Samstag, 4. Februar 2012

Aus einem Interview zu meinem neuen Roman

„Ich habe mit zwölf Jahren angefangen, Geld zu verdienen. Und ich rede nicht davon, dass ich mein Zimmer aufgeräumt und dafür Extra-Taschengeld bekommen hätte. Für eine Firma, die Reagenzgläser hergestellt hat, habe ich zu Hause Prospekte zusammengelegt, in einen Umschlag gesteckt, die Adresse aufgeklebt und einen Drucksache-Stempel draufgedonnert. Fertig! 8 Pfennige pro Umschlag. Das gab fast 3 DM pro Stunde, wenn man nicht rumgetrödelt hat. Den handschriftlichen Arbeitsvertrag habe ich heute noch. Meine Mutter hat als Putzfrau gearbeitet und uns Kinder durchgebracht, Taschengeld gab es keins. Tagsüber, wenn wir aus der Schule kamen, haben wir an der Würstchenbude zu Mittag gegessen oder im Supermarkt eine Tüte Chips gekauft.

Als ich mit vierzehn Jahren kräftig genug war, habe ich im Baumarkt als Aushilfe gearbeitet. In der Zeit fing es auch an, dass ich mir Sachen, auf die ich Bock hatte, einfach geklaut habe. Das waren vor allem Schallplatten und Bücher: Police, Zappa, Kafka, Bernhard. Meine Schwester hat auch geklaut, manchmal waren wir im Team unterwegs. Als sie einmal erwischt wurde und mit der Polizei nach Hause gebracht wurde, hat meine Mutter ihr richtig die Fresse poliert. Man darf sich eben nicht erwischen lassen. Mich haben sie jedenfalls nie erwischt, später habe ich mit Dope sogar richtig Asche gemacht.

Wir hatten kein Auto und sind nie in den Urlaub gefahren. Trotzdem würde ich heute sagen, dass ich eine glückliche Kindheit hatte. Man kannte ja die Alternative gar nicht, denn bei uns im Kiez lebten alle so. Wir Kinder waren frei und sind den ganzen Nachmittag herumgezogen. Ich erinnere mich an ein Feuer, dass wir auf einem leerstehenden Grundstück mit alten Autoreifen gemacht haben – da kam sogar die Feuerwehr! Im Nachhinein kann ich sagen: Man wird nicht nur hart im nehmen, sondern auch hart im geben. Deswegen kann ich mit den ganzen androgynen Waschlappen der heutigen Jugend nicht viel anfangen, für die das angesagte Wet-Gel wichtiger ist als eine klare Position. Ich weiß, wer meine Freunde sind und wer meine Feinde.“

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