Donnerstag, 30. Dezember 2010

2011

Jahreswechsel sind immer auch Zeiten der Prognosen gewesen und so möchte ich mich auch einmal an diesem Spiel versuchen, um in einem Jahr sehen zu können, wie viel von diesem Glaskugelspiel der Wirklichkeit entsprochen hat. Kommen wir zu einer einfachen Prognose: Das bürgerliche Lager (wo immer die „Mitte“ beschworen wird, was im Wedding durchaus befremdliche Gefühle auslösen kann - schließlich gibt es Alt-Mitte oder Mitte-Mitte und Neu-Mitte, die in alle Himmelsrichtungen wächst), die Koalition der Streber und Spießer, wird eine Serie schwerer Wahlniederlagen hinnehmen müssen. Merkel wird das mit der üblichen inhaltsleeren Beharrlichkeit überleben, die sie vom pfälzischen Patriarchen, ihrem Ziehvater Helmut Kohl gelernt hat. Was sollte sie auch sonst machen? Guido Westerwelle wird im Frühjahr als Parteichef für die verlorenen Wahlkämpfe und Abgeordnetensitze geopfert, erst im Jahr 2013 verliert er auch seinen Ministerposten und wird Hotelmanager in der Schweiz. In Europa gehen noch ein paar Regierungen pleite, weil sie ihre Banken gerettet haben und nun wiederum von der Zentralbank gerettet werden müssen. Es wird viel frisches Geld unter die Leute gebracht, das zu Spekulationszwecken auf den Rohstoffmärkten eingesetzt wird und die Inflation anheizt. Zusammen mit höheren Strompreisen und Krankenkassenbeiträgen gibt es für uns alle weniger Netto vom Brutto. Borussia Dortmund wird deutscher Fußballmeister, Hertha steigt auf und Lothar Matthäus heiratet. Im Sommer wird es so heiß, dass die Klimaanlagen der Deutschen Bahn versagen, im Winter wird es so kalt, dass die Heizung ausfällt. Eigentlich könnten wir uns gleich mit 2012 beschäftigen … aber sicher wird es auch ein paar faustdicke Überraschungen geben. Wetten, dass ein grüner Ministerpräsident Stuttgart 21 bauen lässt? Ein frohes neues Jahr wünscht der Kiezschreiber!

Freitag, 24. Dezember 2010

Eine kleine Kinderwintergeschichte

Lilli hieß eigentlich gar nicht Lilli, aber Paul nannte sie so. Paul wohnte mit seinen Eltern in einem kleinen Haus weit draußen vor der Stadt. Vom Fenster seines Zimmers blickte er auf den Garten. Er reichte bis zu einem Bach, der sich am Rand des Dorfes zwischen ein paar uralten Weiden hindurch schlängelte. Draußen war es jetzt furchtbar kalt, die Bäume hatten längst ihre letzten Blätter verloren. Sie waren ganz schwarz geworden und das Wasser des Baches hatte die Farbe von Beton. Paul mochte den nasskalten Herbst nicht, also blieb er in seinem Zimmer und spielte mit Lilli. Lilli war eine kleine Maus, genauer gesagt ein Mäusekind. Pauls Mutter hatte es gefunden, als sie das Gemüsebeet umgegraben hatte. Es war zu schwach gewesen, um mit seinen Eltern und Geschwistern davon zu laufen, also hatte sie es mit ins Haus genommen, mit ein wenig Milch gefüttert und Paul gegeben.

Wenn Lilli alleine war, saß sie oft am Fenster und sah in den Garten und in die Welt hinaus. Und wenn man ganz genau hinhörte, vernahm man ein leises Pfeifen. Paul hatte Lilli einmal beobachtet, als sie so am Fenster saß, und sie hatte traurig ausgesehen. Aber Paul wusste nicht, warum Lilli traurig war. Es fiel ihm kein Grund ein, so angestrengt er auch darüber nach dachte. Lilli hatte doch alles: ein kleines Zimmer in der Schublade von Pauls Schreibtisch, ein Bettchen aus Watte und ein Taschentuch als Decke. Paul liebte Lilli über alles, sie war seine beste Freundin. Wenn sie zusammen spielten, war Lilli immer lustig und hatte Paul aus lauter Übermut sogar schon einmal in den Finger gebissen. Aber nachts, wenn Paul schlief, pfiff Lilli leise in ihrer Schublade und hob zitternd ihr winziges Näschen, als ob sie einen fernen Geruch suchen würde.

