Samstag, 2. April 2016

Megatrends im Wandel

Den aufmerksamen Leser dieses Blogs wird es nicht wundern, wenn es hier nicht um Megatrends und andere Horxismen geht, sondern um
Blogstuff 32
„Zivilisation heißt, die Schönheit der Welt in bloße Nützlichkeit zu verwandeln.“ (Lupo Laminetti)
Hurra! Endlich bin ich wieder in meinem Arbeitszimmer in Schweppenhausen. Der Runde muss ins Eckige.
Ich lebe in einer Wohngemeinschaft mit einem Messerwerfer und einem Schlagzeuger. Als beide zur gleichen Zeit übten, ging ich hinunter in die Bar „Zum niederträchtigen Finanzberater“. In den milchigen Rauchschwaden der Kaschemme saßen schon Anton, genannt der schöne Toni, ein Zuhälter, Anatol der Dieb und eine Bande Schmuggler, die ich vom Hafen kannte. Ich nickte dem einäugigen Wirt kurz zu und alsbald stand ein großer Humpen Branntwein vor mir.
Insgeheim bewunderte ich diesen Bonetti, der gerade ein glänzendes Häufchen Kaviar auf einem Cracker drapierte und dabei im Kreise seiner Bewunderer die Notwendigkeit einer Penisverkleinerung erörterte.
„Kontakt mit die Natur ha‘ ick nur anner Fleischtheke.“
Schon die sogenannten „68er“ haben Marx und Engels nicht im Original gelesen. Und wer kennt schon Kant und Hegel, Schopenhauer und Nietzsche im Original? Wir bewegen uns in der geistigen Jogginghose geschmeidig durch das Internet und irgendwo leuchten ihre Zitate auf wie Leitpfosten im Scheinwerferlicht.
Die Stimmung ist für Berliner Verhältnisse geradezu mediterran.
Botaniker-Rant: Solche xxxenen Schmetterlingsblütler wie der Ginster werden seit Jahren gehypet, aber sie bringen im Garten überhaupt nichts und man kann sie noch nicht mal essen. Die Presse schweigt zu diesem Thema seit Jahrzehnten!
Das Thema Familie ist bei mir etwas in den Hintergrund gerückt, seit ich unser Baby im Bus liegengelassen habe.
Ich finde, es ist immer noch eine gute Tradition, dass alle bedeutenden Schriftsteller der Welt kurz vor der Literaturnobelpreisverleihung auf dem Campingplatz von Ilse und Hubert Schwerdtfeger in Zwei-Mann-Zelten übernachten, bevor der Sieger in Stockholm verkündet wird.
Das Internet schafft endlos Vergleichsmöglichkeiten. Du hast Hühneraugen? Dann schauen wir mal, wie Prominente in Hollywood oder Renaissance-Maler damit umgegangen sind. Wir warten auf deine Kommentare und vergleichen sie dann mit den restlichen Kommentaren aus aller Welt.
In den Medien, der Musikbranche und der Politik sind alle entweder besoffen oder auf Droge, meistens aber beides. Erst mit diesem Hintergrundwissen ergibt alles einen Sinn, was Sie täglich sehen und hören.
Wenn ich deutsche Politiker bei internationalen Verhandlungen sehe, denke ich immer, das sind Kleinkinder, die bei irgendeinem Brettspiel mitmachen wollen, ohne die Zahlen auf dem Würfel zu verstehen.
Der Winter ist vorbei und die Behörden haben den Rhein wieder angeschaltet. Wie schön!
Die Leute werden immer intoleranter. Bei Laktose geht’s doch schon los. Wehret den Anfängen!
Single: Do-it-yourself-Liebhaber.
Mit einem Rokokolächeln quittierte er die Grammophonsucht der Jugend.
Die mattschimmernden Insignien eines Erfolgslebens.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in zehn Jahren noch Fernsehen in der heutigen Version geben wird. Wenn ich mir den starren und linearen Ablaufplan anschaue, habe ich das Gefühl, ich wäre in einem Restaurant, in dem ich die Abfolge auf der Speisekarte von der ersten Vorspeise bis zum letzten Dessert ohne Einflussmöglichkeit auf die Reihenfolge innerhalb einer Woche aufessen müsste. Niemand würde in ein solches Lokal gehen. Entweder die Mediatheken werden stark erweitert (und die zeitliche Begrenzung der angebotenen Inhalte auf eine Woche entfällt) und ich wähle selbständig die gewünschte Sendungen aus oder das Fernsehen bietet mir nach dem Einschalten des Geräts ein Programm an, das nach den Algorithmen meiner Präferenzen und Sehgewohnheiten individuell zugeschnitten ist.
Ich weiß gar nicht, in welchem Jahrzehnt ich zuletzt so beleidigt wurde wie an meinem ersten Reisetag im Frankenwald. Wir hatten uns gerade in ein Gasthaus in Naila gesetzt, da wurden wir von einem Greis zwei Tische weiter angesprochen: „Seid Ihr Berliner? Seid Ihr Preußen? Seid Ihr Polen? Seid Ihr homosexuell? Seid ihr lesbisch?“ Weitere Fragen konnte der Einheimische den Gästen nicht mehr stellen, da hatte der Wirt den alten Zausel schon beim Schlawittchen gepackt und zur Tür hinaus befördert. Wir haben es gelassen genommen und die Fragen natürlich auch nicht beantwortet. Aber so ein Verhalten hätte ich von einem Berliner Halbstarken erwartet und nicht von unseren Senioren.
Xmal Deutschland – Polarlicht. https://www.youtube.com/watch?v=CfVlVatGh5I

