Sonntag, 14. Dezember 2014

Post-Konfetti 4

„Dein Mann macht einen sympathischen Eindruck auf mich, wenn er eigentlich eine Frau sucht, die ihn finanziert. Denn genau das ist die Obsession des modernen Mannes von heute: SIE macht Karriere, Überstunden und bringt die Kohle nach Hause, ER hütet - im Zeitalter der Wasch- und Geschirrspülmaschinen, der professionellen Kinderbespaßung, Ganztagsschulen und billigen Putzhilfen - das Haus/das Bett/die Plattensammlung/den Fernseher. Von solchen Frauen träume ich auch. Frauen an die Macht, Männer in den Getränkemarkt! (…) und schon hast du dein großes Herz für immer weg geschenkt, Haus und Hof, Kind und Kegel werden angeschafft, alle sind glücklich (bis auf die hohen Bierpreise). Dein Colonel Feinripp“
„Bier: Da sprichst du natürlich so ein Thema an. Aus Platzgründen bleibe ich hier bei den Vorbemerkungen zu einer Einleitung des Biertrinkens an und für sich. Hier in Berlin kaufe ich immer ein preiswertes und schmackhaftes Tschechenbier namens Stara Bohemia (5 Euro pro Kasten!). Im Bereich des Weizenbiers ist das Weihenstephan zu empfehlen, die anderen bayrischen Biere sind aber auch sehr gut. Das beste Bier gibt es in Prag, wenn man es in ausgewählten Kneipen trinkt, wo es unpasteurisiert als Tankové Pivo aus dem Zapfhahn kommt. Prag ist das Zentrum der Bierwelt und dort wiederum ist der ‚schwarze Ochse‘ mein Wohnzimmer.“
„Ich war bereits 1985 zum ersten Mal arbeitslos gemeldet und bin es gerade wieder. Just in diesem Augenblick schaue ich auf die längste Periode arschkratzender und fußnägelpuhlender Rumhängerei meines Lebens zurück, exakt 65 Monate. Aber es geschehen Zeichen und Wunder! Ein Problemkiez im Wedding will mich als Kiezschreiber. Reportagen, Kurzgeschichten, Krimis. Ich soll eine kleine Stadtteilzeitung gründen, das Brunnenviertel hat 20.000 Einwohner. Also back to the roots: Wie in Ingelheim für die Schülerzeitung und die AZ Berichte und Erzählungen schreiben. Das Gehalt ist zwar mickrig, reicht aber allemal. (…) Als Autor hast du kaum feste Zeiten und Termine, du arbeitest, wenn dir danach ist. Das ist ein großer Vorteil. So wie wir damals zur Schule gingen, könnte ich nie arbeiten. Ich habe ja noch nicht mal eine Uhr oder einen Kalender.“
„Wir vom Kommando Harald Juhnke, Bewegung 3,5 Promille bei Tageslicht, haben bei unserer letzten Versammlung einstimmig beschlossen, das - wegen des Klimawandels! - nur noch aus Flaschen getrunken wird. Ich habe schon selbstgebrannten rheinhessischen Schnaps aus Plastikkanistern gesoffen, da werde ich doch auf meine alten Tage nicht mit Probiergläschen anfangen. Die Glasgröße 0,1-Liter wird übrigens hier im Osten nur für Wodka verwendet (‚sto gramm‘), bei polnischen Hochzeiten trinkt man den Fleckenentferner sogar aus Wassergläsern!“
„Bin gerade wieder zurückgekommen und sitze jetzt wieder in meiner Bruchbude, nachdem ich zwei Wochen in einem superedlen Appartement im 35. Stock mit Panoramablick über Tokio verbracht habe. Es war eigentlich ganz easy, sich durch das Land zu bewegen, weil hier mit urdeutscher Gründlichkeit überall zweisprachige Schilder aufgestellt worden sind und die höflichen/schleimigen Japaner einem auch immer gleich weiter geholfen haben, wenn man was gesucht hat. Wir haben uns alles angeschaut, was wir uns vorgenommen hatten, und sind mit diesen comicmäßigen Shinkansen durchs Land gerast. Sehr lustig sind die Toiletten: sie öffnen sich automatisch, der Sitz ist beheizt, man bekommt mit parfümiertem Wasser den Arsch gespült und auch der Rest geht vollautomatisch. Die Menschenmassen sind unglaublich gewesen, und alles war so sauber und glänzend und perfekt. Da lobe ich mir meine blind gekratzten U-Bahn-Scheiben, die zugeschissenen Bürgersteige und das pampige Supermarktpersonal in meiner No Future-Metropole Berlin. Selbst das Klima war im streberhaften Tokio nicht auszuhalten: T-Shirt-Wetter und Sonnenschein statt mufflig machender Wolkentrostlosigkeit. Dit hält ja keener aus, Menschenskind!“
„Wenn du auf einen Zen-Garten blickst, ist alles Unangenehme verschwunden, Harmonie und Ruhe stellen sich ein. In dieser Hinsicht fand ich den goldenen Kinkaku-ji-Tempel in Kyoto am schönsten. Aber diese asiatische Mentalität, auch die allergrößte Scheiße mit Gleichmut hinzunehmen, ist uns nun mal nur augenblicksweise gegeben. Und vielleicht ist es auch ganz gut so, denn manchmal erscheint mir die asiatische Gelassenheit eher wie eine elegante Form der Gleichgültigkeit.“