Eines Morgens erwachte Paul und spürte, dass etwas anders war. War es das Licht? War es im Zimmer nicht heller als am Tag zuvor? Paul sprang aus dem Bett und lief zum Fenster. Über Nacht hatte es geschneit, der ganze Garten war weiß verhüllt. Die Sonne schien und die Eiskristalle funkelten wie die Sterne am Himmel. Paul war begeistert, denn er fand Schnee einfach großartig. Schlitten fahren, Schneemänner bauen, Schneeballschlachten - der Winter war seine Jahreszeit! Er hob Lilli vorsichtig aus ihrem Bettchen und zeigte ihr die weiße Pracht. Sie pfiff leise und diesmal wirkte es gar nicht traurig. Schnell hatte Paul sich angezogen und rannte mit Lilli in den Garten hinaus. Der Bach war gefroren, aber Paul traute sich nicht auf das Eis. Lilli war unruhig geworden und er setzte sie ab. Kaum hatte sie den Boden berührt, da rannte sie blitzschnell über das Eis auf die andere Seite des Baches und war verschwunden. Was sollte Paul jetzt tun? Vorsichtig tapste er hinter ihr her, aber sie war nirgends zu sehen. Es war ganz leise, so als ob der viele Schnee alle Geräusche verschlucken würde. Paul hielt den Atem an und lauschte angestrengt. Da hörte er ein Pfeifen. Vorsichtig ging er ein paar Schritte und lauschte wieder. Ja, ein Pfeifen. Noch ein paar Schritte. Er teilte die herab hängenden Zweige einer Weide und dort sah er sie: Lilli hatte ihre Familie wieder gefunden und saß mit ihr zusammen. Paul hatte das Gefühl, als ob alle Mäuse des Waldes zusammen ein Lied pfiffen.

Samstag, 18. Dezember 2010

Eine Bürgerstiftung im Wedding?!


Seit den neunziger Jahren gibt es Bürgerstiftungen in Deutschland. Ihr Ziel ist es, in einem klar definierten Gebiet dauerhaft das Gemeinwesen zu stärken und bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Inzwischen gibt es fast dreihundert Bürgerstiftungen in Deutschland, die sehr erfolgreich arbeiten. Was läge also näher, als eine Bürgerstiftung im Wedding zu gründen? Zu diesem Thema trafen sich am 1. Dezember Interessierte zu einem Informations- und Vorbereitungstreffen im Zentrum für soziale und kulturelle Arbeit in der Osloer Straße 12.
Wie das Vorhaben, eine Bürgerstiftung auch im Wedding aufzubauen, funktionieren kann – wer könnte das besser beurteilen, als einer, der einen solchen Prozess schon einmal selber mitgemacht hat und zwar in einem Stadtteil, der viele Gemeinsamkeiten mit dem Wedding hat: Neukölln. Dort ist die Bürgerstiftung wahr geworden. Dr. Kurt Anschütz berichtete, wie die ersten Schritte in seinem Stadtteil aussahen. Am Anfang standen kleinere Projekte wie ein Kindertheater, ein Kiez-Kalender und öffentliche Veranstaltungen zu Schwerpunktthemen wie z.B. Einwanderung. Damit gewann die Stiftung erste Aufmerksamkeit und konnte bereits wichtige Sponsoren aus der lokalen Wirtschaft gewinnen. Schließlich fanden sich 102 Gründungsstifter/innen (Bürger, Geschäftsleute, Kirchengemeinden, Parteien usw.), die insgesamt etwa 70.000 Euro Stiftungskapital zusammen brachten. Die Bürgerstiftung ist inzwischen eine anerkannte und geschätzte Plattform für soziales Engagement in Neukölln, die nicht nur Kapitalerträge aus dem Stiftungskapital verwenden kann, sondern auch viele Spenden sammelt. So gibt es z.B. einen Trödelmarkt, auf dem gespendete Bücher, Kleidung oder andere Dinge verkauft werden. Auf diese Weise kommen jährlich insgesamt etwa 15.000 Euro zusammen, die über eine Jury an ausgewählte Projekte verteilt werden.
Im Wedding gibt es zwar viele Vereine und Initiativen, aber es fehlt an einer Institution, die das bürgerschaftliche Engagement langfristig vernetzen und die Aktivitäten bündeln kann. Wirtschaftliche Unternehmen wie Bayer-Schering oder Karstadt haben durchaus Interesse an der Verbesserung des städtischen Umfelds und könnten angesprochen werden. Der Vorteil einer Stiftung gegenüber den Projekten ist die Verstetigung des Engagements und der Aufbau von langfristig wirksamen Strukturen im Kiez.
Wer Interesse hat, zu einem Teil der Bürgerstiftung Wedding zu werden und diese aufbauen zu helfen, ist herzlich zum Treffen zur Gründung des Initiativkreises Bürgerstiftung Wedding am 27.1.2011 um 18:30 Uhr ins Quartiersmanagement Pankstraße, Adolfstraße 12 eingeladen. Kontakt: Elisabeth Schönrock, Linienstraße 139, 10115 Berlin, Tel.: 0175/6161286.