Montag, 9. Februar 2009

Die Geschichte vom Lärmmacher


Das Örtchen Elend wurde gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts im ganzen Regierungsbezirk bekannt, weil sich in dem verschlafenen Dorf ein Lärmmacher niedergelassen hatte. Er überragte seine Mitbürger um mehrere Haupteslängen, hatte einen wilden roten Bart und trug ständig schwere lange Pelzmäntel, so daß er wie ein Riese aus dem Märchenbuch aussah. Er hieß übrigens nicht Ignaz, wie oft fälschlich behauptet wird. Des Tags stand er auf dem Dorfplatz und schrie aus Leibeskräften, während er die Pauke dazu schlug. Gegen Abend pflegte er immer durch den Ort zu gehen. Singend und pfeifend, rufend und händeklatschend zog er an den niedrigen Häusern vorbei, um die verschüchterten Bewohner heraus zu treiben und um eine kleine Spende zu bitten. Bald schon war er für sein fleißiges und stetes Lärmen in den Martkflecken der Umgebung bekannt. Leute kamen nach Elend, nur um ihn zu sehen. Händler nahmen Umwege in Kauf, um durch das Dorf zu kommen und den Hünen bei seinem lauten Treiben beobachten zu können. Der Lärmmacher, der nicht Ignaz hieß, fertigte derweil allerlei merkwürdige mechanische Apparate und metallische Instrumente zur Lärmerzeugung, die er vom frühen Morgen an auf dem inzwischen festlich geschmückten Dorfplatz zu bedienen pflegte. Es wurde immer lauter im Dörfchen, immer mehr Leute kamen nach Elend und so kann das Ende der Geschichte den aufmerksamen Leser nicht verwundern: Eines schönen Tages war der Lärmmacher verschwunden und wurde nie wieder gesehen.

Superwahljahr


Es klopfte. Erschrocken ließ ich das Buch fahren, in dem ich gerade las. Es klopfte erneut, es mußte ganz in der Nähe sein. Ich blickte unter das Bett und tatsächlich lag dort ein älterer Herr in einem altmodischen Gehrock, der nun vorsichtig den Hut zum Gruße lupfte. "Guten Tag, ich bin Politiker", begann er mit falschem Lächeln.

Sonntag, 1. Februar 2009

Brunnenkiez-Krimi Nr. 3


Mardo hatte als Klingelton die düstere Fanfare gewählt, mit der Darth Vaders Auftritte in Star Wars unterlegt wurden. Er wollte gerade das Büro schließen, den ganzen Tag über war nichts passiert und nun waren ihm auch noch die Zahnstocher ausgegangen. Aber nun klingelte es. Sein alter Schulfreund Lando Calrissian war am Apparat, bis zur zehnten Klasse hatten sie zur selben chain-gang an der Diesterweg-Oberschule gehört.
"Hi, van Damme". Das war Mardos Spitzname in der Zehnten gewesen, wegen der Vornamensverwandtschaft mit dem drittklassigen Action-Helden Jean-Claude van Damme.
"Hi, Dicker". Calrissians Spitzname hatte eher eine physiologische Herkunftsgeschichte.
"Du hast jetzt eine Agentur als Privatdetektiv, habe ich gehört."
"Da hörst du richtig."
"Es geht eigentlich um nichts wirklich Aufregendes. Eigentlich geht es nur um ein Auto. Kann ich es dir bei einem Bier erklären?"

