Dienstag, 31. Mai 2011

Was mir neulich einmal aufgefallen ist

Warum haben die Kassiererinnen von Aldi eigentlich immer diese perfekt manikürten Fingernägel? Oft sind es ältere Frauen mit zweifelhaften Frisuren, die in den unternehmenstypischen hässlichen dunkelblauen Kitteln an der Kasse sitzen. Die Gesichter sind müde und leer, aber ihre gepflegten Nägel leuchten in ihrer Farbenpracht und Formenvielfalt, als wäre der Billigdiscounter eine Casting-Show. Was treibt diese Frauen an? Ist es ein stiller und verzweifelter Kampf um so etwas wie Würde? Wie Labormäuse müssen sie in Windeseile ihre Arbeit verrichten. Fliegende Hände, die den endlosen Warenwurm an einem Laserstrahl vorbeiziehen; Hände, die von tausend fremden Augen beobachtet werden. Oder ist es der Stolz der Arbeiterin, die mit ihrem prächtigen Nagelschmuck auf die starken Hände verweist, mit denen sie ihr tägliches Industriebrot verdient? So wie Matrosen sich früher den Bizeps tätowieren ließen? Wenn man sie fragen würde, wüssten sie die Antwort nicht.

Freitag, 20. Mai 2011

Freitag auf der Schönhauser

Freitag ab 14 Uhr, wenn die Frauen mit den Zwillingskinderwägen und die Japaner schon wieder weg sind, kommen die Vorstadtboys auf die Schönhauser Allee, in Weiß gekleidet (die Farbe der Kapitulation und der geknechteten Massen), Lehre als Maler oder Gas-Wasser-Scheiße, nach Feierabend schön geduscht und dann mit AXE-Duft die Bürgersteige bevölkern, Sprüche klopfen, Bier saufen, die Flaschen zwischen den parkenden Autos zerschmeissen, Leute mit schwarzen Klamotten als linke Zecke beschimpfen, irgendwann wird es dunkel, sie ziehen durch die Kneipen, testosterongesteuerte Gespräche, in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause noch ein paar Touris erschrecken, die letzte Zigarette an der Endstation mit den Jungs.

Montag, 16. Mai 2011

200000

Dieser Tage hat die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus ernsthaft zweihunderttausend Euro beantragt, um die Arbeit der „Bürgerwerkstatt Mauerpark-Fertigstellung“ weiterzuführen. Zweihunderttausend Euro? Bei uns im Brunnenviertel werden im Sommer das einzige Gymnasium und die einzige öffentliche Kinder- und Jugendbibliothek geschlossen, das Gebäude wird abgerissen. Und für eine Plauderrunde, der nach Austritt zahlreicher Bürgerinitiativen und Bürger längst die gesellschaftliche Legitimität abhanden gekommen ist, werden in einer Pleite-Kommune wie Berlin sechsstellige Summen durch den Schornstein geblasen? Was soll eigentlich noch Gegenstand der Werkstattgespräche sein, wenn die Grundlagen – jener ominöse Bebauungsplan von Herrn Gothe und das Einverständnis des Grundstückseigentümers – inzwischen weggefallen sind? Die bisherige Arbeit der Werkstatt bezieht sich ja explizit auf den Kompromiss „Baurecht gegen Parkfläche“, der jedoch - spätestens nach Präsentation der prämierten Entwürfe im städtebaulichen Wettbewerb - für die Bürger (in der Werkstatt und im formalen Beteiligungsverfahren) nicht akzeptabel war. Es ist nicht nur ein sinnloser und teurer Vorschlag, der von der SPD gemacht wurde – er ist mir auch von den Zahlen her überhaupt nicht eingängig. Was soll an der Fortführung der Bürgerwerkstatt denn so kostspielig sein? Es sind nur drei weitere Veranstaltungen geplant: zwei Werkstattrunden (17. Mai und 8. Juni 2011) und eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse am 27. Juni 2011 (Quelle: Mail von Moderator Seebauer an alle Werkstattmitglieder vom 31. März 2011). Bezahlt werden müssen das Moderationsteam und Professor Lange, dazu ein paar belegte Brötchen und Mineralwasser. Ich habe selbst zehn Jahre Veranstaltungen (wissenschaftliche Tagungen und Workshops) geplant und durchgeführt, daher kenne ich die ungefähren Kosten ganz gut. Wozu braucht man soviel Geld? Wo fließt das hin? Welche Seilschaften werden mit zweihunderttausend Euro alimentiert, wenn die tatsächliche Veranstaltungsreihe nicht mal ein Zehntel kosten dürfte? Es wäre sicher sinnvoller, das Geld erst nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September in die Bürgerbeteiligung – ob in Form einer „Werkstatt“ oder wie auch immer – zu investieren. Ich bin jedenfalls am 15. Mai aus der Bürgerwerkstatt ausgetreten. Für derlei absurdes Theater fehlt mir jegliches Verständnis. Und mein Kreuzchen mache ich im September bei einer Partei, die verantwortlich mit meinem Steuergeld umgehen kann.