Montag, 30. Juli 2012

Berlin, französischer Sektor

Jean-Marc ist ein Arbeitskollege und kommt aus Frankreich. Wenn ich mit ihm Auto fahre, das heißt, wenn ich auf dem Beifahrersitz Zeuge der elementaren Wucht seiner begnadeten Fahrkünste werde, dann begebe ich mich in eine andere Welt, in der eigene physikalische Regeln herrschen. Ich sehe beispielsweise einen Lkw frontal auf uns zu rasen, während Jean-Marc seelenruhig den Inhalt eines neuen Kinofilms referiert und eben jenen 80-Tonner im letzten Moment schneidet und knapp vor ihm nach links in eine Straße einbiegt. Ich schwöre, dass in diesem Augenblick, da wir auf zwei Rädern des greisen Renaults im Nanometerbereich am Kühler des Lastwagens vorbei in die Seitenstraße segelten, der Tod persönlich neben mir geritten ist. Ich sah ihn im Seitenfenster hysterisch lachen und die Sense schwingen. Machen andere Fahrer solche Aktionen mit ihm, verwandelt sich Jean-Marc in einen Louis de Funès des Straßenverkehrs und schimpft wie ein Rohrspatz. So hat er in Nizza Autofahren gelernt. Und der Witz ist: Die ganze Zeit laufen klassische Violinkonzerte vom Tonband, als wäre man im Fahrstuhl von Versailles gelandet. Trotzdem weiß ich, dass ich immer ankommen werde.

2 Kommentare:

  1. Das kenne ich nur zu gut! Perfekt beschrieben und einige Lacher herausgekitzelt.Wunderbar!!

    Rowena

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