Freitag, 25. Dezember 2015

Berliner Asche, Kapitel 1, Szene 3

Für diese Aktion würden Köpfe rollen, soviel stand fest. Für den schiefen Turm von Pankow. Aber auch für die Entführung. Für das Lösegeld sowieso. Altmann würde aus der Sache nicht mehr heraus kommen. Er hatte das gesamte Bauprojekt grandios in den märkischen Sand gesetzt. Er lag gefesselt im Wagen. Für ihn wurde das Lösegeld bezahlt. Und wenn der Oberboss in Meran erstmal mitbekommt, wie der Bau gelaufen ist, bekommt er todsicher auch von der anderen Sache Wind. Und da wird es politisch. Da hat der Altmann sein eigenes Süppchen gekocht.
Soll er doch über die Klinge springen, dachte Marion Sutter und drehte ungeduldig an der Klimaanlage herum. Es war unerträglich heiß und sie musste nachdenken. Würde der Skandal sie mit in die Tiefe reißen? Oder könnte sie Altmanns Nachfolge antreten? Sie war die einzige Frau im Immobilienteam der Maximum AG, Ortsgruppe Berlin. Sutter zog den grauen Rock ihres Kostüms glatt. Sie hatte nicht so lange bei der Maximum AG durchgehalten, sich vorher durch ein bescheuertes Marketing-Studium durchgebissen, um jetzt, an diesem entscheidenden Punkt ihrer Karriere, klein beizugeben oder gar moralische Skrupel gegenüber der Russenmafia zu zeigen. Die Russen hatten ihre Gründe und ihre Methoden. Sie hatten zugeschlagen, die Maximum AG würde zurückschlagen. Mit ihren Methoden. Sie würde dieses Spiel auch spielen müssen, sonst würde der Oberboss jemand anderen schicken. Die nächsten Schritte musste sie gut überlegen. Marion Sutter sah in die Flammen. Der Porsche Cayenne brannte lichterloh. Hier konnte niemand mehr etwas ausrichten. Als sie die Polizeisirenen hörte, stieg sie in ihren Wagen und fuhr davon.
Altmann hat mich vor den Russen gewarnt, dachte sie, als sie ihren Audi beschleunigte. Diese Leute schicken dir zuerst ihre Schläger auf den Hals, wenn etwas schief geht. Ihre Rechtsanwälte brauchen sie eher bei Strafanzeigen, weniger in Geldangelegenheiten.
Sie wählte Gruschenkos Nummer auf ihrem Telefon, während sie an einer Ampel wartete.
„Gruschenko? Altmann ist tot.“ Kurzes Schweigen. „Doch das kann sein und das ist möglich. Ich bin gerade dagewesen. Das Lösegeld gegen Altmann. Lebend. So war der Deal. Das hat Konsequenzen, Gruschenko!“
Dann legte sie auf. Sie wusste selbst nicht, welche Konsequenzen sie ziehen sollte, aber sie musste am Drücker bleiben. Agieren, nicht reagieren. Und so weiter, wie im Seminar. Ihr würde schon was einfallen, die Kollegen bei Maximum mussten erst morgen früh informiert werden. Bis dahin hatte sie Zeit, um einen Plan zu entwickeln.

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