Sonntag, 6. September 2015

Ein Blogonaut schwebt durch die Weiten des Netzes

„Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“ (Pablo Picasso)
Du hast dein Leben nicht selbst in der Hand. Das glaubst du nur, wenn du jung und wild bist. Aber wenn du alt und zahm geworden bist, wenn du es endlich begriffen hast, ist es zu spät, um es noch zu ändern.
Als profaner Religionsersatz dienen heute ein paar zusammengesuchte buddhistische Sentenzen oder die Kalendersprüche des Dalai Lama. Fertig ist der mundgerecht verpackte und pflegeleichte „Billig-Sinn aus Fernost“ (Albrecht Wellmer: Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne).
Rätsel der Menschheit, Teil 1: Frauen ist es zu kalt und Männern ist es zu warm – im selben Raum. Woher kommen die Kinder?
Früher wollte man nach einem guten Mittagessen einfach mal seine Ruhe haben, heute nennt man das Powernapping und verbringt seine Zeit damit, Tipps zu diesem Thema im Netz zu recherchieren. Ich beneide den Süden um seine sonnendurchflutete Stille zur Mittagszeit, um diese lichtgesättigte zufriedene Mattheit, in der das Nichtstun als zwingende Notwendigkeit und jahrtausendealte Tradition erscheint.
Hätten Sie’s gewusst? „Ethnophaulismus“ ist der Fachbegriff für die abwertende Bezeichnung einer ethnischen Gruppe. Beispiel: Neger, Polacke, Kraut. Diese Beleidigungen können auch Personen betreffen, die bereits lange tot sind. So wird die Alpenmumie Ötzi im englischsprachigen Raum als „Frozen Fritz“ bezeichnet.
Kennen Sie Schwindeldorf, ganz in der Nähe von Schweppenhausen, wo sich das mittlere Management aus Wiesbaden und Frankfurt Wochenendhäuser gebaut hat? Ich meine die Leute, bei denen es für eine Villa im Taunus nicht gereicht hat. Muss man gesehen haben. Hat jetzt sogar einen Golfplatz, womit sich Golf als exklusive Freizeitbeschäftigung der Oberschicht wohl endgültig verabschiedet hat. Und seinen Vulgärmaterialismus lebt das neureiche Pack dann in der „Stromburg“ von TV-Koch Johann Lafer aus – nur drei Kilometer von meinem Domizil entfernt.
Ich schreibe gerade an meinem ersten Blues-Stück. Den Anfang habe ich schon: Woke up this morning. Hammermäßig, oder?
Natürlich gibt es kaum noch Momente der Fortpflanzung in einem Land, in dem der Sex mit Leuten, die man nicht geheiratet hat, als UNZUCHT bezeichnet wird. Sprechen Sie es laut aus: UNZUCHT. Aus diesem Wort hört man noch den brüllenden, felltragenden Waldbewohner der deutschen Vergangenheit heraus.
Auch im Traum schauen wir nicht hinter uns selbst. Die Optik ist immer die gleiche: Wir schauen aus unserem Schädelei heraus und erleben irgendwelche Sachen. Sachen, die es sonst nicht gibt. Wir können keinen Schritt zurücktreten. Wie junge Hunde springen wir einem Traumereignis hinterher. Es ist uns unmöglich, die Laufrichtung oder die Perspektive zu ändern.
Bundesallee, Ecke Trautenaustraße: Wo heute ein Biomarkt ist, war früher eine Filiale des Café Josty. Erich Kästner war Stammgast und schrieb dort „Emil und die Detektive“. Die Brüder Josty sind im späten 18. Jahrhundert aus Sils (Kanton Graubünden) nach Berlin eingewandert. Schräg gegenüber meiner Wohnung in der Prager Straße hat Kästner gewohnt.
Willy-Brandt-Straße 1 in Berlin: Hier steht – laut wikipedia – „das größte Regierungshauptquartier der Welt“. Achtmal so groß wie das Weiße Haus.
Neu: Die Rubrik „Finden wir das gut?“ Diskutieren Sie bitte folgendes Statement:
„Bei Jugendlichen ist gerade angesagt, einen Kaugummi an Sehenswürdigkeiten zu kleben und ein Foto davon auf Facebook zu posten. In Berlin sieht man das an den Resten der Mauer am Potsdamer Platz: alles voller Kaugummi.“ (Boris Hesse)

