Dienstag, 3. Juni 2014

Die Geschichte der Fußballweltmeisterschaft, Teil 4

Von den restlichen Turnieren will ich nur wenige herausgreifen. Da ist natürlich die Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland zu nennen. Es war die erste WM, die ich gesehen habe. Und ich habe sie komplett gesehen! Auf einem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher ohne Fernbedienung, den ich im Jahr zuvor zu Weihnachten geschenkt bekommen habe, damit ich nicht permanent das Wohnzimmer belagere. In der Vorrunde gelang es dem früheren Assistenten und Nachfolger Herbergers, Helmut Schön, durch eine Niederlage gegen die „DDR“ (es wurde in der Springer-Presse immer in Anführungszeichen gesetzt) im letzten Gruppenspiel der Vorrunde den Einzug in die Todesgruppe mit den starken Niederlanden, Weltmeister Brasilien und Argentinien zu vermeiden. Paul Breitner hat die absichtliche Niederlage – wie 1954 in der Vorrunde gegen Ungarn – später offen zugegeben; BRD und DDR waren bereits vor Anpfiff für die nächste Runde qualifiziert. Finalgegner Holland war das genaue Gegenteil der militärisch auf den Punkt vorbereiteten Deutschen. Sie hatten ihre Frauen ins Mannschaftshotel mitgebracht, Alkohol und Zigaretten waren erlaubt – während die Deutschen in Doppelzimmern (!) wie in einer Jugendherberge kaserniert wurden. Den zweiten deutschen WM-Titel habe ich auf einem Campingplatz in der Eifel erlebt, der hauptsächlich von Holländern bevölkert war. Es wurde eine kleine, aber unvergessliche Feier: mein Vater und ich in einem Zweimannzelt, Ravioli vom Gaskocher und Mineralwasser. Die Spieler erhielten jeweils 70.000 DM für den Turniersieg – und einen VW-Käfer.
1982 war die WM in Spanien. Zwei Spiele sind mir noch lebhaft in Erinnerung. Da ist zum einen die „Schande von Gijon“, das Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Österreich. Mit einem knappen Sieg der Deutschen wären beide Mannschaften für die nächste Runde qualifiziert. Die DFB-Auswahl ging auch prompt in Führung – und beide Mannschaften stellten das Fußballspiel komplett ein. Seither finden alle letzten Gruppenspiele zeitgleich statt. Und zum anderen das Halbfinale Deutschland gegen Frankreich, die „Nacht von Sevilla“. Das Spiel ging in die Verlängerung, ich saß mit einem Freund und dessen Eltern bibbernd vor dem Fernseher in Schweppenhausen. Die Franzosen gingen 3:1 in Führung, aber die Deutschen schafften noch den Ausgleich. Elfmeterschießen. Wahnsinn! Zum ersten Mal in der Geschichte der WM. Frankreich führte zunächst, aber dann verschoss auch ein Franzose. Alle fünf Elfer geschossen. Weiter geht’s. Und dann haben die Deutschen doch noch gewonnen. Fünfzehn Tore fielen in diesem Spiel. In dieser Nacht konnte man vor Aufregung kaum schlafen. Auf dem Nachhauseweg traf ich Leute auf der Straße, die es nicht mehr auf dem Sofa gehalten hatte und die einfach reden mussten. Handy und Internet gab es ja noch nicht und so spät konnte man damals ja niemanden mehr übers Festnetz anrufen (Faustregel: nach zwanzig Uhr nur bei Todesfällen oder Feuersbrünsten). Das Finale gewannen die Italiener, die sich mit drei Unentschieden durch die Vorrunde gemogelt hatten.
1990 holte die deutsche Fußballnationalmannschaft ihren dritten Weltmeistertitel. Es war das Jahr der Wiedervereinigung und die Bürger der noch bestehenden DDR – die „Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ zwischen beiden deutschen Staaten (vulgo: Einführung der D-Mark) wurde während des Turniers besiegelt, die politische Einheit folgte ein Vierteljahr später – feierten den Titel kräftig mit. Ich habe das Spiel mit vielen Freunden in Wackernheim gesehen und wir zogen nach Spielende trinkend und lachend mit einer DDR-Revolutionsflagge (d.h. einer DDR-Flagge, aus der das Staatssymbol entfernt wurde, wodurch ein fußballgroßes Loch entstanden war) um die Häuser. Beim Dorfitaliener – Italien war damals Gastgeber der Weltmeisterschaft – bekamen wir eine Kopie des WM-Pokals überreicht, dessen Deckel sich abschrauben ließ. Darunter verbarg sich ein Weizenbierglas, aus dem wir reihum tranken. In guter Erinnerung ist mir auch noch die Mannschaft von Kamerun, die um ein Haar das Halbfinale erreicht hätte und im Eröffnungsspieler Weltmeister Argentinien geschlagen hatte (obwohl bei Spielende nur noch neun Kameruner auf dem Platz standen). Wir haben uns damals von einem Freund, der ein entsprechendes Gerät besaß, Buttons mit dem Aufdruck „Kamerun wird Weltmeister“ machen lassen und sie jeden Tag getragen. Die deutschen Spieler erhielten für den WM-Sieg übrigens 145.000 DM pro Nase.
Seit 1991 wird auch eine Frauen-Weltmeisterschaft ausgetragen. Das erste Turnier hat die USA gewonnen. Die deutschen Frauen wurden 2003 und 2007 Weltmeisterinnen und führen damit die Tradition fort. Die Männer wurden 2006 noch „Weltmeister der Herzen“, ich habe die Spiele auf der Berliner Fanmeile und in diversen Kneipen und Wohnzimmern gesehen. Karten habe ich damals nur für das Spiel Ukraine gegen Tunesien im Berliner Olympiastadion bekommen. Es wird das einzige Live-Spiel bei einer WM in meiner Biographie bleiben. Wenigstens saßen wir im tunesischen Fanblock, wo es recht ausgelassen zuging. Von den Männern erwarte ich in diesem Jahr nicht viel. Ob sie zu meinen Lebzeiten noch einen Titel holen? Und wie alt muss ich werden, um das noch zu erleben? Immerhin gibt es für einen Titelgewinn 300.000 Euro Prämie. Für viele Bundesligaprofis ist das allerdings nur ein Monatslohn. Und Lionel Messi verdient 35 Millionen Euro im Jahr …
Wir sind Helden – Müssen nur wollen. http://www.youtube.com/watch?v=yz0vVObzfUY

2 Kommentare:

  1. Hey Matte...
    Den Pokal " Mannschaft der Herzen" werden sie wohl bekommen.
    Ich schätze mal das wir beide da schon unter der Erde liegen werden,
    falls es mal klappt mit dem WM Titel.
    Grüße aus Berlin
    Hubert

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    1. Hallo Hubert,
      vielleicht kriegen die Jungs ja den Fairplay-Pokal?
      Grüße aus Schweppenhausen
      Matthias

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