Dienstag, 16. Juni 2015

Die Zukunft von gestern 1

„Er ergab sich ganz der Macht, die ihm als die erhabenste auf Erden erschien, zu deren Dienst er sich berufen fühlte, und die ihm Hoheit und Ehren versprach, der Macht des Geistes und Wortes, die lächelnd über dem unbewußten und stummen Leben thront. Mit seiner jungen Leidenschaft ergab er sich ihr, und sie lohnte ihm mit allem, was sie zu schenken hat, und nahm ihm unerbittlich all das, was sie als Entgelt dafür zu nehmen pflegt.
Sie schärfte seinen Blick und ließ ihn die großen Wörter durchschauen, die der Menschen Busen blähen, sie erschloß ihm der Menschen Seelen und seine eigene, machte ihn hellsehend und zeigte ihm das Innere der Welt und alles Letzte, was hinter den Worten und Taten ist. Was er aber sah, war dies: Komik und Elend – Komik und Elend.“ (Thomas Mann: Tonio Kröger)
Der folgende Text ist meine erste Veröffentlichung, die Geschichte erschien 1978 in der Schülerzeitung am Sebastian-Münster-Gymnasium Ingelheim. Die Rechtschreibung wurde nicht angepasst, nichts wurde verbessert. Damals war ich zwölf Jahre alt und Science-Fiction- Fan.
Ein Tag im Leben eines Menschen im Jahr 3000
Es war 8:15 Uhr mittelkosmischer Zeit. Jonathan Naborrow wurde durch seinen Elektrowecker, der alle 15 Jahre neu geladen muß, geweckt. Sein Bett war aus einem superweichen, kaum spürbaren Stoff aus dem Sternensystem Komato, den Forscher entdeckt haben. J. Naborrow ging an seinen Tisch. Auf Knopfdruck kam aus einer Röhre ein weißer Plastikteller, der bazillenabstoßend wirkt, mit einem kleinen farblosen Klumpen. Dieser Klumpen bestand aus reinen Vitaminen. Andere nicht verwertbare Stoffe gab es nicht. Also auch keinen körperlichen Abfall. Toiletten waren somit abgeschafft. Nachdem J. Naborrow gefrühstückt hatte, ging er an einen Tisch und sah die Post durch. Sie bestand nicht aus beschriftetem Papier, sondern aus besprochenen Bändern. J. Naborrow bekam viel Post, denn er war der Gouverneur vom Merkur. Der Merkur ist heute mit der Erde der bedeutendste Planet im Weltraum. Vorher war es noch der Mond mit der Erde. Der Merkur hat durch Molekülzerlegung eine Luftatmosphäre wie die Erde bekommen. Am Nord- und Südpol waren riesige Schirme, die den Planeten erwärmten und eine Vegetation ermöglichten. Hier leben ca. 5 000 000 000 Menschen. Im Sonnensystem gibt es nur noch 3 Planeten: Saturn, Merkur und Erde. Der Rest ist durch einen Superkrieg zerstört worden. Dieser Krieg war der größte, den es je gegeben hat. Eine riesige Macht aus gasförmigen Wesen, die Lichtkanonen hatten, griffen das Sonnensystem an. Dabei wurden 3/5 des Weltraums zerstört. Nach 200 Jahren Krieg gewann die Menschheit. Sie hatte nicht mit Waffen, sondern mit Bazillen gewonnen. Diese befielen die anderen Wesen und töteten sie. Leider wurde die Kolonie Mond zerstört und ca. 7 000 000 000 Menschen fanden den Tod. Auf der Erde wohnen heute ca. 15 000 000 000 Menschen. Das Lebenserhaltungssystem war genauso wie beim Merkur. Rohstoffe entwickelten sie aus einem Stoff, aus dem ein Planet im Sternensystem Ipolus besteht. Im Krieg wurde auch ein Schutzanzug entwickelt, der eng an der Haut anliegt. Durch den Anzug kann man atmen: er gibt bei Ausfall der Schirme an den Polen Wärme. Er ist unsichtbar. Man muß Kleider drüberziehen. Es kann ihn keine Kugel durchdringen; er kann Vitamine für 2 Monate selbst bilden, und er wächst mit, so daß man ihn nie mehr auszuziehen braucht. So einen Anzug hatte J. Naborrow natürlich auch an. Heute mußte er den Jahresbericht an den Weltherrn abschicken. Dies geschah auf Lichtdrähten. Auf der Erde gab es nur noch einen ganzen Staat, nicht mehr viele Staaten. Im Krieg hatte die Menschheit gelernt, zusammenzuhalten. Das Tonband, welches bei der Post war, war 40 Minuten lang und beinhaltete Sterbeziffern, Unfallziffern, Geburtenziffern, Steuereinnahmen, Geld für Forschungen usw. Jetzt schallte es sanft aus einem Lautsprecher. Eine mechanisch klingende Stimme sagte: „Mittagessen! Es ist 13:00 Uhr mittelkosmischer Zeit.“ J. Naborrow stand auf. Er ging auf die Tür zu, die sich, wenn man sich 1 Meter nähert, öffnet. Sie versagte auch jetzt nicht. Er ging in einen Raum, wo schon seine Frau saß. Sie hatte ein wohlgeschnittenes Gesicht, schlanke Figur und großen Wuchs. Sie hatte die neueste Mode an, die Fingernägel knallgelb lackiert und das Augenweiß golden gefärbt. Jetzt sagte sie: „Setz dich! Wie war die Arbeit? Langweilig, oder? Ich habe deine Vitamine nach Vanille-Geschmack vom Küchenroboter zubereiten lassen.“ So redeten die beiden. Nach dem Mahl ging J. Naborrow auf die Landeplattform seines Hauses, das aerodynamische Formen hatte. Sein Raumjet kam jetzt. Er stieg ein. Er speicherte den Computer mit dem gewünschten Ziel und der Jet steuerte sich selber. Der Jet war 3 Meter lang und 1 Meter breit. Notfalls konnte der Jet Lichtgeschwindigkeit erreichen, aber auf den Flugstraßen, die magnetisch abgetrennt waren, durfte man nur 10 000 km/h fliegen. Der Jet flog auch elektronisch und mußte, wie der Elektrowecker, alle 15 Jahre neu geladen werden. Das Ziel der Reise war das Kongreßzentrum. Auf der Landeplattform stieg er aus. Er ging in eine Versammlung, die für 15:00 Uhr vorgesehen war. Es war 14:89 Uhr. J. Naborrow setzte sich. Er hielt eine Rede, wie wichtig es war, eine Expedition in das fast zerstörte Sonnensystem Ramela zu schicken, weil auf einem Planeten neue Stoffe entdeckt worden waren. Schließlich stimmten alle Mitglieder der Versammlung ab. Das Urteil war einstimmig. Angenommen! Jetzt war es 16:92 Uhr. J. Naborrow beendet die Versammlung und fuhr auf demselben Weg, wie er gekommen war, nach Hause. Seine Arbeit war für heute beendet. Schließlich ist man auch nur ein Mensch, dachte er bei sich. In seinem Haus trieb er noch etwas Sport in einem großen Raum. Mit Elektrozählern konnte man seine Leistungen auf Tonband aufnehmen. Alle Holzvorräte waren ja aufgebraucht und somit gab es kein Papier im Weltraum. Um 21:00 Uhr ging er dann nach einem Vitamin-Abendbrot ins Bett. So hatte J. Naborrow einen weiteren Arbeitstag hinter sich. Einen Tag aus ferner Zukunft. Nämlich aus dem Jahr 3000!

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