Ein scharfer Wind trieb Mardo feine Sandkörner und winzige Regentropfen in die Augen, als er die Putbusser Straße hinunterging. An einem solchen Januartag waren die Straßen des Brunnenviertels menschenleer, alles Leben hatte sich hinter die Steine verkrochen. Aber unsichtbar hinter den leblosen Fassaden pochte das Blut durch Venen und Arterien. Fleisch und Knochen, Schmerz und Wahnsinn, Liebe und Hass, Gier und Mitleid, Stumpfsinn und Apathie. Alles verborgen unter den bunt verputzten Grabplatten und doch ganz nahe. Nur die Straße war ruhig, über alles andere dachte man besser nicht nach.
Mit dem Aufzug fuhr Mardo zu Calrissians Wohnung in einem der Neubautürme an der Brunnenstraße hinauf. Im Wohnzimmer standen nur ein Sofa, zwei Sessel und ein flaches Glastischchen. Die Stereoanlage war auf dem Boden aufgebaut, es gab keine Schränke oder Regale. Offenbar war sein alter Kumpel gerade erst eingezogen. Mit einem Beck’s in der Hand ließ er sich in einen der Sessel sinken.
"Es geht um Folgendes", fing Calrissian an, nachdem sie eine Weile den Verbleib ihrer Schulkameraden durchgegangen waren. Da war von Knast bis Chirurgie alles dabei. "Ich bin an einem Wagen interessiert. Es ist ein 1957er Cadillac Eldorado, ziemlich runtergekommen, aber wieder herstellbar. Pimp my ride, verstehst du? Dieses Auto würde ich gerne kaufen."
"Und wieso brauchst du mich dazu?" fragte Mardo.
"Es ist nicht so einfach. Ich kenne den Typen, also den Besitzer, noch von früher. Wir mögen uns nicht besonders. Es ging da um eine Frau, die Details sind völlig unwichtig für dich. Aber ich kann dort nicht persönlich aufschlagen. Ich brauche einen Mittelsmann."
"Und ich soll einfach hinfahren und den Wagen kaufen? Ich habe von Gebrauchtwagen nicht allzu viel Ahnung." Das traf die Sache nicht ganz. Mardo hatte nicht den blassesten Dunst, was Autos anbelangte. Er hatte auch keinen Führerschein. Aber Calrissians nächste Worte überzeugten ihn, sich einfach auf das Abenteuer einzulassen.
"Keine Sorge. Ich biete dem Besitzer einen Festpreis an, den er einfach akzeptieren muss. Du brauchst dich nicht unter den Wagen zu legen, fachzusimpeln oder zu feilschen. Du gehst hin, machst ihm das Angebot, er wird annehmen, und du bewegst das Auto und deinen Arsch umgehend zu mir. Meinen Namen erwähnst du selbstverständlich nicht. Dein Honorar beträgt dreitausend Euro."

Mary lag auf dem Sofa und blickte genervt in ein speckiges Bibliotheksexemplar von James Joyce‘ "Dubliners". Mardo kam nach Hause und hängte seinen Wintermantel an den Haken.
"Du kennst dich doch mit Autos aus", begann er, als er sich vor sie auf den Wohnzimmerteppich setzte.
"Kommt ganz darauf an". Mary spielte ihr Desinteresse ganz ausgezeichnet, aber sie war froh, endlich von dieser öden Lektüre für ihre Seminararbeit abgelenkt zu werden.
"Hast du schon mal von einem Cadillac Eldorado gehört?"
"Na, klar. Absolute Luxuskarosse, supergeile Haifischflossen-Heckflügel und Rücklichter im Raketendesign. Riesiger V8-Motor mit 350 PS, aber das Baby wiegt auch mehr als zwei Tonnen und ist fast sechs Meter lang." Im Reden hatte sich Mary langsam aufgerichtet. Jetzt saß sie und schaute Mardo scharf an. "Willst du mit mir Autoquartett spielen oder was soll das?"
"Nein, es geht um einen Auftrag. Ich brauche jemanden, der dieses Ding erkennen und bewegen kann." Dann erzählte er ihr alles.
"Okay", grinste Mary. "Mit einer Frau an deiner Seite wirkt das ganze doch auch viel seriöser."

Am nächsten Vormittag fuhren Mary und Mardo mit der S-Bahn von Gesundbrunnen zur Beusselstraße am Berliner Großmarkt. Mardo saß am Fenster, betrachtete sich aber die Leute im Gang. Vor ihm standen eine türkische Teenagerin und ihr Vater, die sich gemeinsam an einer Stange festhielten. Ihr rosafarbener Nagellack blätterte bereits ab, ihm fehlten die Fingerkuppen von Zeige- und Mittelfinger der linken Hand. Das geheimnislose Lächeln eines älteren Asiaten, die krumme alte Witwe mit ihrem Rollwägelchen voller Katzenfutter. Auf der anderen Seite des Gangs saßen ein vielleicht dreizehnjähriger Junge und eine körperlich wesentlich reifere Mitschülerin. Er faselte laufend etwas davon, wem er alles auf’s Maul hauen wollte, sie lachte gelegentlich mit einem nachsichtigen Blick zu Mardo herüber. Sie wusste, dass er seinen Prahlereien zuhörte, der Junge nicht. Sie stieg vor ihm aus, der Junge fragte vergeblich nach ihrer genauen Adresse.
In der Berlichingenstraße lagen die Werkstatt und der Hof von Arc Welding, dem Besitzer des Cadillac. Der Autohändler sei gebürtiger Engländer und war als Bauarbeiter in den neunziger Jahren nach Berlin gekommen, soviel wusste Mardo von Calrissian.
"Ich habe mal gegoogelt. Arc Welding bedeutet Lichbogenschweißen. Scheint also eher ein Künstlername zu sein," erzählte Mardo, als sie der Werkstatt näher kamen. Nach einem kurzen Slalom zwischen schmutzigen Pfützen und Ölflecken erreichten sie ein Büro.
"Guten Tag. Wir suchen Herrn Welding."
Der Mann am Schreibtisch blickte sie misstrauisch an. "Sind Sie von der Schmiere?"
"Nein, nein", versicherte Mardo lächelnd. "Ich bin an einem Auto interessiert. Auf ihrem Hof steht ein alter Cadillac, den würde ich mir gerne mal anschauen."
Wenig später saßen Mary und Mardo in Weldings Büro. Es war mit einer weißen Ledergarnitur und Designerlampen ausgestattet. Einen solchen Luxus hätte Mardo in diesem Hinterhof gar nicht erwartet. Welding war ein großgewachsener untersetzter Mann mit dunkelrotem Schädel, der lächelnd mit einigen Spirituosen hantierte.
"Was trinken Sie?"
Mardo hob abwehrend die Hände. "Nicht um diese Uhrzeit."
"Und die Dame?"
"Ich muss noch fahren". Mary lächelte.
"Irgendeinen Musikwunsch?" Welding ging mit einem Wodka-O zu einer sündhaft teuer aussehenden Stereoanlage hinüber.
"Ganz egal. Hauptsache Wolfgang Petry."
Welding riss die blutunterlaufenen Augen auf.
"Keine Angst, das war nur Spaß." Mardo hatte ganz entspannt die Beine übereinander geschlagen, er spürte das schwere Geldbündel in seiner Brusttasche.
Bei Depeche Mode besprachen sie den Kauf. Mardo bot, wie mit Calrissian besprochen, achtzigtausend Euro für den Cadillac. Welding willigte sofort ein. Er konnte es gar nicht abwarten, die Papiere und die Schlüssel zu holen. Mit einem Standardformular besiegelten sie den Kauf.
Als sie draußen vor dem Wagen standen, fragte Welding vorsichtig: "Ihnen ist schon klar, dass Sie einen stolzen Preis für das gute Stück bezahlt haben?"
"Keine Sorge", antwortete Mardo. "Ich weiß, was ich tue."
Welding kratzte sich kopfschüttelnd am Kopf, als Mary den Wagen mit quietschenden Reifen vom Hof fuhr. Mardo fand noch nicht einmal einen Sicherheitsgurt.

"In diesem Zustand ist der Cadillac doch nicht einmal die Hälfte wert. Schau mal bei AutoScout24 oder auf anderen Seiten im Netz nach. Dein alter Kumpel ist ein Spinner oder ein neureicher Idiot." Sie sagte es ganz beiläufig, während sie das Orangenbäumchen goss, das bereits die ersten zarten Blättchen zeigte.
Mary hatte Recht. Bei Mardo klingelten sämtliche Alarmglocken. Er glaubte fest an die Existenz eines Instinkts, eines sechsten Sinns, und er verließ sich auf ihn. Viele Menschen hatten die Fähigkeit, fremde Blicke auf sich zu spüren oder die Gegenwart eines anderen Lebewesens in völliger Dunkelheit wahrzunehmen. Es war ihm auch schon häufig passiert, dass jemand anderes nur wenige Augenblicke später einen Gedanken laut aussprach, den er selbst gerade hatte. Und sein Instinkt sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Woher hatte Calrissian soviel Geld? Und wenn er soviel Geld hatte, warum wohnte er dann nicht woanders? Warum war dieser Wagen soviel wert? Und warum wollte sein alter Schulfreund den Wagen erst in drei Tagen abholen – auf dem öden Columbiadamm gegenüber der Moschee? Er schaute wieder aus dem Fenster. Auf der Straße schlief das knallrote Ungetüm, Jugendliche standen auf dem Bürgersteig und starrten es an. So etwas hatten sie in ihrem Kiez noch nicht gesehen.

Wenn man im Norden der Graunstraße in einen unbeleuchteten Durchgang trat und ihm bis zum Ende folgte, kam man in einen kleinen Hof, von dem das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs zu sehen war. Schaute man nach rechts, sah man eine grau gestrichene Stahltür, auf der die Nummer neun aufgemalt war. Dahinter verbarg sich das "Revolution No. 9", eine kleine Bar, die so wenig Werbung brauchte wie Rolls Royce. Die wichtigen Leute kannten die Bar, oft traf man hier auch Schauspieler, Musiker oder andere lokale Berühmtheiten, die einfach in Ruhe ihre Drinks schlürfen wollten. Im "Revo" war man unter sich, hier durfte geraucht werden und auf der Speisekarte standen nur die Cocktailverzierungen.
Mardo sog gedankenverloren an einem Zombie, als sich Kommissar Leber durch Finsternis und Dunst der Theke näherte.
"Na, Mardo. Wie laufen die Geschäfte?"
"Verdächtig gut." Mardo erzählte ihm die Geschichte. Dreitausend Euro für so wenig Arbeit. Sie mussten den Wagen noch nicht mal in der Jüterboger Straße in Kreuzberg ummelden.
Leber ging auf die Toilette und schloss sich ein. Das "Revo" war zwar ein nettes kleines Versteck, verfügte aber trotzdem über W-LAN. Der Kommissar fuhr das Mini-Notebook hoch und gab zwei Namen ein. Dann ging er zurück zu Mardo.
"Welding ist ein stadtbekannter Drogenhändler. Hat derzeit Bewährung, aber wir können ihm nichts neues nachweisen. Ihr Freund ist einer seiner Mitarbeiter."
Der Zombie und die Nachrichten heizten Mardo mächtig ein. Er sah den Kommissar schweigend an.
"Vielleicht schauen wir uns das Auto gleich mal an." Leber lächelte, als er das alte Budweiser-Plakat fixierte, das hinter Mardo an der Wand hing.

Zur Übergabe fuhren Mary und Mardo bereits eine Stunde früher als vereinbahrt. Mary sollte nicht dabei sein, wenn er Calrissian traf. Mardo setzte sich ans Steuer, den Zündschlüssel ließ er im Schloss, die Papiere lagen auf dem Beifahrersitz. Es war kalt, aber für dreitausend Euro lohnte sich das Zittern. Und für alles andere auch. Calrissian kam wie verabredet. Er lächelte zufrieden, schien es aber eilig zu haben. Mardo war erleichtert, als er durch die Hasenheide Richtung Südstern ging. Er wusste wohin er wollte, und er wusste, was passieren würde.


Zwei Stunden später wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen. Calrissian kam wütend hereingestürmt.
"Wo ist der Ersatzreifen?"
"Was?"
"Der Ersatzreifen, Mardo! Im Kofferraum war ein Ersatzreifen, der ist weg."
"Was ist mit dem Reifen?"
"Da ist etwas drin ,was mir gehört. Und es ist verdammt wichtig."
"Was denn?"
"Das geht dich einen Scheiß an! Ich will den Stoff zurück, du Ratte. Du hast mich abgelinkt."
Calrissian ging auf Mardo los, aber da wurde auch schon die Tür des Nebenraums aufgerissen. Zwei Polizeibeamte packten Calrissian und drückten ihn zu Boden. Kommissar Leber betrat das Büro.
"Sie sind vorläufig festgenommen."