Rätsel der Menschheit, Teil 2: Warum gibt es bei Besprechungen immer Kekse, die niemand jemals für sich oder seine Familie kaufen würde?
„In meiner Drogenphase hatte ich mehr Namen für Schnee als die Eskimos.“ (Lupo Laminetti)
Träumen Blogonauten von virtuellen Schafen?
Häuptling Kleiner Hunger meldet sich. Und er macht keine Gefangenen.
Wayne Fontana and the Mindbenders - A Groovy Kind of Love. https://www.youtube.com/watch?v=b3kXqlJhGuE

10 Kommentare:

  1. "Du hast dein Leben nicht selbst in der Hand. Das glaubst du nur, wenn du jung und wild bist. Aber wenn du alt und zahm geworden bist, wenn du es endlich begriffen hast, ist es zu spät, um es noch zu ändern."

    Ist das nicht auch so ein Kalenderspruch mit pfegeleichtem "Billig-Sinn"? ;-)

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    1. Richtig! Und ich erwarte, dass du den Spruch optisch aufbereitet bei Facebook postest. Das gibt Likes bis zum Abwinken. Versprochen! :o)))

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    2. Tut mir leid, da bin ich nicht angemeldet, mein soziales Netzwerk beschränkt sich auf nicht-virtuelle Beziehungen in einem überschaubaren Freundes- und Bekanntenkreis.
      Mich interessiert nur, woher dieser "Sinnspruch" stammt, den ich für eine faule Ausrede halte.

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    3. Quelle ist im Text angegeben. Einfach mal bei Google eingeben. Oder bist du da auch nicht angemeldet? :o)))

      Der Autor, A. Wellmer, war zu meiner Studentenzeit Philosophie-Prof an der FU.

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  2. Du wirst lachen, ich musste 2012 mein Youtube-Konto aufgeben, weil ich mich eben auch nicht bei Google anmelden wollte, was plötzlich Pflicht wurde. Ich google auch nicht, sondern "ixquicke".
    Aber ich bin zu blöde die Quelle im Text auszumachen, von daher vielen Dank!

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  3. Ich hab das mal eben von Schillern aufgoethen lassen:
    "In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling,
    still, auf gerettetem Boot, treibt in den Hafen der Greis.

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    1. Alle Achtung! Ich bewege mich hier in gebildeten Kreisen. Offenbar trifft sich in diesem Blog am Nachmittag der Restbestand des hiesigen Geistesadels.

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  4. Das ja.
    Aber mich interessiert daneben auch noch mein Irrationalismus. Anlässlich Deiner These zum Träumen fahnde ich nach Leuten, die sich damit auszukennen vorgeben: Warum bin ich bei meinen phantastischen Stadt- und Architekturträumen, wo keine Menschen drin vorkommen, sondern nur nie gesehene Formen, glücklich?
    Es schändet niemanden, wenn da keiner was drüber weiss. Das würde ja nur heißen, dass Matthias recht hat.

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    1. Bin gespannt, was du rausbekommst. Meine These ist ja zunächst mal recht subjektiv ...

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  5. Ich glaub, das muss ich schon schön selber machen. Also:
    Dass die kafkasche Maus der Katze auch hier nicht entkommt, liegt im Falle des Träumens an der Unmöglichkeit von Re-Flexion im Zustand äusserst reduzierter Geistestätigkeit.
    Wäre also schon ein bisschen viel verlangt von einem Organ, das bereits im Wachzustand eher selten zu ganz unpraktischen "Meta-Funktionen" verwendet wird.

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