Donnerstag, 14. Oktober 2010

Proseminar: Soziologie der Gruppe

Im Soziologiestudium habe ich bereits im ersten Semester gelernt, wie der Mensch als Herdentier funktioniert: Er sucht Gemeinsamkeiten innerhalb der eigenen Gruppe und grenzt sich gegen andere Gruppen ab. Wie das in Deutschland abläuft, ist eigentlich ganz einfach: „Wir“ mögen Oktoberfest, Volksmusik, Fußball, Alkohol und Autos. Was wir nicht mögen, unterliegt allerdings gewissen Schwankungen. Wichtig ist jedoch, dass wir immer einen Sündenbock haben müssen, um uns als Deutsche definieren zu können. Denn wenn es mit den Gemeinsamkeiten etwas schwieriger wird, weil uns beispielsweise auch Hip-Hop, Beachvolleyball und Fahrräder gefallen oder wir gerade von einer Zonenschrippe und einer Schwuchtel regiert werden, sollte es wenigstens mit dem Ausgrenzungsmechanismus klappen. In den achtziger Jahren war „der Russe“ das Feindbild (im Westen), in den Neunzigern dann Asylanten und Ausländer (wobei Russland-Deutsche, jugoslawische Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsmigranten und ehemalige Gastarbeiter in einen Topf geworfen wurden - eben alles ohne blondierte Vokuhila-Frisur, Jeansjacke und Dosenbier in der Hand), in den nuller Jahren folgten Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger und in unserer trüben Gegenwart ist es „der Moslem“. Hauptsache, man hat mal nach draußen gekeilt, gekeift oder gespuckt. Das gehört offenbar zur Sozialhygiene einer Viehherde dazu. „Die“ sind anders als wir und „die“ gehören nicht dazu. Schon geht es einem durchschnittlichen Schaf, Ochsen oder Esel besser. Jeder für sich - oder hat man schon mal Lämmer, Kälber und Fohlen zusammen spielen sehen? Eben. Brauchen wir nicht, haben wir schon immer so gemacht, wollen wir auch nicht. Sonst müssten ja auch die ganzen Soziologielehrbücher umgeschrieben werden.

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