihrer Kinder verändern wird, die später einmal die Dakota-Brüder heiraten werden.
http://www.karopapier.de/downloads/karopapier.pdf
Lesen Sie morgen Kapitel 39: Wenn die Zimbeln Trauer schlagen.

Dienstag, 6. September 2016

Der letzte Mann aus Breslau - Neues von Andy Bonetti

Nur wenige auserwählte Leser, langjährige Kunden von „Kiezschreiber Plus“, kennen das Geheimnis von Andy Bonetti. 1988 gelang ihm die Flucht aus dem kommunistischen Polen. Dort hatte er eine Ausbildung zum Armbanduhren-Model absolviert und hatte 400.000 Sloty Schulden bei seiner Modelschule in Krzywlowaskoje Zytikowska (vormals: Breslau). Um schlank zu bleiben, ernährte er sich von Wattbäuschen, die er vorher in River Cola Zero getunkt hatte. Dazu nahm er Unmengen an Kokain. Dieser Kreislauf von hektischer Ausgelassenheit und Magersucht kostete ihn ein Vermögen, weil unter Stalin Cola teurer als Kokain war. Watte wurde über Prag aus dem nicht-sozialistischen Ausland eingeschmuggelt.
+++ breaking news +++ Den tapferen Frauen und Männern der Bonetti-Laboratorien ist es jetzt gelungen, das Blog auf die Zeitzone von Bad Nauheim umzustellen +++
„Er zog das Vergängliche dem Unvergänglichen vor. Ereignisse, Gespräche, Reisen, Essen und Trinken. Die Welt der Gegenstände interessierte ihn überhaupt nicht – mit Ausnahme der Bücher, die er als Gefäße betrachtete.“ (Johnny Malta: Da geht Bonetti) – „Turbulent.“ (Lexikon des internationalen Buchs)
Neu! Die Bonetti-Zeckenschlinge:
https://www.amazon.de/Bonetti-Zeckenschlinge-Kugelschreiberform-Zecken-Schlinge/dp/B008PBVTUG
Von Bonetti gibt es übrigens laut „Amazon“ noch einen Regenüberzug für Schulranzen und eine „Gartenkugel mit Farbwechsel“ – besser hätte ich das Phänomen Bonetti auch nicht umschreiben können.
Andy Bonetti spielt sehr gerne auf seinem elektronischen Xylophon, das an Lautsprecher in der ganzen Stadt angeschlossen ist. So versetzt er die ganze Stadt ab fünf Uhr morgens in energetische Schwingungen.
Der weltberühmte Spiegelsaal der Villa Bonetti ist jetzt ins Weltkulturerbe aufgenommen worden. Dafür hat man den Eiffelturm aus der Liste gestrichen.

Wenn Sie weiterlesen möchten, kostet Sie das 0,39 Cent. Oder Sie bestellen eine Bonetti-Zeckenschlinge.
The Cure - Pictures Of You. https://www.youtube.com/watch?v=UmFFTkjs-O0