Samstag, 29. August 2015

Lupo Laminetti

„Das Ergebnis von 28.000 Semestern irgendwas, zusammengefasst in einem Satz, der auf der Seitenfläche einer Würfelzuckerverpackung Platz findet … - manchmal gruselt es mich vor mir selbst. Oder ist diese spezielle Mischung aus Mettbrötchen, Snickers und Müller-Thurgau der eigentliche Grund für meine Fähigkeit, wie eine Stalinorgel die letzten Weisheiten der Menschheit rauszuhauen?“ (Lupo Laminetti: Mein Leben zwischen zwei Brotscheiben)
Lupo Laminetti, bekannt für seine zügellose Verwendung von überflüssigen Adjektiven, leitet seit dreißig Jahren mit unvergleichlicher Unfähigkeit die Redaktion des Bad Nauheimer „Proletenecho“, das sich im Armenviertel der Stadt einer ungebrochenen Beleibtheit, nein, das ist falsch, einer ungebrochenen Beliebtheit erfreut.
Außerdem hat er den Spoken-Word-Award der Stadt Herne 2015 für die lautmalerische Umsetzung seines Sonetts „Der Zahnschmerz“ gewonnen, das er der Legende nach in einem Fahrstuhl auf dem Weg zur Tiefgarage geschrieben hat.
Er ist mit der Künstlerin Yolanda Halfpenny verheiratet, die aus Objets trouvés, die das Meer an den Strand von Bad Nauheim gespült hat, meterhohe Skulpturen herstellt, die die gesellschaftlichen Verhältnisse der neoliberalen Spätmoderne kritisch hinterfragen. Wenn sie ausnahmsweise keine Lust hat, wird aus den Fundstücken ein Ready-made. Als „Her Slutiness“ tritt Yolanda auch als Performance-Künstlerin auf.
Sie erkennen Lupo Laminetti an seiner ferrariroten Piaggio Super Bravo, mit der er durch die Stadt rast, unermüdlich auf der Suche nach der nächsten heißen Story. Er ist nur 1,57 Meter groß und rümpft seine lange spitze Nase gerne über die Ungerechtigkeit der Welt. Seine langen schwarzen Koteletten bilden einen eigentümlichen Kontrast zu seiner hohen Stirn.
Er ist nicht einfach nur ein Schriftsteller und Journalist, sondern setzt als Mitglied der situationistischen Internationale (SI) bewusst die Methoden der Kommunikationsguerilla ein, d.h. er verknüpft in seinen Texten mit zermürbender Beharrlichkeit Information und Desinformation, um den Warencharakter des Menschen und den Fetischcharakter des Geldes zu entlarven.
Schon als Kind hat er keinen Wunschzettel für den Weihnachtsmann geschrieben, sondern einen Forderungskatalog aufgestellt, der mit einem Ultimatum verbunden war. Einmal hat er drei Tage lang die Fernsehfernbedienung versteckt, um von seinen Eltern das Lego-Set „Che Guevara“ zu epressen.
Er ist eigentlich trockener Alkoholiker, wird gegen Abend jedoch bisweilen von einer rätselhaften Amnesie befallen, bevorzugt in der Nähe des „Seven Arms“, einem spelunkenförmigen Mikrokosmos in der Badstraße, der zentralen Achse des Armenviertels, das die Einheimischen schlicht „die Bronx“ nennen.
Schon in jungen Jahren hat er den „Laminetti-Stil“ erfunden. Er notiert sich alles, was er für einen Text braucht, in einer Kneipe auf diverse Bierdeckel. Diese Deckel holt er am nächsten Morgen aus der Jackentasche, mischt sie einmal kräftig durch und verwendet die zufällige Reihenfolge der Textelemente als Grundstruktur einer Reportage, einer Erzählung oder was auch immer.
Lupo Laminetti beginnt eine Überschrift oder einen Text grundsätzlich nicht mit einem Vokal. Er sagt selbst dazu: „Wenn man schon Grundsätze hat, sollten sie vollkommen albern und nutzlos sein.“
Er wurde in Torre del Greco, einer Kleinstadt in der Nähe von Neapel geboren. Sein Vater leitete das berühmte Centro Mondiale della Poesia e della Cultura Giacomo Leopardi.
Leopardis kurzes Leben (1798-1837) war geprägt durch Armut und Einsamkeit. Er hatte nie eine feste Anstellung oder eine feste Beziehung. Nietzsche bezeichnete ihn als einen der vier Meister der Prosa des 19. Jahrhunderts. Er begleitete seine Zeit als melancholischer Skeptiker. Einige Sentenzen des vergessenen Meisters:
„Die Menschen schämen sich nicht des Unrechts, das sie tun, sondern dessen, das sie leiden.“
„Ich habe geweint, weil ich keine Schuhe hatte, bis ich einen traf, der keine Füße hatte.“
„Zwei Wahrheiten, die die Menschen nie glauben werden: dass sie nichts wissen und dass sie nichts sind. Man füge eine dritte hinzu: dass es nach dem Tod nichts zu hoffen gibt.“
„Kein Jahrhundert reiner Barbarei hat sich je für barbarisch gehalten, sondern jedes hat noch immer geglaubt, die Blüte der Jahrhunderte und das vollkommenste Zeitalter des menschlichen Geistes und der Gesellschaft zu sein.“
Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn es heißt: Vergessen Sie Andy Bonetti! Die Zukunft gehört Lupo Laminetti, einer hoffnungsvollen Nachwuchskraft von der dunklen Seite Bad Nauheims.
The Soul Survivors - Expressway To Your Heart. https://www.youtube.com/watch?v=K8M-J9_uQhU

1 Kommentar:

  1. Da wir gerade bei Leopardi sind, da hätte ich auch noch einen schönen:
    "Herrschaft und Gewalt, ob du sie wen'gen wünschest oder vielen - mißbrauchen wird sie stets, wer sie besitzt".

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