Dienstag, 30. Dezember 2014

Der vernünftige Mensch (1986)

1. Akt
- Vorhang auf. Ein Mann steht auf der Bühne und pinkelt an einen Baum. –
Mann: Ich bin der vernünftige Mensch.
- Ein zweiter Mann tritt auf –
Zweiter Mann: Ich heiße Papa Rabel, ha ha.
- Ein Gespenst tritt auf und heult bedrohlich –
Gespenst: Ihr argen Buben, ich fresse euch mit Haut und Haar!
Zweiter Mann: Da renn ich doch mal lieber weg.
- Zweiter Mann rennt weg –
Mann (zieht einen Versandhauskatalog aus der Tasche und hält ihn dem Gespenst unter die Nase): Es gibt keine Gespenster. Weder in unseren Köpfen, noch in unseren Büchern. Verschwinde!
Gespenst: Du hast Recht. Auf Wiedersehen.
- Gespenst verbeugt sich zum Publikum und tritt ab. Vorhang zu –
2. Akt
- Vorhang auf. Mann lehnt allein am Baum –
Mann: Ich finde das Stück blöd und habe im Übrigen auch gar keine Lust mehr. Herr Regisseur, hören Sie, ich habe keine Lust mehr!
- Der Regisseur klettert vom Zuschauerraum auf die Bühne –
Regisseur: Aber das steht doch gar nicht im Text.
Mann: Doch, sonst würde ich es ja nicht sagen. Oder glauben Sie wirklich, auf offener Straße würde ich mich so umständlich und gewählt ausdrücken? Wir könnten ja mal den Autor fragen.
Regisseur: Ich hole ihn.
- Regisseur geht –
Mann: Dem Regisseur ist nichts zu schwör.
- Regisseur und Autor kommen auf die Bühne –
Mann: Guten Tag, Herr Eberling. Ich finde, es ist eine üble Täuschung, den Leuten hier weißmachen zu wollen, all das wäre Improvisationstheater, obwohl Sie doch vorher alles aufgeschrieben haben.
Autor: Nehmen Sie doch um Himmels Willen Rücksicht aufs Publikum!
Mann: Lassen Sie die Leute ruhig zuhören, sie haben schließlich dafür bezahlt. (Zum Publikum) Ihr Idioten, ihr steindummen Idioten. Ätsch Rabäh (macht Fratzen zum Publikum hin).
Regisseur (zum Autor): Schreiben Sie lieber weiter an dem Stück, bevor es vollends außer Kontrolle gerät und noch Unheil anrichtet.
- Der Autor geht. Der Regisseur zerrt den Mann von der Bühne. Vorhang zu –
3. Akt
- Vorhang auf. Dreißig Minuten leere Bühne. Alle fünf Minuten werden Staumeldungen aus dem Off durchgegeben. Vorhang zu –
4. Akt
- Vorhang auf. Putzfrauen reinigen die Bühne. Die Zuschauer gehen. Vorhang zu –
5. Akt
- Vorhang auf. Der Hausmeister vertreibt die letzten hartnäckigen Theaterkritiker. Der Autor betritt die Bühne und beginnt, an den Baum zu pinkeln -
Autor (ruft): Kunst darf alles!
- Der Baum fällt um. Letzter Vorhang –

 
P.S.: Dies ist das einzige Theaterstück, das ich je geschrieben habe. Es entstand an einem einzigen Tag, am 11.10.1986.

2 Kommentare:

  1. Geil. Bitte aufführen. Endlich Theater, das auch ich verstehe. Darf ich das Gespenst sein?

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    1. Sobald es die Temperaturen zulassen, beginnen im Mauerpark die Proben. Hast du schon eine Idee, wie du deine Figur anlegen willst?

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