11 Kommentare:

  1. Sei begrüßt im alten Geiste:
    "Wer Hunde und kleine Kinder hasst, kann kein ganz schlechter Mensch sein." (W.C. Fields)

    AntwortenLöschen
  2. Andy Bonetti, der giftige Splitter im Auge der Bourgeoisie, ist wieder da!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Und er hat satte 21 neue Texte im Reisegepäck, weil er auch im Urlaub die boshaften Griffel nicht von der Tastatur lassen kann :o)))

      Löschen
    2. Irgendeiner davon über den Karl seine Aussttellung in Chemnitz? Zumal ich mutmaße, dass von 21 Texten satte 21 nichts mit Lakritzen zu tun haben. Willkommen zurück!

      Löschen
    3. Nein, weder Schmidt-Rotluff noch Lakritze, dafür über Helsinki, Spinoza, Gentrifizierung und den Zusammenhang zwischen Frauen und Kunst :o)

      Aber du warst ja auch sehr kreativ, wie ich sehe / lese.

      Löschen
    4. Ich kreire nicht, ich dokementiere. So viel Zeit muss sein. Selbst die zwei Fiktionsstücke sind in so weit Doku als dass sie den Prozess von damals 2012-2014 bis jetzt zeigen. Der März war allerdings mal wieder einer der Monate, der die Fäderisse nachhaltig "geformt" hat im Sinne von prägenden Artikeln. Sowohl der über den Mit-Künstler-Geburtstag (der ging auch Aufrufmäßig durch die Decke) als auch der über des Mit-Künstlers Brotberuf sind jetzt so was wie unintendierte Aushängeschilder. Weil ich mal wieder was gesagt habe, was sonst (angeblich) "keiner" sagt.

      Ich habe über den März drei Herrndorf gelesen... Ist okay und ich habe was davon für mich mitnehmen können, auch technisch, aber ich komm nicht so richtig rein. Findet nicht jeder zu allem Zugang.

      Löschen
    5. "Chick" hat nichts mit dir gemacht? Schade.

      Mein nächstes Leseprojekt ist "Moby Dick" von Melville.

      Löschen
    6. "Tschick" hatte ich noch im Februar, davon sprachen wir eventuell noch. Ich meine, ich hätte dir einen Ersteindruck mitgeteilt. Beim zweiten Lesen war es dann "nette Unterhaltung" und mehr irgendwie nicht. Mit-Künstler kam gar nicht klar, Stiefvater findet es gut. Im März hatte ich neben "Arbeit und Struktur" - ich habe zu viele Leute in irgendeiner Form begleitet um da besonders, also mit was anderem als Mitgefühl, drauf zu reagieren, "Bilder deiner großen Liebe", das ich nur unter dem Aspekt lesen konnte, dasd es ihm da schon so schlecht ging und dafür ist es technisch gut, aber für mich ist das Mädchen unrealistisch. Mit Figuren, die für mich nicht realisitisch sind bekomme ich keine Bindung. Ich steige da durch seine Logik nicht durch. Bei "In Plüschgewittern" (Mit-Künster fand es super) ging mir der Protagonist nach drei Seiten auf den Nerv, und die Handlung und deren Millieu ist auch nicht meins.

