Montag, 7. September 2015

Der politisch-mediale Komplex

„So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“ (John Swinton, New York Times, 1880)
Journalisten sind nicht der Wahrheit verpflichtet, sondern ihrem Arbeitgeber. Abgeordnete sind nicht ihrem Gewissen verpflichtet, sondern ihrer Partei, d.h. ihrem Arbeitgeber. Wer das Gegenteil behauptet, ist entweder naiv oder verlogen. Medien und Politik sind selbstverständlich käuflich, das sind sie immer gewesen. Es gibt keine Loyalität gegenüber der Leserschaft oder der Wählerschaft. Es gibt Arbeitgeber und Arbeitnehmer, es gibt Befehl und Gehorsam.
Früher gab es in Berlin die Institution des Leierkastenmanns. Er stand an einer Straßenecke und drehte die Kurbel seines Leierkastens, der immer dieselbe Melodie spielte. Die Leute gaben ihm etwas Kleingeld und er spielte weiter. Heute gibt es keinen Leierkastenmann mehr. Warum? Weil die Leute das Lied nicht mehr hören können. Die ewig gleiche Leier. Diese Erfahrung machen gerade die Journalisten und Politiker, die Verlage und Parteien.
Der Deutsche als Lehrer, die Welt als Klassenzimmer. Wer nicht exakt die gleiche Politik wie Deutschland macht, hat „seine Hausaufgaben nicht gemacht“. Rohrstockpädagogik.
„Es gibt Fernsehprogramme, bei denen man seine eingeschlafenen Füße beneidet“ (Robert Lembke). Für Parteiprogramme gilt das gleiche.
Journalisten fragen, Politiker antworten. Kein Wunder, dass die Zahl der Abonnenten jedes Jahr sinkt.
Angst ist der Punkt, an dem Politik und Medien sich treffen. Die Politiker brauchen ein Klima der Angst, um die Bevölkerung effektiv kontrollieren zu können. Journalisten verkaufen uns Horrorgeschichten, weil sich damit hohe Umsätze erzielen lassen. Und über die Medien können sich die Politiker wiederum als Beschützer und Problemlöser verkaufen.
Religion funktioniert übrigens nach dem gleichen Muster:
„Religion is based, I think, primarily and mainly upon fear. (…) Fear is the basis of the whole thing -- fear of the mysterious, fear of defeat, fear of death. Fear is the parent of cruelty, and therefore it is no wonder if cruelty and religion have gone hand in hand.” (Bertrand Russell: Why I Am Not a Christian)
Foghat - Slow Ride. https://www.youtube.com/watch?v=GcCNcgoyG_0

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen