Donnerstag, 17. September 2009

Berlin ganz vorne


Die Situation im öffentlichen Personennahverkehr gereicht der deutschen Hauptstadt dieser Tage nicht gerade zur Ehre. Wer sich einmal den Spaß macht, mit der S-Bahn in der Innenstadt unterwegs zu sein, kann große Abenteuer auf kurzen Strecken erleben. Aber es gibt auch Positives zu berichten. Zum Beispiel über die neue U 55, die sogenannte "Kanzler-U-Bahn", die den Hauptbahnhof mit weit entfernten Zielen wie dem Bundestag und dem Brandenburger Tor verbindet. Heute hatte ich zum allerersten Mal das Vergnügen, diese zukunftsweisende Nord-Süd-Tangente zu befahren. Und das kam so: Regelmäßig fahre ich mit der U 9 von meiner Wohnung zum Bahnhof Zoo und steige dort in den erstbesten Bus, der vom Hardenbergplatz losfährt. Mal lande ich auf diese Weise am Alex, mal am Wannsee oder auch in Kreuzberg. Dieses Mal geht die Tour über den Ernst-Reuter-Platz, durch Moabit, an Gotteshäusern und Gefängnissen vorbei, bis zum Hauptbahnhof. Vor mir pressen sich zu Tode erschöpfte Rentner mit riesigen Koffern aus dem Bus, dann geht es hinab zum U-Bahn-Gleis.

Ich muss sagen, ich war begeistert. Noch nie bin ich in einer so sauberen U-Bahn gefahren – und ich lebe schon sehr lange in dieser Stadt. Der ganze U-Bahn-Wagen roch neu und nirgendwo war er bekritzelt. Die Scheiben waren sauber und völlig unzerkratzt, mit anderen Worten: man konnte hindurch sehen! Der Bahnhof "Brandenburger Tor" roch auch ganz neu und irgendwie sehr edel. An den Wänden goldene Lettern und museumspädagogische Großtaten in Form bebilderter Tafeln zur Berliner Geschichte. Wenn man dann die Treppe hinaufgeht, kommt man an einen "Kodak-Point", einen Punkt, von dem aus sich eine perfekte Fotografie des hauptstädtischen Wahrzeichens machen lässt. Und ob es der geneigte Leser nun glauben mag oder nicht: Vor dem Brandenburger Tor posiert tatsächlich eine Blondine im Bikini vor einem Mercedes-Oldtimer, ihren Luxuskörper ziert eine Schärpe mit der Aufschrift "Miss America". Sie wird von einer Masse sabbernder und grinsender Touristen und Journalisten umlagert, die sicher alle etwas anderes denken als ich. Es heißt, die Kanzler-U-Bahn habe 320 Millionen Euro gekostet, 178.000 Euro pro Meter Gleis. Das sind knapp hundert Euro pro Berliner. Ich finde, das Geld ist gut angelegt.

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