„Hatte heute Weihnachtsfeier mit allem Drum und Dran: Buletten, Kartoffelsalat, Schnitzel und Stollen. Und 'ne Tafel Schokolade und 'ne Kerze gab's geschenkt ... - in meinem ersten Arbeitsmonat. Und jetzt trete ich gleich meinen ersten Urlaub an. Wer redet denn hier von Wirtschaftskrise?“
„Wen ich leben will, müssen andere für mich sterben. Aus diesem moralischen Dilemma komme ich nicht raus, egal ob ich Karnivore oder Vegetarier bin. Entweder müssen Tiere für mich sterben oder Pflanzen. Und Pflanzen sind auch Lebewesen, die sich nicht freiwillig opfern. Deswegen pfeife ich auf das moralinsaure Gefasel von irgendwelchen geföhnten Susis. Am liebsten habe ich Vegetarier ja mit Lederjacke und einem Fisch-Mac in der Hand, wenn sie mir von ihrer Tierliebe und ihrem Umweltbewusstsein erzählen. Konsequent wäre der Suizid, dann hört es auf, dass andere sterben, damit ich leben kann. Aber wenn ich sterbe, vernichte ich Milliarden von Bakterien, Milben und anderen Kleinstlebewesen, die in und auf mir wohnen und voller Hoffnung auf die Zukunft eine Familie gründen. Wir töten nicht nur, wir schenken auch fortwährend Leben.“
„Das schönste am Urlaub ist ja der kurze Moment davor, wenn man von der Arbeit nach Hause fährt und alles noch vor sich hat. Das ist noch ein kleines bisschen schöner als der Urlaub selbst. Aus Glück wird nach wenigen Augenblicken Zufriedenheit, die nach wenigen Tagen in wunschloses Dösen übergeht. Schön, wie ich nach wenigen Arbeitstagen wieder über diese Dinge schreiben kann.“
„Ein ödes tschechisches Lokal in Weissensee, mit Blick auf eine Kirchenruine wie auf dem Breitscheidplatz. Aus den Lautsprechern erklingen, nein: plärren die böhmischen Varianten alter Sinatra-Songs. Ich verdächtige Karel Gott der sprachlichen und stimmlichen Schändung dieses Liedguts.“
„Wo warst du? Ich habe einsam in die Dim Sum geheult. Ist das der Tiefpunkt unserer Beziehung, mein Pfirsichbäckchen? Fragt sich, wie immer nicht ernsthaft, das große E“
„Der Fortschritt ist ein seltsamer Onkel. Er verspricht uns Dinge, die wir nicht bekommen. Den Roboter als modernen Ersatz des Sklaven zum Beispiel. Und er bringt uns Dinge, die er uns nicht versprochen hat. Das Internet zum Beispiel.“
„Wie willst du mit vierzig noch in die Disco kommen? Du kannst dir Sprüche anhören wie ‚Was willst denn du hier, Opa?‘ oder ‚Bist du zum Sterben hergekommen?‘ Es geht in meinem Alter eigentlich nur noch mit der guten alten Miami-Vice-Nummer: ein Pseudoausweis aus einer Cornflakespackung, der Mut, den man nur durch völlige Trunkenheit haben kann, und die Geschwindigkeit einer Screwballkomödie auf Koks. Und selbst das hat noch nie geklappt.“
„Mit welcher Leichtfertigkeit und mit welcher Niedertracht sich manche Menschen selbst von jeder Schuld freisprechen. Aber die Lügner und Betrüger kommen nach einer gewissen Zeit zu dir zurück. Es ist wie bei den Katzen. Wenn du in eine fremde Wohnung kommst und da ist eine Katze. Zuerst läuft sie weg. Dann bleibt sie eine Weile verschwunden. Und schließlich schaut sie, ganz unten am Türrahmen, ins Wohnzimmer hinein, wo du auf der Couch sitzt. Irgendwann kommt sie näher, sie tut natürlich ganz unbeteiligt. Nach einer Weile springt sie auf das Sofa, aber nicht auf deinen Schoß, keine Sorge. Sondern weit weg von dir. Und dann dreht sie sich dreimal im Kreis, bevor sie es sich umständlich wie eine britische Adlige bequem macht. Sie beobachtet dich weiter. Und wenn du keinen Fehler machst, wenn du dich also nicht bewegst und weiter mit deinen Gastgeber plauderst, pirscht sie sich an den Gegenstand des Interesses heran und schnurrt vor Zufriedenheit. Ich muss also nur auf dieses Schnurren warten ...“
„Das Buch habe ich letzte Woche bestellt, heute Morgen finde ich einen Zettel im Briefkasten, dass ich vor zwanzig Minuten gar nicht zu Hause gewesen wäre. Dabei war ich die ganze Zeit da. Frechheit! Die faule Sau von der Post! Ich natürlich sofort zu meinem Postamt, im strömenden Regen, ist nach der letzten Massenschließung von Filialen nur ein oder zwei Kilometer entfernt. Da bin ich ja ganz ruhig, Buddha nix gegen mich. Und da hab ich mir die Frau am Postschalter vorgenommen, als ich nach einer halben Stunde endlich an der Reihe war: Das darf doch alles nicht wahr sein! Wo kommen wir denn da hin? Früher war alles besser! Viel besser sogar! Wir waren jung und die Welt war schön. Und jetzt? Alles Scheiße und die Post ganz besonders. Im Napalminferno meines Mundgeruchs zerknitterte ihr Gesicht zu einem Ausdruck der Menschenverachtung, mit dem man sie vermutlich auch bei der Waffen-SS genommen hätte. Das Buch habe ich nie wieder gesehen.“
Nichts - Hallo Kartoffelsalat. https://www.youtube.com/watch?v=SJdXx8jco18

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