Freitag, 19. April 2013

Blick aus dem Fenster

Unter meinem Fenster zieht die Welt dahin: lachende und weinende Kinder, schweigende und schreiende Erwachsene, manchmal eine ganze bulgarische Kapelle auf ihrem Weg zwischen den Restaurants dieser Stadt. Riesige Busse mit flacher Stirn hupen und drängen nach vorn, Kleinwagen schlüpfen wie Insekten aus schmalen Parkbuchten. Ein übergewichtiger Mann schiebt seinen Bauch mühsam in Richtung Einkaufszentrum und zieht ein zweirädriges Utensil mit absurder Schottenmusterung hinter sich her als wäre es ein altersstarrsinniger Rauhaardackel. Touristen aus dem nahen Hotel gehen an der Gedenktafel für die ermordeten Kurden vorüber. Manche bleiben stehen und lesen die Namen, andere streben aufgeregt schnatternd dem Ku’damm entgegen. Die Kraft der Stadt kann ich nur erahnen, wenn ich die Fenster öffne und mir das fröhliche Geschrei der spielenden Kinder am Prager Platz und der gegenüberliegenden Kita über die Tastatur fliegt. Nur aus diesen Kindern kann Berlin seine Energie schöpfen, die Zeit der alten Männer ist vorbei, ihrer lauwarmen Pläne von ach so tollen Flughäfen und anderer Betonfantasien von Leuten, die selbst kein Zuhause mehr kennen.

2 Kommentare:

  1. Schön eingefangen. Der Schluss kommt überraschend, aber hat Charme. Ich fürchte nur leider, dass die Zeit des Betons nicht vorbei ist. Sie werden wohl nie von ihren abstoßenden Bausünden lassen können...

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Kiezneurotiker! Trotz der unschuldigen Kraft des Neuen, die wir manchmal am Frühlingsanfang spüren, packt mich doch immer wieder der Zorn, denn die grauen Wowereits und Henkels von der Zeitsparkasse arbeiten sicher schon in diesem Augenblick an weiteren Bosheiten gegen die eigene Bevölkerung. Zum Trost lese ich dann in deinem Blog ;o)

    AntwortenLöschen