      Ich habe gestern die Haring Journals beendet und angefangen rumliegen hab ich noch "Les Miserables". Ist auch nicht meins, nervt mich auch, hat aber Gründe warum ich das lese. Ich glaube wenn ivh da durch bin verkrieche ich mich mal wieder eine Weile in "Die Reise", da finde ich immer was Neues drin.

      Löschen
    7. Ich habe heute viel in deinem Blog gelesen und mir ist - neben vielen erfreulich intensiven Texten - dein Brief an Kafka aufgefallen. Kafka hat mein Leben als Schriftseller verändert, sein Werk ist quasi mein Initiationsritus. Und von Anfang an bis heute gilt seine Erkenntnis: "Wenn auch keine Erlösung kommt, so will ich doch jeden Augenblick ihrer würdig sein".

      Erfolg ist nicht wichtig, Verständnis der Leser ist nicht wichtig - es geht darum, aus der Quelle in uns möglichst unverfälscht den puren Stoff der Erzählung zu schöpfen (schon unsere Worte sind natürlich eine Fälschung, eine Konvention, um sich verständlich zu machen - aber wem sage ich das?)

      Löschen
    8. P.S.: Seit Sonntag lese ich, zum zweiten Mal, die Stach-Biographie von Kafka, allerdings nur den ersten Band ("Die Jahre der Entscheidungen"). Dann kommt Melville.

      Löschen
    9. Was ist Erfolg? Eines der größten Hemmnisse - es ist seltsam für mich, dass ich deine Antwort gerade jetzt lese, ich bin nämlich in einer Email-Künstlergruppe eingeschrieben in der man sich um das "Drum herum" austauscht und gerade postete jemand in der Gruppe etwas zum Thema Erfolg und wie der falsch definiert uns vergiften kann -, ist doch, dass man das, und der Schreiber zweifellos mit, fast immer auf den Markt bezogen sieht. Das ist tödlich.

      Wenn man das so sieht: Ich betreibe die Fädenrisse und das ist ein aüßerst erfolgreiches Blog. Es ist nicht sehr bekannt, es hat nicht wahnsinnig viele Leser, ist also nach kommerziellen oder egomotivierten Kriterien, die viele Blogger ansetzen nicht erfolgreich. Wollte ich auch nie. Ich habe mich im Februar mit jemandem gezofft, der eine Großverlinkung anbot. Wollte ich nicht. Private Verlinkungen sind in Ordnung, freut mich, aber nicht vor jemandes Karren gespannt zu werden. Nach anderen, meinen, Maßstäben ist es extrem erfolgreich und damit hab ich nie gerechnet, das ist einfach passiert. Da lesen etliche(!) andere Erwachsene aus ähnlichen Verhältnissen und die sagen nicht nur, dass es ihnen gut tut, dass jeman anderer spricht, die reden plötzlich auch selber. Und wenn du das schaffst, dass ohne dass du willst, einfach nur angeregt durch dein Mitteilen andere reden, sich vielleicht auch andere "wehren" weil sie zum ersten Mal in Jahren bestimmte Gefühle zulassen können, das ist ja gegen das Skript, dann hast du was Unglaubliches erreicht. Das geht aber nur dann, wenn man es nicht forciert.

      Wenn man das so sieht: Ich habe da zwei äußerst sensitive Texte hinter das Passwort gestellt und diese Texte Menschen, die sie lesen wollen anvertraut. Es ist ein Erfolg die Dinger aus der Hand zu geben (für mich). Es ist ein Erfolg, die Dinger anderen zuzumuten. Es ist ein Erfolg, eventuelle Reaktionen aushalten zu wollen.

      Kafka - und ich damals in der Zeit von der der Brief handelt - saßen fest in einer Rigiität ohne Vertrauen und wir glaubten beide, dieses Vertrauen könnte nur dann hergestellt werden wenn wir erst einmal in der Familie angenommen werden. Es ist übrigens kein Zufall, dass er später Anorexie entwickelte. Das ist das personifizierte "Ich bin nicht da. MICH gibt es nicht." Bei mir äußerte sich das so, dass ich jahrelang KEINE gehandicapten Charaktere hatte. Aber was weiß ich denn realistisch gesehen über nicht-gehandicapte Charaktere? - Richtig, nichts. Muss ich auch nicht, war mir nur damals nicht klar.

      Löschen