Montag, 4. Mai 2015

Das Auswahlverfahren

„Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)
A: Haben Sie alle Bewerber analysiert?
B: Ja, ich habe sämtliche Daten ausgewertet. Es sind fünf Kandidaten übrig geblieben.
A: Liegt auf Ebene 1 einer der Kandidaten vorne?
B: Nein. Alle haben innerhalb der Regelstudienzeit ihre Ausbildung absolviert. Alle mit Bestnoten. Alle mit Auslandsaufenthalt und Praktika.
A: Fachkenntnisse in unserer Branche?
B: Bringen sie alle mit.
A: Was haben wir auf Ebene 2 für Ergebnisse?
B: Eine Kandidatin ist 35 Jahre alt und hat gerade geheiratet.
A: 35? Kurz vor Toresschluss. Wir können nicht ausschließen, dass sie in den nächsten Jahren schwanger wird und die Stelle blockiert. Dann riskieren wir zusätzliche Kosten für ein neues Auswahlverfahren und die Einarbeitung einer Schwangerschaftsvertretung. Streichen Sie die Kandidatin von der Liste!
B: Gut. Dann haben wir einen Kandidaten, der Mitglied in einer Bürgerinitiative für die Erhaltung eines Altbauviertels ist. Außerdem wurde er mit 16 erwischt, als er Cannabisprodukte konsumierte.
A: Der könnte Ärger machen. Auch streichen. Sonst auf Ebene 2 alle sauber?
B: Die anderen drei Kandidaten sind unauffällig.
A: Kommen wir zu Ebene 3.
B: Da haben wir einen Kandidaten, der übergewichtig ist. Die Werte für Blutdruck und Cholesterin der letzten zwölf Monate sind permanent über den Richtwerten, die von den Krankenkassen empfohlen werden. Er bestellt regelmäßig Pizza und Hamburger bei diversen Lieferdiensten. Im Internet ist er häufig auf den Seiten von regierungskritischen und unternehmensfeindlichen Bloggern unterwegs.
A: Gefällt mir nicht. Dann ist die Leistungsfähigkeit langfristig suboptimal. Und er könnte mit Kritik die internen Abläufe stören.
B: Der nächste Kandidat erfüllt zwar die körperlichen Parameter, aber er ist häufig auf Online-Seiten, die gewalttätige Rollenspiele anbieten. Er ist auch in den entsprechenden Foren. Er hat außerdem eine Dauerkarte für den örtlichen Fußballclub. Nach unseren Daten hatte er noch nie eine Freundin, klickt aber jeden Tag mehrfach Pornoseiten ein. Deutet auf exzessive Selbstbefriedigung hin.
A: Gefällt mir auch nicht. Soziopath mit Gewaltpotential. Schlecht für den Kundenkontakt. Wir brauchen Leute, die wir flexibel im Innen- wie im Außendienst einsetzen können. Was ist mit dem letzten Kandidaten?
B: Keine auffälligen Verhaltensmuster. Auch seine Mail- und Facebook-Kontakte sind sauber. Er liest nur die üblichen Internet-Seiten der großen Medienkonzerne und bestellt im Online-Handel keine Bücher, sondern hauptsächlich Textilien und Haushaltsartikel.
A: Das klingt gut. Und er hat wirklich keine Macken?
B: Er ist regelmäßig auf wikifeet und schaut sich manchmal eine halbe Stunde lang die Füße von prominenten Frauen an.
A: Ein Fußfetischist. Die sind harmlos. Im Regelfall devot und als Mitarbeiter leicht zu handhaben. Geben Sie dem Mann einen Zeitvertrag für eine Probezeit von drei Monaten. Mindestlohn, keine Überstundenzuschläge. Dann sehen wir weiter.
Fehlfarben - Es geht voran. https://www.youtube.com/watch?v=snWg7eeoo3M

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