Als Mardo mit Leber allein war, erzählte der Kommissar die ganze Geschichte.
"Ja, Mardo, Sie hatten Recht. An der ganzen Sache war etwas faul. Im Ersatzreifen haben wir zehn Kilo feinstes unverschnittenes Kokain gefunden. Calrissian hat auf Weldings Hof gearbeitet. Er hat den Stoff verschnitten und in kleinere Portionen aufgeteilt. Irgendwann wollte er aber an das große Geld. Also ließ er eine fette Lieferung verschwinden. Er hätte sie aber nicht einfach so vom Hof bringen können, also hat er sie im Reifen versteckt. Als Welding erfuhr, dass sein Koks weg ist, bekam er natürlich einen Tobsuchtsanfall. Er hat alle Leute und das ganze Grundstück durchsuchen lassen, aber das Koks blieb verschwunden. Ihr Klassenkamerad hat einfach Gras über die Sache wachsen lassen und wollte mit Ihrer Hilfe an seine Beute. Welding steckte in Geldschwierigkeiten, nachdem das Koks weg war, und hat in den Auto-Deal natürlich gerne eingewilligt."
Mardo schwieg eine Weile. "Was ist mit meinem Honorar von Calrissian?"
"Was für ein Honorar? Gibt es dazu etwas Schriftliches?"
Beide grinsten feist.


Mc Job


Es ist neun Uhr morgens und ich, der Tapferste der Tapferen, sitze seit etwa einer Stunde an meinem Schreibtisch im Eingangsbereich einer Tennishalle. Draußen vor dem Fenster steht ein abgekämpfter älterer Herr im strahlenden Sonnenschein dieses Sonntagmorgens und kippt eine Flasche Cola in seinen aufgeschwemmten Leib – die müde Karikatur eines Fernsehwerbespots. Er kommt in die Halle und fragt mich in bestem Landserdeutsch: "Und Sie halten hier die Stellung?" Ich antworte: "Einer muß ja da sein." Bis heute abend werde ich hier sitzen, denn heute bin ich ein Pförtner, kein Taugenichts, sondern eine Respektsperson. Meistens beschränken sich die Dialoge auf die üblichen Grußformeln und ich tue das, was ich am besten kann: nichts. In meinem Büro gibt es einen Computer, den ich nicht anfassen darf, und Tennisschläger, deren Handhabung mir fremd ist. Vorhin, um 8:55 Uhr, hat mich doch tatsächlich ein Mann gefragt, ob er schon auf den Platz dürfe. Die Spielzeit beginnt jeweils zur vollen Stunde. In welchem Land ist so etwas möglich? Und während sich die vorbeiziehenden Wolken in den blitzblank gewaschenen Mittelklassewagen der Kundschaft spiegeln, steigt in mir die leise Lust auf, in die Umkleidekabine zu gehen und einem dieser feinen Herren gepflegt in die Sporttasche zu scheißen.

Später feiert eine italienische Großfamilie in der Pizzeria im Stockwerk über mir die Kommunion eines kleinen Mädchens. Es ist Mittagszeit, die Plätze leeren sich und die Kinder, die zur Feier eingeladen sind, fragen mich, ob sie hier spielen dürfen. Ich gebe ihnen alle Leihschläger und Bälle, die ich finden kann, und bald bevölkert eine bunte kreischende Horde die gesamte Tennishalle. Das kleine Mädchen kommt in seinem herrlichen weißen Seidenkleid in mein Büro und ich schenke ihr zwei Bälle. Wegen des kostbaren Kleides kann sie nicht auf den Platz, also spielt sie mit den Bällen im Flur. Ganz artig hat sie sich bedankt, ihr Lächeln gibt diesem lausigen verkauften Tag erst einen Sinn. Überraschend taucht der Hallenbesitzer auf. Er ist entsetzt über meine freimütige Vergabe von Schlägern im Wert von über 5000 Euro, wagt aber nicht, in dieses wunderbare Chaos einzugreifen. Erst eine Woche später werde ich gefeuert.